Ein erster Blick auf den Wälzer »Du und viele von deinen Freunden« lässt vermuten, dass Astrid Vits frischen Wind eingefangen hat. »« prangt als Untertitel auf dem Buch. Und tatsächlich beginnt es mit einem viel versprechenden Gespräch mit Thees Uhlmann, dem Frontmann der norddeutschen Band Tomte. Auf 20 Seiten (mit vielen Fotos) geht es um sein Überleben als Musiker und den Tod seines Hundes. Denn trotz verstärkter Präsenz auf den Bühnen und im Radio dürften viele Protagonisten vom monatlichen Schnitt gesehen weiterhin auf dem letzten Loch pfeifen.
Die Mittdreißiger von Angelika Express sinnieren nach dem unumgänglichen Dauerthema Finanzen übers Älterwerden, darüber, wie es vielleicht in 10, 15 Jahren sein wird, nachdem das Interesse der Allgemeinheit nachgelassen haben dürfte, sie aber immer noch ohne sonstige berufliche Aussichten dastehen. Rock oder stirb, heißt es zwischen den Zeilen, und so antworten viele Musiker auf die Frage, womit sie ihre wenige Freizeit verbringen, mit: Musik.
Musikalisch kommen die Bands und Solisten grob betrachtet aus derselben Ecke: alte Berliner, neue Rheinländer, die erweiterte Hamburger Schule eben. Was so seit den Neunzigern Musik macht und nun als Neuling wahrgenommen wird: Paula, Quarks, Klee … Einerseits sind solche Vorreiter wie Die Sterne vertreten, anderseits fällt das Fehlen der oft erwähnten Blumfeld und Tocotronic auf, die mit dem Aufhänger »deutsche Bands« wohl nichts anfangen konnten. Sind die Engländer eigentlich auch so piefig, wenn jemand einen Wälzer zu den Britpoppern zusammenstellt? Immerhin sehen viele deutsche Gitarrenbands in Oasis und Co. ihre Vorbilder. Einige kommen vom Punkrock, haben mit englischen Texten losgelegt, bevor sie sich auf ihre Muttersprache besannen.
Bei der Wahl der Interviewpartner wurden die Urgesteine um Lindenberg
ausgeschlossen, auch die Verkaufsbeschleuniger Rammstein, und leider
sogar die HipHop-Fraktion um die Beginner, die in den Neunzigern ebenfalls einiges an Überzeugungsarbeit leisteten und nun flächendeckend wahrgenommen werden. So fällt auch das bei Letzteren übliche sektiererische Niedermachen ähnlicher Künstler aus. Im Gegenteil, in nahezu jedem Beitrag finden sich gegenseitige Grüße. Alle finden sich nett, so dass dieses Wörtchen schon die Aussagekraft eines Four-Letter-Words wie »Fuck«, »Shit« oder »Work« annimmt. Grüße vom oder an den Verleger, von einem anderen Musiker, einem Freund … Küsschen, Küsschen, Szenehäschen Astrid. Schön, wenn jemandem wie Grönemeyer für »Mensch« einfach nur Respekt gezollt wird.
Im
Wir-sind-Helden-Abschnitt zitiert der Schlagzeuger Pola Roy den Kollegen Bela B: »Ich will gar nicht wissen, ob Leute nett sind, die ich als Musiker scheiße finde.«
Von einer verordneten Radioquote deutschsprachiger Texte halten die Befragten nichts. Helden-Sängerin Judith schlussfolgert: »Dann werden plötzlich alle Alexanders dieser Welt Deutsch singen.« Alex, Superstar … Ein Höhepunkt des Buches ist das Gespräch mit Jens Friebe, der sich ausführlicher zur Muttersprache in der Musik äußert, indem er über den Gebrauch des scheinbar altbackenen Wörtchens »doch« sinniert, das nicht nur auf Grund der Phonetik überall gut passt, wie so viele englische Wörter.
Das lobenswerte Unterfangen des Buches wäre noch gelungener, wenn einige 15-seitige Gesprächsprotokolle aufs Essenzielle gekürzt worden wären. Fazit: leichte Kost für wirklich Interessierte.