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Mai 2005
Christina Mohr
für satt.org


testcard # 14:
Discover America

Ventil Verlag 2005

testcard # 14: Discover America

304 S., 14,50 €
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testcard # 14:
Discover America

Eine neue Ausgabe der testcard-Reihe könnte natürlich auch in den Rubriken Gesellschaft oder Literatur vorgestellt werden, aber die Herausgeber gewähren dem Thema (Pop-)Musik immerhin 14 Artikel in testcard # 14, dass "file under music" legitim scheint. Das Editorial und der einleitende Artikel Alle gegen einen. Ursachen und Folgen des Antiamerikanismus machen klar, worum es in dieser Ausgabe geht: Zur Zeit ist es schick, "gegen Amerika" zu sein, mit dieser wie auch immer erlangten Haltung befindet man sich definitiv auf der sicheren Seite – ganz egal, ob vom rechten oder linken Lager aus betrachtet. Aber dass Anti-Bushism aber nicht gleich Anti-Americanism ist und auch nicht sein kann, gerät vielen aus dem Blick und hat im Falle der immer noch andauernden unseligen Deutschpop-Radioquotendiskussion absurde und unheilvolle Züge angenommen. An dieser Stelle sei auf die Website www.alle-in-eigener-sache.de hingewiesen, wo abgehalfterte Deutschrocker wie Ina Deter und Wolf Maahn, aber auch neudeutsche Prominenz wie 2raumwohnung, Sportfreunde Stiller oder Mieze sich nicht zu doof sind, eine tümelnde Quote einzufordern, offensichtlich ausblendend, dass alle Beteiligten ohne den "undeutschen" Rock'n'Roll noch weniger wären als sie heute sind.

Anti-Amerikanismus ist en vogue, wird aber der US-amerikanischen Popmusik und Populärkultur im Allgemeinen in keinster Weise gerecht. Die testcard-AutorInnen wie Herausgeber Martin Büsser, Ina Beyer, Thomas Venker und viele andere nähern sich amerikanischem Pop auf unterschiedlichste Weise: Büsser stellt junge Bands vor, die nach dem Kollektivmodell arbeiten, Black Dice, Animal Collective und das Label Load Records werden so zum wahrscheinlich ersten Mal ausführlich in der deutschen Presse vorgestellt. Ina Beyer stellt unter der Überschrift smells like queer spirit amerikanische Bands wie The Butchies oder auch die längst nicht mehr existierenden Team Dresch vor, beleuchtet aber auch die queere Zine-Szene mit Heften wie Fist in Your Face, das in jeder Folge Opfer von homo- bzw. queerophoben Gewaltopfern abbildet.

HipHop und Rap werden von Silke Hackenesch und Simon Strick abgehandelt, die neue Sichtweisen auf eine (Pop-)Kultur liefern, die in den letzten Jahren eine sehr eingeschränkte, auf Gangsta- und Pimptum reduzierte Rezeption erfährt.

Was ein Drone ist und dass La Monte Young, 1935 geborener Komponist der erste Minimal-Musiker war, erklärt der Artikel Das Brummen eines Kontinents von Robert Engelbrecht; mit einem Bericht über Kinky Friedman wird ein ungewöhnlicher, weil countrykritischer Countrymusiker vorgestellt. Kinky Friedman ist hierzulande hauptsächlich durch seine bei verschiedenen Verlagen erschienenen Romane bekannt, seine Tonträger bedürfen noch der Entdeckung. Insgesamt eine differenzierte Umschau, die inklusive der Artikel über Film und Literatur neue und spannende Details aus dem Geburtsland des Pop bietet. Und zeigt, dass es keinen Grund für Anti-Amerikanismus gibt. Für Anti-Bushism schon.

Wie immer schließen umfangreiche Platten- und Buchrezensionen das testcard-Heft ab - die Fertigstellung von Discover America wurde durch den Tod der Musikjournalistin und langjährigen testcard-Mitherausgeberin Tine Plesch überschattet.