Trikont beweist mit dieser CD mal wieder ein unfehlbares Händchen für das Kompilieren geschmackvoller, thematisch ungewöhnlicher Alben aus seltenen Perlen. Cheatin‘ Soul wurde zusammengestellt von Jonathan Fischer, Musikjournalist und Black Music-Experte.
Wer die heutigen Négligé- und Champagnerpartyvideos für Soul oder Rhythm’n’Blues hält, wird durch die 23 hier versammelten Stücke eines Besseren belehrt: Reue und Rache sind die Themen, Verlassen und Verlassenwerden, Betrügen und Betrogenwerden, Leid, Lust und Liebe sind untrennbar verwoben. Sex und Spiritualität, Gott und Geilheit verbinden sich zu einer metaphysischen Ebene der Liebe und des Lebens an sich. O.V. Wright, der wie so viele Soulsänger seine Gesangskarriere im Gospelchor begann, verleiht den Songs "A Nickel and a Nail" und "I Don't Know Why" eine schmerzhafte, bedrückende Leidenschaft, so dass man sehr schnell begreift, dass es hier um nichts weniger als um Leben und Tod gehen kann. Ann Sexton, eine der wenigen weiblichen Soulstars der Siebziger Jahre, ist mit "I'm his Wife (You're Just a Friend" vertreten, der Story einer Ehefrau, die ihrer Nebenbuhlerin unschmeichelhaft klarmacht, zu wem der Vergnügen suchende Gatte "danach" zurückkehren wird: zu ihr, seiner Frau, der Geliebten bleibt nur die gestohlene Zeit im Motel. Die Gegenseite wird im Song "If She's Your Wife Who Am I?" von Doris Duke eindrucksvoll dargestellt. Es gibt eben keine schwarz-weißen Lösungen im Leben, und die Cheatende leidet am Schluß genauso wie die hintergangene "rechtmäßige" Ehefrau. Bobby Blue Bland klagt "I Wouldn't Treat a Dog" und man kann sich ausmalen, wie grausam er von der begehrten Lady behandelt wird.
"Wer sich in keinem dieser Songs wiederfindet, der muss das Leben einer Nonne, eines Perversen, eines Degenerierten oder Toten leben", sagt Jerry Williams, Produzent und Songwriter einiger der dramatischsten Dreiecksgeschichten des Soul. Das stimmt, vor allem das Fehlen jeglichen Gefühls dürfte man unterstellen. Vielen Songs merkt man die Gospelvergangenheit ihrer Interpreten an; weniger zum Tanzen als zum Grübeln und verzweifelt-aus-dem-Fenster-starren ist dieses Album geeignet. Und wer diese Platte geschenkt bekommt, sollte mal nachdenken, wie er oder sie den Liebste/n in letzter Zeit behandelt hat.
An dieser Stelle sei auf die anderen von Jonathan Fischer für Trikont zusammengestellten Sampler hingewiesen, Black & Proud zum Beispiel, oder Hits and Misses, eine CD mit lauter Songs über Muhammed Ali (oder von ihm gesungenen) oder Gospel Hummingbirds, diese Platte zeigt, dass es außer "Swing Low, Sweet Chariot" auch noch ein paar andere funky Churchsongs der Brüder und Schwestern aus dem Süden der USA gibt.