Nach dem Aus für Charlotte Roches FastForward auf Viva ist Independentfans nur ein TV-Termin geblieben: Montagabend, 23.00, MTV. Dann moderiert Markus Kavka Spin, und nur noch hier kann der geneigte Fan neue Videos von Kettcar, den Dresden Dolls, HotHotHeat und überhaupt allem sehen, was im gleichgeschalteten Mainstreamprogramm keine Chance hat.
Multioptionalist Kavka, ehemaliger Musikjournalist und Moderator von Metalla und Wah² gibt sich aber nicht mit einer Fernsehkarriere zufrieden, sondern ist auch als DJ unterwegs und lebt so seine Vorliebe für Elektronika aller Art aus. Daneben leiht er Hörbüchern aus der Reihe "Kultbücher" seine Stimme, moderiert bei MTV auch die News undundund. Dazu kommt, dass Herr Kavka in einem Alter ist, in dem MusikTV-Presenter eher aussortiert werden, als dass sie neue Aufgaben übernehmen. Klingt alles sehr interessant – Zeit also für das berüchtigte satt.org-Interview!
Für viele bist Du - nach dem Verschwinden von Charlotte Roche / Fast Forward - der letzte Überlebende der Indie-Fraktion im Musikfernsehen. Hat sich für Dich in den letzten Monaten viel verändert? Wie siehst Du Deine Rolle selbst?
Für mich persönlich hat sich in den letzten Monaten nicht allzu viel verändert. Wenn überhaupt, dann eher zum Positiven. Die News sind jetzt dreimal so lang, Spin kommt schon um 23 und nicht mehr um 0.30 Uhr, von daher hab ich keinen Grund zum Meckern. Ich sehe mich selbst auch nicht so wirklich als 'last man standing'. In dem Geschäft herrscht ohnehin ein permanentes Kommen und Gehen. Einzige Konstante: das Bedürfnis nach "guter" Musik. Und ob ich oder jemand anderer die im Fernsehen ansagt, ist eigentlich egal.
Die vielzitierte Krise der Musikbranche - wie wird es Deiner Einschätzung nach weitergehen? Wer wird von den technischen Veränderungen profitieren, wer wird untergehen?
Sicherlich haben die Plattenfirmen nach den fetten 90er Jahren etwas selbstzufrieden verpennt, rechtzeitig in die Zukunft zu gucken. Die nächsten Jahre werden mit Sicherheit sehr spannend. Da wird sich rausstellen, wie Musik nun an den Mann/die Frau gebracht wird, welchen Stellenwert Digitales Fernsehen hat und wie wichtig das Internet im Hinblick auf Musik ist. Da könnte ich jetzt noch keine Prognose abgeben.
Wollen sich Firmen (Sport, Klamotten, Szenedrinks) mit Dir schmücken, sich also credibility mit Dir erkaufen? Wie wichtig ist Dir selbst Glaubwürdigkeit? Lehnst Du Angebote oder Interviews mit Leuten, die Du nicht unterstützen kannst, ab?
Anfragen gibt's diesbezüglich immer wieder. Wenn ich aber nicht 100%ig hinter der Sache stehen kann, lehne ich diese Angebote ab. Ich würde für nichts mein Gesicht hinhalten, das ich mir nicht auch selbst kaufen würde. Glaubwürdigkeit ist mir also extrem wichtig. Sobald man mal anfängt, seinen Arsch zu verkaufen, ist man auch ganz schnell weg vom Fenster.
Wie eitel bist Du? Gefällt es Dir, Dich im TV zu sehen oder wäre Dir ein Schreibtisch- und Telefonjob genauso recht?
Da ich meine Sendungen auch selbst produziere, habe ich dieser Sache gegenüber längst ein sehr emotionsloses, pragmatisches Verhältnis entwickelt. Mir obliegt die Endabnahme der Show, von daher sehe ich mich sowieso jeden Tag. Abgesehen davon könnte ich gut darauf verzichten, auf der Straße erkannt zu werden. Es gibt viele Tage, an denen ich mich nach der 'gesichtslosen' Zeit bei Magazinen und im Radio zurücksehne.
Wenn man MTV vor zwanzig Jahren betrachtet, fällt auf, dass der Moderator, der Redakteur immer mehr verschwindet (Ray Cokes, Steve Blame, etc.) - trotzdem sind es ja die Leute, an die man sich erinnert. Ob es nun Stefanie Tücking von Formel eins, Charlotte Roche von Viva oder Ilja Richter ist - Musikshows sind immer mit dem Moderator eng verknüpft. Warum trauen sich die Sender das nicht mehr?
Solche Leute wachsen leider nicht an Bäumen. Wenn's mehr von dem Kaliber geben würde, würde man auch mehr von ihnen auf dem Bildschirm sehen. Gerade im "großen", kommerziellen Fernsehen geht der Trend ja unübersehbar weg von echten Charakteren hin zu eher stromlinienförmigen Typen. Mehr scheint der gemeine Zuschauer nicht zu verkraften.
Wie wichtig ist das eigene Fan-sein für Deinen Job? Und wie hältst Du Deine Begeisterungsfähigkeit?
Bin halt schon immer ein Nerd gewesen. Es ist für mich immer noch eine Herausforderung, Sachen vor allen anderen zu entdecken. Zudem habe ich in den letzten 10 Jahren Techno, House und andere elektronische Musik ins Herz geschlossen und lege das ja auch in Clubs auf. Gerade da gibt es noch so viel zu entdecken. Was bedeutet, dass ich mindestens zwei Tage in der Woche im Plattenladen rumhänge.
Hast Du eine Nähkästchenstory auf Lager? Schrecklichstes und/oder schönstes Interviewerlebnis?
Schrecklichstes: Mariah Carey. Irgendwie kann sie einem schon fast leid tun.
Schönstes: Kylie Minogue. Dabei hätte ich mich fast verliebt. (Stimmt. Das war unübersehbar :-)
Wenn Du kein VJ wärst - was dann? Ein Leben ohne Musik und Fußball - wie wäre das?
Schwer vorstellbar. Aber dann wäre ich wohl Fischer mit einem Haus am Meer, einem Boot und ner Familie.
Ich habe gerade "Plattenspieler" von Thomas Meinecke, Klaus Walter und Frank Witzel gelesen - drei Fünfzigjährige, die sich fragen, ob und wann sie denn erwachsen werden. Wie altert man würdevoll mit und in der Popkultur?
So lange man die Fähigkeit zur Selbstironie hat, kann erst mal ja gar nicht so viel schiefgehen. Aber was Musik angeht, so möchte ich mir da die unerwachsene Begeisterungsfähigkeit und das Fansein durchaus bewahren.