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Juli 2005
Christina Mohr
für satt.org


Sleater-Kinney:
The Woods

SubPop 2005

Sleater-Kinney: The Woods
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Sleater-Kinney:
The Woods

Sleater-Kinney sind mutig. In Zeiten des von jugendlichen Dandys definierten Quer-durch-den-Garten-Waverocks wirft The Woods alle an Carrie Brownstein, Corin Tucker und Janet L. Weiss gestellten Erwartungen gewaltig über den Haufen. Schon das erste Stück The Fox donnert einem 10-Tonner gleich über die ahnungslosen Hörer hinweg und macht klar, daß die Zeit der kurzen, knackigen Punksongs früherer Platten wie Call the Doctor und Dig Me Out vorbei ist. Sleater-Kinney sind furchtlos. Sie haben keine Angst vor Gitarrensoli und schicken mit The Woods ein Heavy-Bluesrockmonster in die Welt, das zunächst schwer zugänglich, schwer zu lieben scheint. Jede Menge ausfasernde, in alle Richtungen losbrechende Led Zeppelin-hafte Brocken wie das 11 Minuten lange Let's Call it Love, dessen dekonstruktuvistischer Gitarrenpart jegliche Songstruktur zerbröselt, verlangen ungeteilte Aufmerksamkeit. Macht auf alle Fälle kaputt, was kaputt macht. Polternd, voller Kraft und Wut schreien, kreischen, rocken, jammen Sleater-Kinney durch The Woods, schlagen Schneisen, fällen Mammutbäume mit schwerem Gerät; eine märchenhafte Lichtung, auf der Rehe grasen, ist nicht in Sicht. Das an Twin Peaks erinnernde Cover (Bäume, Bühne, roter Vorhang, Schatten ohne sichtbare Lichtquelle) ist geschickt gewählt und perfide zugleich, rechnet man doch mit ruhigen Tönen, die hinter den samtigen Vorhängen hervorperlen. Produzent Dave Fridmann (Flaming Lips, Mercury Rev, Low) hat jedenfalls eine Seite von Sleater-Kinney freigelegt, die nicht unbedingt erwartbar war. Trotz aller psychedelischen Guitarhero-Ausbrüche ist The Woods nie retro, sondern sehr sehr heutig. Nur nicht mit modischen Mitteln.

Anders als die Kolleginnen von L7 (was machen die überhaupt?) wollen Sleater-Kinney keine Jungs sein. Hart sind sie, aber nicht vulgär, schwer, aber nicht feist. Feministischer Zorn ist keine schicke Attitüde der – mittlerweile – Riot Women bzw. Mothers, sondern Konstituens ihres Werks: "A woman is not a girl. I could show you a thing or two ( …) Hit the floor honey, let's battle it out." (Let's Call it Love).

Das zart angefolkte Modern Girl läßt kurz Balsam tröpfeln, aber nur musikalisch, der Text ist eher bitter als süß: "My baby loves me / I'm so hungry / Hunger makes me / A modern girl ( …) My whole life / looked like a picture / of a sunny day". Doch Sleater-Kinneys Wut scheint auch auf andere Themen, in Entertain heißt es:

Hey! Look around they are lying to you
Can't you see it is just a silly ruse?
They are lying, and I am lying too.
All you want is entertainment,
Rip me open it's free

Schweres Geschütz, aber essentiell wie Schwarzbrot nach zu viel Ciabatta.