Diese CD landete kürzlich mit Royal Mail-Stempel in meinen Briefkasten und ich fragte mich, wer mir wohl etwas aus GB schicken mag – Decider? Nie gehört. Aber schon nach wenigen Sekunden Reinhören war ich verliebt, ach was, im Sturm erobert. Ein Album voller Hits, in seiner Verve, Detailverliebtheit und Mut zum Plündern fremden Eigentums den Hitplatten von Franz Ferdinand oder den Libertines nicht unähnlich, aber ich schätze mal, die Damen und Herren von Decider sind ein gehöriges Stück älter als die Rotzlöffel der eben erwähnten Bands.
Infos über Decider gibt es wenig, im Sommer 2004 erschien eine EP namens "Unshakeable" auf Topplers Records, die sogar in einer der letzten John Peel-Radiosendungen gespielt wurde. Das Personal der schottischen Gruppe (die sich, um die Verwirrung komplett zu machen, mal Decider, Decider! oder auch The Deciders nennt) ist deckungsgleich mit der Band Reverborator, deren Platten in winzigen Auflagen erschienen sind, erhältlich nur in UK. Die neue Platte von Decider ist ab 14.2.2005 über www.x-mist.de auch in Deutschland erhältlich. Klingt kompliziert und der Mißerfolg scheint vorprogrammiert, aber ich wollte nicht zum Tagesgeschäft übergehen, ohne Euch diese Platte dringend ans Herz zu legen, deren Titel allein schon in seiner Essenzialität ergreifend ist: Men, Women & Alcohol – ich meine, das ist doch der Anfang, das Ende und das ganze Zwischendrin auf eine Formel gebracht, oder?
Decider buchstabieren POP in Großbuchstaben, plündern hier und bedienen sich dort, deutliche Anleihen werden bei The Fall gemacht, vor allem die knarzige Stimme des Sängers ist bemerkenswert wie die von Mark E. Glam, Elektro, Post-Punk, ein wenig Rockabilly und Shantieatmosphäre bilden den Humus, aus dem 11 prächtige Pop-Pilze (Perlen paßt wohl nicht zu Humus – der Gebrauch von Bildern, Allegorien, etcetera sollte gut überlegt sein!) sprießen. Der Kauf dieser Platte bietet sich vor allem dann an, wenn man sich vor unnötigen Ausgaben schützen möchte, "Men, Women & Alcohol" ist viele Platten in einer und ein Abriß der britischen Popgeschichte der letzten 25 Jahre noch dazu. Der Song "Happy in my Zoo" ist übermütiger, freundlicher Punkrock, mitreißend wie die Libertines und enthält die schöne Zeile "Some people yearn for unicorns but they belong in funny farms". "Galaxy Express" klingt wie The Fall in der Elektrodisco und der Danceknaller "Recycle it" könnte während einer gemeinsamen Session mit Radio 4 entstanden sein, inklusive unwiderstehlichem Perkussioneinsatz. Das Titelstück besticht durch furztrockenes Schlagzeugspiel und erhellende Erkenntnisse " … men, women & alcohol, more trouble than you can check". Auf "Witnesses" erinnern die Vocals und Melodiebögen an Joy Division, nur geht es bei Decider weniger depressiv zu, sondern hypnotisch, lebhaft und voller Spielfreude. "Someone to blame" basiert sehr dreist auf "The Ballad of John and Yoko", Ihr wißt schon, "they're gonna crucify me", und endet mit einem Fragment aus "Je t'aime". Und warum empfehle ich eine Platte, die offenbar klingt wie schonmal gehört und aus tausend Sachen zusammengepfriemelt? Erinnert Euch: auch Franz Ferdinand wurde Anfang letzten Jahres häufig vorgeworfen, lediglich gewitzte Diebe zu sein – und wie ging das Ganze aus? Seht Ihr …
Eine Tour ist bislang leider nicht geplant. Wenn ja, gibt's die Termine bei satt.org!