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Auf seinem elften Studioalbum hat sich der mittlerweile 70jährige Kanadier mehr fremde Federn als je zuvor an den Anzug geheftet und bleibt trotzdem der altbekannte Rabe (der zwischendrin mal eine Krähe imitiert, die gern ein Papagei sein möchte). Wie schon auf dem Vorgängeralbum "Ten New Songs" aus dem Jahr 2001 entsteht auch der Reiz dieser neuen Stücke durch das Zusammenwirken bzw. den Kontrast von Leonard Cohens, äh, Gesang mit einer engelsgleichen weiblichen Stimme, entweder der von Sharon Robinson oder der von Anjani Thomas, die ihn abwechselnd begleiten, meist Background singen, manchmal aber auch kurz und eindringlich den Leadpart übernehmen. Die Instrumentierung ist im Vergleich zur letzten Platte wieder etwas erdiger geworden (hin und wieder ein Saxophon, einmal auf "Undertow" als Intro geradezu überraschend "banal" und dabei im Geiste des Erfinders der Schnulze höchst wirksam, im Sinne von Wärmezufuhr nämlich; sogar die einstmals prägnante Maultrommel ist hin und wieder zu hören), die Rezitationen haben indessen Überhand genommen, so wenig "gesungen" hat er noch nie, der Cohen; mindestens ein Drittel der zwölf Stücke besteht aus soundunterlegtem Gedichtevortragen, wobei Cohen schon bessere Lyrik geschaffen hat in seiner beinahe 50jährigen Poetenkarriere; traumhaft klingt dabei allerdings das fast collagenhafte "Morning Glory", von Anfang bis Ende ein Gebet und wirklich wert, erhört zu werden; zu lang geraten hingegen ist die Vertonung des Frank Scott-Gedichts "Villanelle For Our Time", obwohl man das Stück auch eindringlich nennen könnte, wenn man das denn wollte. Es befinden sich auf diesem Album, bei allem Wohlwollen, ein paar wirklich überflüssige Stücke, die dem Gesamtwerk Cohens nichts hinzuzufügen haben, ihm wohl aber auch nicht wirklich etwas wegnehmen können. Trotzdem, absolut nicht vermissen würde man wohl das langweilige, uninspirierte "To A Teacher". Aber es kommt noch schlimmer: Schlechterdings der Tiefpunkt des musikalischen Schaffens Leonard Cohens (wesentlich übler noch als die Countrykloake "Fingerprints", mit Phil Spector anno 1977 verbrochen) ist der Titelsong "Dear Heather". Ein Akustikschrottklumpen allererster Güte. Cohen zerdeppert dabei mit verfremdeter Stimme, begleitet von einem unmöglichen Polkageschunkel, das nach nichts anderem als kaputter Heimorgel klingt, jegliche Stimmung und jedweden romantischen Gedanken, indem er die eine Zeile, aus der der Song besteht, immer wieder aufsagt, am Schluss sogar wortweise einzeln buchstabiert. Dieser "Song" sucht wahrlich seinesgleichen in der Popgeschichte und findet dabei allenfalls "Zabadak", "Burger Dance" oder ähnlichen Mist. Aber Leonard Cohen ist natürlich trotzdem himmelweit entfernt von DJ Ö***. Die Höhepunkte auf "Dear Heather" sind (neben dem bereits erwähnten wirklich schönen "Morning Glory"): "The Letters" (der wahrscheinlich beste Song der Platte), "There For You" (das Stück des Albums, das am meisten nach vorne treibt) und "The Faith" (ein letztes stimmungsanheizendes Halleluja, bevor der Klingelbeutel durch die Reihen geht). Die Zugabe, eine Liveversion des "Tennessee Waltz" aus dem Jahr 1985, führt fast dazu, dass man die alte Aufnahme dieses Songs von Pattie Page hervorkramen möchte, aber dann hört man doch lieber noch einmal die paar guten Songs, die Leonard Cohen auch im Jahr 2004 noch zu fabrizieren im Stande ist. Und die Kerzen brennen schließlich auch noch.
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