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Juni 2005
Matthias Michel
für satt.org


Charlotte Hatherley:
Grey Will Fade

P.I.a.S. (Rough Trade) 2005

Charlotte Hatherley: Grey Will Fade
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Charlotte Hatherley:
Grey Will Fade

Falls meine Erinnerung mich nicht völlig trügt, findet der Showdown zwischen Roger Moore und Christopher Lee in "Der Mann mit dem goldenen Colt" zumindest teilweise in einer Art Spiegelkabinett statt, und Bond braucht etwas Zeit, sich inmitten der Verschachtelungen zu orientieren.



Charlotte Hatherley
Charlotte Hatherley
(Foto: charlottehatherley.com)


Vielleicht eine völlig abwegige Assoziation , aber genau daran erinnert mich der Auftakt zu Charlotte Hatherleys Debütalbum (d. h. Soloalbum der Ash-Gitarristin). Was in den ersten Zeilen – aber auch nur da! – textlich und musikalisch noch relativ konventionell-klar anhebt, nämlich "He looks so good/ my honey to me/ everything I want/ everything I need", also ein klassischer Boy-Girl-Song ,wird dann relativ schnell im Verlauf von "Kim Wilde" (was ein Songtitel! und im Text wird auch noch "Kids in America" zitiert, der Über-Wilde-Song) ein Wall of Charlottes – die nämlich auch sämtliche Backing Vocals singt, inklusive "U-Ba-Ba-Ba-U". Und mittendrin dudelt ein Keyboard, das sich irgendwo und irgendwie zwischen Bontempi-Orgel und James Taylor (den vom James Taylor Quartet, ehemals Prisoners, meine ich natürlich) bewegt. Es überlappen sich die einzelnen Teile, aber aus der Summe dieser heterogenen Elemente entsteht keine neue Homogenität, wie etwa bei den Black Eyed Peas, denn Charlotte arbeitet stärker collagenhaft (mit einem Wort aus der Kunstgeschichte: kubistisch). Vielleicht hat dieses mehr oder weniger stark Gebrochene aber auch einfach mit der irischen Herkunft zu tun – Ash sind ja in Nordirland beheimatet –, und ich sage nur "Boy" von U2 (ja, ausgerechnet die! noch einmal "I Will Follow" hören!).

Ein ähnlich verschachtelter Aufbau bei "Paragon", dem nicht nur heimlichen Hit der Platte, der glatt als Ash-Single durchgehen könnte, aber dann am Ende in seiner Vertracktheit dann doch eher in Richtung Sonic Youth abschwirrt und damit ein vielleicht gar nicht uninteressantes Gedankenspiel zuläßt, nämlich Charlotte innerhalb des Kollektivs Ash nicht nur als bezaubernde Gitarristin wahrzunehmen – was (nämlich dieses "nur") sich im Fall Kim Gordons wohl niemand traute. Das ganze Album hätte in einer besseren Welt Hitparadenspitzenpositionenchancen, und es ist müßig, einzelne Songs hervorzuheben.

Aber auszusetzen habe ich an "Grey Will Fade" doch etwas, nämlich das, was mich auch bei Ash (und noch einmal kommt der Vergleich) immer störte/stört – auch an "Free All Angels", die ich durchaus unter meine Lieblinge der letzten Jahre rechne –, nämlich eine gewisse Kleinteiligkeit der Alben, die Isolation des einzelnen Songs. Mit anderen Worten: Die Platte besteht zwar aus lauter Hits, für die mancher Songwriter mehr als nur seinen rechten Arm gäbe, doch bleiben es Singles, es fehlt mir oft etwas verbindendes, ein roter Faden oder was auch immer. Vielleicht liegt es einfach an dem Fingerübungen-Charakter der Platte, an der Notwendigkeit, aus dem Windschatten des Chefschreibers der Hauptband herauszutreten.

Abgesehen von diesem ziemlich marginalen Einwand hat Charlotte Hatherley eine prima Platte gemacht. Wir dürfen wirklich gespannt sein, wie's weitergeht –Songwriterqualitäten hat sie auf jeden Fall, und was für welche!

Hinweis für potentielle Käufer: Die Version, die ich gerade in Händen halte, kommt im schönen Papp-Digi-Pack in Sepia mit, laut Aufschrift, zwei Bonustracks. Der Bonus wird nicht näher erklärt, keine Ahnung, ob es sich um die Erstauflage oder ähnliches handelt. Aber beim Kauf beachten – es sind einfach zwei Jenseits-der-Charts-Hits mehr enthalten.