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April 2005
Christina Mohr
für satt.org


Spruce:
Once Upon A Time

Schinderwies/ Broken Silence 2005

Cover
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Im Interview:
SPRUCE



Pressefoto
(Foto: spruced.de)

Zur Zeit sind ja jede Menge junge Musiker, bevorzugt solo, unterwegs, die wie Gegenentwürfe zu den ebenfalls wie Pilzen aus dem Boden sprießenden Rockbands à la Mando Diao, Bloc Party, Maximo Park und vielen anderen wirken: Rufus Wainwright, Patrick Wolf, Adam Green, Maximilian Hecker – um nur einige zu nennen. Musikalisch zwar sehr heterogen, aber doch vergleichbar in ihrer Neukonzeption von Männlichkeit im Pop.

Kürzlich fiel mir bei der Einjahres-Jubiläumsparty des Hafen zwei in Offenbach Spruce (aka Christian Schnall) auf, ein junger Musiker aus Regensburg, der zwar eine schüchterne, aber musikalisch betörend schöne Performance bot. Allein, nur mit Gitarre und Laptop zauberte er melancholische Perlen, von The Cure oder My Bloody Valentine beeinflußt, aber eigenständig genug, um als Spruce-Sound bestehen zu können. Wunderbar auf die Songs abgestimmte Visuals rundeten das Gesamtbild ab. Ich dachte, vielleicht kann er mir ja verraten, woher die Liebe zur Melancholie und Einsamkeit kommt:


Du hast ja in einer Metalband angefangen, Musik zu machen - woher kam die Entscheidung, solo weiter zu machen und den Stil zu ändern?
Nun, als ich in der Metalband angefangen hatte, war ich immerhin erst ca. 16 Jahre alt, das ist jetzt schon fast 10 Jahre her. Da gab es zwar schon viele tolle Indiebands, nur kannte ich die damals noch gar nicht. Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen. wenn man da in die entsprechende Clique hineingerät, hört man halt auch den entsprechenden Sound. In meinem Fall war das nun mal Deathmetal. Und da ich auch schon damals unbedingt Musik machen wollte, wurde natürlich eine Metalband gegründet. Doch mit der Zeit lernte ich dann doch auch andere Musik kennen und merkte, dass "indie"-musik doch eher dem entsprach, womit ich mich identifizieren konnte. Also Schluss mit Pentagrammen und umgedrehten Kreuzen. Lieber doch die Adidas-Trainingsjacke vom Flohmarkt!

Warum hast Du Dich für ein Soloprojekt entschieden? Hast Du lieber alles selbst unter Kontrolle oder fehlten Dir passende Mitstreiter?
Solo, ja …Kontrolle ist wichtig. Die brauch ich für die Verwirklichung von Spruce. Durch die technischen Möglichkeiten von heute ist es halt auch verdammt einfach, alles alleine zu produzieren. Auf der Bühne wäre es natürlich auch toll, richtige Musiker zu haben, aber die müssten erst mal gefunden werden, wobei das gar nicht das Hauptproblem wäre. Vor allem fehlt es mir an der Zeit. Mit richtigen Menschen zu proben ist einfach wahnsinnig zeitaufwändig. Und da ich ja auch noch ein anderes Leben jenseits der Musik habe, geht das nicht so gut. Ich studiere übrigens Elektrotechnik. Und ein bisschen arbeiten muss ich nebenher auch noch, denn mit meiner Musik richtig Geld zu verdienen ….das bleibt halt doch nur ein Traum …dazu mache ich wohl die verkehrte Musik.

