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Nichts weniger als die "wahre Geschichte der Popmusik" – so der Untertitel des Buches – will Martin Büsser in "On the Wild Side" erzählen. Und Büsser kennt sich aus: seit vielen Jahren arbeitet er als Musikjournalist, hat mit "If the Kids Are United. Von Punk zu Hardcore und zurück" die ewiggültige Hardcore-Bibel verfaßt und führt nebenbei noch den Mainzer Ventil-Verlag (wo auch testcard erscheint). Da bei Ventil im Frühjahr Mike Evans‘ "New York City Rock" erschienen ist, wäre es dumm gewesen, sich im eigenen Haus Konkurrenz zu machen, deshalb kommt wohl Büssers Buch bei eva heraus. Die beiden Bücher sind sich zum Teil nicht ganz unähnlich, aber das bleibt nicht aus, wenn man sich auf Musik jenseits des Mainstreams konzentriert. Martin Büsser spannt den Bogen aber wesentlich weiter als Evans, beschränkt sich nicht auf bestimmte Stile oder Territorien. Allwissend, aber niemals mit erhobenem Nerd-Zeigefinger zieht Büsser Verbindungslinien von den Last Poets zum HipHop von heute oder von Bob Dylan zu Adam Green. Büssers Intention, Pop vom Underground her zu definieren, läßt auch Nicht-Spezialisten verwundert staunen, wie selten hier sattsam bekannte Namen wie z.B. David Bowie oder Queen oder Phil Collins gedroppt werden, nämlich fast gar nicht. Apropos Namen: es nervt ein klein wenig, daß durchgängig alle Namen kursiv gesetzt sind – wenn 25mal John Lydon erwähnt wird, wird er 25mal kursiv geschrieben. Sieht nicht schön aus, aber das nur am Rande. Es mag eine Binsenweisheit sein, daß Popphänomene so gut wie immer ihren Ursprung in der Garage, im Keller, im Club haben und erst später vom Mainstream wahrgenommen werden, aber es ist wichtig, dies immer mal wieder freundlich unter die Nase gerieben zu bekommen. Das schafft Büsser in "On the Wild Side" lässig: er erklärt, weshalb Bombastrock-Dinosaurier wie Yes oder Emerson, Lake & Palmer zwangsläufig den Weg räumen mußten für neue Bewegungen wie Punk; überrascht aber auch mit seinem wohlwollenden Blick auf Fleetwood Mac. Er geht auf die wichtige und oft übersehene zeitliche Koinzidenz von Punk und Disco ein und zeigt, wie im New Wave beide Stile zueinander fanden – und sich keineswegs ausschlossen. Das Phänomen Krautrock wird ebenso abgehandelt wie Electro oder Grunge. Aber Büsser bleibt nicht in der Vergangenheit verhaftet, sondern geht im letzten Kapitel "Unterwegs in die Zukunft" auf die Krisen, aber auch Herausforderungen ein, der sich Pop und die Musikindustrie künftig stellen müssen. Sein Schlußsatz: "Pop ist wie das Leben selbst: überraschend, unvorhersehbar und eigenwillig. Manchmal will er die Welt vergessen und manchmal verändern. Es bleibt also weiterhin spannend." Das Buch ist ein ideales Weihnachtsgeschenk für all jene, die als Lieblingssängerin Vonda Shepard angeben und deren letzte selbstgekaufte CD eine Simply Red-Greatest Hits-Kompilation war. Im Anhang finden sich jede Menge subjektiv ausgesuchte Plattentipps zum Wiederentdecken und endlich mal reinhören! |
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