Eine fast unübersichtliche Menge an Platten und Zusammenstellungen, das Vorleben bei anderen Bands (Lolitas, Siegmund Freud Experience), zahlreiche Seitenprojekte und schließlich die Reduktion von Stereo Total auf das Paarprinzip Cactus/Göring vor der letzten Platte beim alten Label Bungalow. Eine lange Geschichte, eine weite Entwicklung. Was konnte man von dem Duo nach der überproduzierten "Musique Automatique" überhaupt noch erwarten? Das Feld des Trashpops schien abgegrast. Die Archive des Franzosenpops geplündert, die Anleihen an Beat, die Ausleihen von Elektro und NDW zu durchschaubar geworden. "Musique Automatique" schien eine Ende einzuläuten, ein okayes, aber nicht wirklich einleuchtendes.
Brezel Göring, Francoise Cactus und Wollita, Gagarin Label Nacht im HAU2, 18.2.2005 Foto: Eva Bruhns
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Die Klammer, die Stereo Total für "Do the Bambi" benutzen, ist die des Films. Die tatsächlichen Kooperationen mit Filmsets oder Vorführungen haben sich ausgezahlt. Das Eröffnungsstück "Babystrich" ist bei der Aufführung von "Christiane F." entstanden, dazu gibt es ein Stück zu dem übrigens sehr sehenswerten "Cinémania", einer Doku über Filmaddicts, also Dauerkinogängern aus New York (demnächst bestimmt im Dritten oder bei Arte zu sehen). Aber es ist nicht nur der inhaltliche Zusammenhang, der durch das Thema Film und Soundtrack gestiftet wird, der die Platte zu einer guten, sondern vielleicht sogar zur besten Stereo-Total-Platte macht. Die Platte ist sehr homogen, sehr stimmig, sehr reduziert produziert. Trash kann hier auf Wunsch durch Lo-Fi ersetzt werden. Die lustigen Orgelsounds und Synthietonfolgen lassen wohl nicht von ungefähr zu Vergleichen mit Felix Kubin hinreißen. Dazu gibt es Theremin-Soli und passend witzige Gastauftritte, u.a. von Jacno und Anke Engelke (letztere ist leider nicht wirklich rauszuhören).
Auch haben sich die beiden diesmal, trotz aller Kunstfertigkeit in puncto Coverversion (hier durch das fantastische "Chelsea Girls" und das überirdische Jacno-Duett "Mars Rendez-vous" dokumentiert), hauptsächlich auf die eigenen Stücke, auf die eigene Feder konzentriert. Herausgekommen sind scheinbar unscheinbare, dafür umso hübschere Stücke wie das Je-t'aime-Duett "Das erste Mal" oder der Liebeskummer-Gruselfilmsoundtrack "Helft mir", das punkige "Hunger!" oder das schneidige "Cannibale". Es ist, als ob sich Cactus und Göring kurz vor dem Niedergang in die endgültige Unnötigkeit all ihrer positiven Kräfte besonnen haben und sich von jeder Redundanz (die sonst so oft ihre Platten beherrschte) lossagen konnten. Befreit vom Selbstzitat, reduziert auf das Wesentliche, gesteigert ins Kosmische: "Musik ist unsere Freundin, nie möchten wir sie vermissen", wie Francoise in "Troglodyten" wieder weiß.