Skurrile Progressivschlager
Mit dem im Musikunterricht entstandenen, 1981 veröffentlichten Lied "Fred vom Jupiter" schuf der 1964 geborene Andreas Dorau einen der ersten Singlehits der sogenannten Neuen Deutschen Welle. Auch mit seinen nächsten Veröffentlichungen, darunter so betörende Ohrwürmer wie "Diebstahl oder Mädchen" oder "Kleines Stubenmädchen", erweiterte Dorau das Spektrum des deutschsprachigen Progressivschlagers, das vom "genial-dilletantischen" Ausdrucksschmerz der "Einstürzenden Neubauten" hin zur kunstvollen Schlichtheit der Gruppe "Der Plan" reicht, die beispielsweise ein Auto, das Aufstehen oder einen Fußballverein besang. Eine Wende in Doraus Schaffen ergab sich 1989, als er begann, mit dem Musiker und Produzenten Tommi Eckart zusammenzuarbeiten, der heute gemeinsam mit Inga Humpe das Erfolgsduo "2Raumwohnung" bildet. Dorau wandte sich nun verstärkt der elektronischen Housemusic zu und die drei bis 1997 entstandenen Alben kombinierten perfekt arrangierten Dancepop mit eingängigen Melodien, skurrilen Texten, schwärmerischen Frauenchören und Doraus unverkennbarem Sprechgesang. In dieser Woche, nach acht Jahren und zahlreichen Maxi-Veröffentlichungen, erschien nun sein siebtes Studioalbum "Ich bin der eine von uns beiden" auf dem seit 2002 zum EMI-Konzern gehörenden Mute-Label.
Tourdaten:
- 25.6. Berlin, Inches Open Air
- 7.7. Frankfurt, Uni Open Air
- 16.7. Dessau, Melt!
- 12.8. Saalburg, Sonne, Mond und Sterne
- 19.8. Burg Landskron, Bittersweet Live Open
- 29.9. Berlin, Postbahnhof
- 30.9. Dresden, Starclub
- 5.10. Darmstadt, Centralstation
- 6.10. Stuttgart, Schocken
- 7.10. Karlsruhe, Schlachthof
- 8.10. Jena, Kassablanca
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Trotz der vielen dazwischen liegenden Jahre und dem Produzentenwechsel ist sich Andreas Dorau auf dem Album treu geblieben – das wird viele alte Fans freuen, aber wahrscheinlich kaum ein Kaufargument für jüngere, an aktueller elektronischer Tanzmusik interessierte Hörer sein. Auf der Höhe der Zeit dagegen präsentiert sich Andreas Dorau im Remix-Gewand von T.Raumschmiere und den Gebrüdern Teichmann auf der vorab veröffentlichten Maxisingle-Auskopplung "Kein Liebeslied". Von Doraus markanter Stimme und den von ihm vorgetragenen Versen und Slogans voller verquerem Sprachwitz haben sich schon vor einem Jahrzehnt Dutzende bekannter Techno-Größen inspirieren lassen.
"Aus dem Hinterhaus/kommen die Mieter vorne raus/ aus dem Vorderhaus/kommt keiner vorne raus/weil das Schloß defekt ist" – derartige Zeilen des neuen Albums stehen in der Tradition von alten, unverstellten Dorau-Versen mit hohem Gebrauchswert: "Es wird kalt/ich dreh die Heizung an/Es wird warm/ich dreh sie ab". Der "Hinterhaus"-Text stammt vom Autor, Künstler und ehemaligen "Tödliche Doris"-Mitglied Wolfgang Müller, von dem auf "Ich bin der eine von uns beiden" auch wieder ein lehrreiches Naturgedicht vertont wurde. Leider reicht "Die Klette" nicht ganz an den Zauber früherer Lieder, wie etwa das über die Tiere im Regen, die Trottellume oder die Blaumeise Yvonne heran. Dafür bildet ein Müller-Text die Grundlage für den Tanzflächenfeger des Albums "40 Frauen": "Ein Flämmlein so zart es flimmert im Dunst/Der Nebel er zischt er wartet auf dich/Ein süßlicher Nebel durchflutet die Trift/Die Frauen erreichen den Damenstift".
"Ich bin der eine von uns beiden" ist ein Album in bewährter Dorau-Qualität, das zwölf, mitunter sehr schöne Lieder bietet – im Vergleich zu seinem zukunftsweisenden Album "neu!" von 1994 aber musikalisch kaum neues bietet. Dafür gibt es jedoch zwei gute Gründe, sich heutzutage ein Dorau-Konzert anzuschauen: Erstens seine Band mit dem charismatischen Schlagzeuger Matthias Strzoda und natürlich Andreas Dorau selbst, der ein großartiger Live-Performer ist, begeisternd, ausdauernd und weiterhin einmalig.