In der Grundschule musste man im Deutschunterricht gelegentlich antreten, um aus fünf vorgegebenen Worten eine zusammenhängende Geschichte zu stricken. Urlaub, Katze, Zollbeamter, Oma und Kugelhagel zum Beispiel. Reizwortgeschichte nannte mein Klassenlehrer das. Ich schlüpfe in die Rolle meines alten Lehrers und versuche mal, die Reizwörter so zu wählen, dass ich später möglichst viele spannende Geschichten zu korrigieren habe, zu denen ich Tell Me What’s New von GEM hören könnte.
Ohne Zweifel müsste ich verdammt schnell korrigieren, denn das Album legt von vorne bis hinten ein gutes Tempo vor, und die gefühlte Abspielzeit liegt noch deutlich unter den ca. 38 Minuten, die der CD-Player verrät. Bis zur Hälfte hat man das Gefühl, dass es wenig Sinn machen wird, sich einzelne Tracks merken zu wollen. Das hört sich kompakt an und passt nahtlos aneinander. GEM geben alles, heißt es in der Release-Info. Das stimmt sogar. Und bei Eyes Open Wide (Track 9) merkt man auch, warum das vor allem für Sänger Maurits Westerik das beste ist, was er machen kann. Außer vollem Einsatz ist da nicht so wirklich viel zu holen – aber der Einsatz stimmt absolut. Das gleiche gilt für das Schlagzeug, das klingt oft nach Arbeit, treibt die Band aber an. Gitarren und Bass ziehen ihre Sache größtenteils unspektakulär, aber überzeugend durch. Ein bisschen punkig, ein bisschen schreddlig, immer rockend. Es dauert nicht lange und man weiß, dass GEM auf die Bühne gehören. Ohne es selbst schon miterlebt zu haben, behaupte ich guten Gewissens, dass GEM als Liveband Vollgas gibt und damit ihren größten Trumpf ausspielt: Energie. Da gibt es wenig Schnörkel, keinen Schnickschnack, keine Effekthascherei. Nicht dass es eine glatte Platte wäre, Ecken und Kanten gibt es schon, aber auf die Frage Tell Me What’s New kann man sich ein Good Question dennoch nicht verkneifen, denn große Aha-Effekte bleiben aus und auch die Texte rücken eher in den Hintergrund. Aber das ist am Ende natürlich auch nicht die Frage.
GEM legen eine Platte vor, die vor allem Vorfreude auf eine Tour der fünf Oranjes aus Utrecht und das ein oder andere Festival macht. Und legt man sie auf Partys auf, dann wird es sicher kein Murren oder gelangweilte Blicke geben, sondern den ein oder anderen wilden Tanz oder zumindest schnell wippende Füße, wenn die Kippe und das volle Bier hektischere Bewegungen kurzzeitig verhindern sollten. Eine gutes Stück Vorfreude aus Rock.
Laune machen vor allem The Opposite (Track 1), Rise & Fall (Track 3), Can You Wait For It? (Track 10) und SOS (Track 11). Aber das ist eigentlich egal, denn so richtig daneben ist keine Nummer und deshalb kann man sie einfach von vorne bis hinten durchlaufen lassen und Spaß dabei haben.
Zum Schluss noch meine Reizwörter: Vorgruppe, Schweiß, Notaufnahme, Marco van Basten und Flaschenbier.