Zusammen mit Fatboy Slim sind die chemischen Brüder die einzigen, die die Fahne des Big Beat auch Jahre nach dessen Hochzeit noch hochhalten. Ist das Mut oder Verzweiflung? Welcher Knopf wird da gedrückt? Das Problem ist: manches Mal weiß man nur allzu genau, welcher Knopf als nächstes dran ist. Der Sound der beiden ist vorhersehbar wie nie. Und so manches Mal vermasseln sie sich selbst die Tour und bieten genau da keine Katharsis an, wo man sie am sehnlichsten erwarten würde (s. der Opener "Galvanize"). Da werden die Songs in die Länge, der Höhepunkt hinausgezogen – und am Ende die Erlösung verweigert, obwohl sie sich aufdrängt. Furcht vor der eigenen Courage?
"Left Right" zeigt die Brothers mal in arms – man wollte sich im Hause Rowlands und Simons auch einmal von der politischen Seite zeigen und nicht als Dance-Combo immer so lala zwischen den Stühlen sitzen. Dazu holte man sich die Unterstützung von Anwar Superstar, dem Bruder von Mos Def, und überhaupt haben die Chemical Brothers nach eigenen Angaben ihre Wurzeln ja eh im HipHop. Was allerdings das Ziel sein soll, für das man hier aufzustehen gefordert wird ("stand up, stand up"), bleibt im Dunkeln. Es hat aber gewiss etwas mit George W. Bush zu tun. Michael Moore, bitte übernehmen Sie.
"Believe" ist da schon von anderem Kaliber. So kann es gehen; wo nämlich der Beat über Minuten auf die Zwölf haut und sich kaum etwas bewegt außer den Körpern auf der Tanzfläche, da sind die Chemical Brothers in ihrem Element. Auch hier ein Gastsänger, Kele Okereke von der Band Bloc Party. Schon immer waren TCB gut beraten, sich Gastmusiker ins Haus zu holen; sie haben daraus gelernt. "Hold Tight London" präsentiert die Sängerin Anna-Lynne Williams, die Single "Galvanize" wird duch Q-Tip von A Tribe Called Quest erst schön. Und natürlich durch die geschickt angewandte Verfremdung ins Orientalische.
Mindestens ebenso oft aber greift "Push The Button" heftig daneben: "Shake Break Bounce" entführt uns zum Karneval ins als Tropical Island umgebaute Wanne-Eickel, "Come Inside" wiederum klingt wie die Musik zum Trailer einer schlechten 90er-Jahre-Fernsehshow, in der viele Autos explodieren und Männer ihre Frauen Baby nennen. Der Schluss- und Tiefpunkt allerdings ist "Surface To Air". Was bitte sollte das werden: Orbital für Arme? Klingt wie esoterische Tanzmusik für Leute, die der Schließung der letzten Osho-Diskothek nachtrauern. Jean-Michel Jarre hätte es nicht schlechter machen können.
Fazit: The Chemical Brothers sind mal wieder so lala zwischen den Stühlen. Und deswegen war Big Beat vielleicht noch nie so untot wie heute. In irgendeiner Ecke wartet er auf eine neue Chance, um uns zu Tode zu erschrecken. Für dieses Mal sind wir noch heil davongekommen.