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März 2005
Christina Mohr
für satt.org


Patrick Wolf:
Wind in the Wires

Tomlab 2005

Patrick Wolf: Wind in the Wires
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Patrick Wolf:
Lycanthropy


Patrick Wolf: Lycanthropy
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» www.patrickwolf.com

Patrick Wolf:
Wind in the Wires

Oliver Twist zieht aufs Land … Patrick Wolf

 … zwar nicht ins Gebirg‘ wie Lenz, sondern von Piccadilly Circus nach Lands‘ End, dem westlichsten Küstenzipfel Englands hat sich Patrick Wolf auf die Reise gemacht. Auch optisch hat er sich verändert: auf dem Cover seines verstörendschönen Überraschungsdebüts Lycanthropy noch blond, mit einem Reifen in der Hand, wirkte Patrick wie eine zum Leben erweckte Figur aus einem Charles Dickens-Roman. Doch der Babywolf scheint nun erwachsen geworden, die Haare sind schwarz, die verspielten Details verschwunden.

Lycanthropy war die Spielkiste eines hochbegabten Kindes, ein Zauberkasten, aus dem irrwitzige Stilbrüche entstanden und Patrick war ein fiedelnder Rattenfänger, der unvermittelt eisige Breakbeats zwischen die Balladen pfefferte. Verspielter Folk und Discoelemente fügten sich in eins, dabei erzählte Patrick Wolf verstörende Horrorgeschichten über einen mißbrauchten Jungen (The Childkeeper), inszenierte im Titelsong werwölfisch-adoleszente Geschlechterverwirrung: "I was once a Boy till I cut my Penis off ( …) Then I was a Girl till I sewed my Hole up ( …)" und mixte Straßengeräusche vom Trafalgar Square mit Violine und Harmonium, Atari-Spielereien, Clicks’n’Cuts, alles passierte gleichzeitig auf Lycanthropy, der Platte, die nicht zuletzt den hinreißend hübschen Hit A Boy Like Me beinhaltet.

Wind in the Wires klingt gereifter, erwachsener, das kann man bedauern oder bewundern – je nach dem, was man an Patrick Wolf liebt: Den Nick Cave-haften Geschichtenerzähler oder den verschmitzt-charmanten Tüftler.

Die Stimme klingt tiefer, voller Weisheit (wobei man sich fragt, woher er die mit 21 nimmt), die Platte ist insgesamt "klassischer" im Songaufbau und in der Instrumentierung. Weniger verspielt und verschroben als das Debut, die Störelemente fehlen fast völlig. Geräusch und Gesang kommen sich in der Mitte entgegen, was Gefälligkeit und Harmonie schafft, Momente, die auf Lycanthropy wesentlich seltener waren. Patrick ist jetzt ein "richtiger" Musiker und Songwriter und hat nach bester Controlfreakmanier alle Instrumente selbst eingespielt und befindet sich damit in Gesellschaft anderer Boyleinwunder wie zum Beispiel Bright Eyes/Conor Oberst.

Der Eröffnungssong The Libertine offenbart Patricks Talent fürs Drama, die Geschichte von schiffbrüchigen Piraten, gelähmten Zirkusmädchen und Tramps könnte auch von Marc Almond stammen, wirkungsvoll untermalt von treibendem Beat und Troubadourstreichern. Und hätte Morrissey einen Sohn, er klänge wie Patrick Wolf im Song The Railway House. Der düster-zugige Ghost Song mit seinem schleppenden Rhythmus zelebriert die Leitmotive der Platte, Wind und Meer: "To gather the wind, the wires and the shore, to wander the hills like a day gone before".

This Weather ist ein atmosphärisch sich steigernder Hit mit atemlosem Gesang, hörbar beeinflußt von Patricks Urlaub an der Küste Englands. Tristan, ein energischer, wütender Ausbruch, "I am the tragedy and the heroine. I am lost and I am rescuing ( …) Stuck on a line of misadventure I fear no crime", der ein wenig aus dem Rahmen von Wind in the Wires fällt, deswegen aber gleichzeitig ein Höhepunkt der Platte ist.

Das letzte Stück, Lands End ist ein fröhlicher Ausklang nach getaner Arbeit, "The work is done and the record pressed ( …) I’m leaving London for Lands End with a green tent and a violin. I’m going to strike the hammers and pull the bow, just another day to forget this show and come back to me."

Immer noch sehr schön, aber hier heult kein streunender Wolf mehr. Patrick hat sich selbst domestiziert.