Wie ist das für Dich, allein auf der Bühne zu stehen? In einer Band kann man ja sich zur Not mal kurz hinter dem Bassisten verstecken. Alleine zu spielen ist sehr unmittelbar und nackt.
Nun, ich bin wohl irgendwie ein Egomane. Ich will schon irgendwie zeigen, dass ich das alles alleine gemacht habe. Wenn da sonst keiner auf der Bühne steht, liegt das ja ziemlich nahe. Natürlich ist es auch manchmal ganz schön hart, so ganz alleine. Aber man gewöhnt sich daran. Seit kurzem wage ich manchmal sogar während der Songs Blicke ins Publikum. Das hatte ich mich anfangs überhaupt nicht getraut …

Wie wichtig ist Dir der Kontakt zum Publikum? Möchtest Du Dich nach einem Auftritt mit Fans unterhalten oder ziehst Du Dich lieber zurück?
Also während des Auftritts will ich allein sein. Große Reden auf der Bühne mag ich ja nicht so. Bin also eher nicht sehr kommunikativ mit dem Publikum. Doch danach ist es natürlich ganz anders. Da misch ich mich liebend gerne unters Volk, ich finde schon toll, wenn ich von fremden Menschen Lob bekomme …is wohl ganz natürlich. Denn backstage gibt es weder Drogenexzesse noch irgendwelche Groupies. Ich bin froh, wenn es genügend Bier im Kühlschrank gibt.

Beim Konzert im Hafen zwei in Offenbach hast Du Dich ein paarmal über schwätzende Fans beschwert - aus Konzentrationsgründen oder warst Du beleidigt?
Klar ist es schade, wenn man auf der Bühne merkt, dass Leute da sind, denen die Musik völlig egal ist. Im Hafen2 hats mich besonders gestört, weil die Leute, die sich unterhielten, einfach in den Barraum hätten gehen können. Na ja, ist normalerweise nicht meine Art, mich zu beschweren, aber diesmal hab ich mich halt getraut!

Was glaubst Du, warum sind seit einiger Zeit so viele junge Musiker allein unterwegs und bevorzugen den eher melancholischen Ausdruck - also wie Du, Maxi Hecker, Roman Fischer, Bright Eyes, Patrick Wolf, Rufus Wainwright, Adam Green (wobei der ja weniger melancholisch zu sein scheint)?
Ähm, keine Ahnung, ich denke, es hat schon immer Solokünstler gegeben, die eher den gefühlvollen Weg eingeschlagen haben.

Siehst Du Dich und die oben genannten als Gegenpol zum Rock- und Wave-Revival (Libertines, Strokes, Franz Ferdinand, etc.)? Oder sind dir musikalische Moden egal?
Ich mach einfach das, was ich wohl am besten kann. Ja, Trends sind mir völlig schnuppe!

Ist es lästig, mit anderen verglichen zu werden (siehe oben), oder ist es für Dich legitim, "eingeordnet" zu werden?
Nun, Vergleiche mit bekannten Größen sind ja teilweise ganz ok, aber wenn, dann bitte mit den richtigen! Z.B. mit Roman Fischer hab ich ja eigentlich nix gemeinsam …der sieht besser aus und is auch noch viel jünger als ich …und ausserdem viel erfolgreicher!!

Deine musikalischen Vorbilder: es fallen häufig Namen wie Notwist, My Bloody Valentine, The Cure. Kannst Du Dich damit identifizieren? Wer ist für Dich wichtig?
Das sind vielleicht jetzt nicht unbedingt Vorbilder, eher Einflüsse …neben vielen anderen.

Deine Platte heißt "Once Upon a Time" - beinhaltet der Titel schon eine Richtung, also dass Du Deine Musik im Märchenhaften ansiedelst, die Hörer Phantasiereisen machen läßt?
Gute Frage, im Geschichtenerzählen bin ich ja eigentlich nicht so gut, daher ziehe ich es vor, Melodien sprechen zu lassen. Jeder, der meine Musik hört, soll sich davon einfach treiben lassen und seine eigene Märchenwelt entdecken.

Wie sehen Deine Pläne aus?
Da man als Musiker ohnehin immer am Hungertuch nagt, versuch ich mal, mein Studium fertig zu machen. Aber ohne Musik läuft natürlich gar nix. Ich arbeite an der nächsten Platte, eine Tour im Herbst ist in Planung und ausserdem will ich einen Kurzfilm drehen. Zudem hab ich noch ein Akustikprojekt namens "starterkid", welches auch auf der letzten tour vertreten war (leider nicht im hafen2)!

Vielen Dank an Spruce!