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August 2005
Christina Mohr
für satt.org


The Raveonettes:
Pretty in Black

Sony BMG 2005

The Raveonettes: Pretty in Black
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The Raveonettes:
Pretty in Black

Was bringt junge, coole, moderne Menschen dazu, eine Platte aufzunehmen, die klingt wie die Jugend ihrer Großeltern? Die beiden ersten Alben der dänischen Raveonettes spielten auch schon mit Rock’n’Roll-Klischees, brachen aber gleichzeitig mit ihnen – ähnlich wie The Jesus and Mary Chain operierten Sune Rose Wagner und Sharin Foo mit reichlich Feedback und Verzerrer, auf daß nur keine allzu heimelige Stimmung aufkäme. Mit Erfolg: Das Debut „Whip it On“ und die Nachfolgeplatte „Chain Gang of Love“ warteten mit veritablen Hits wie „Beat City“ auf, breitwandig der Sound, schneidend die Gitarren – präsentiert mit viel Distanz und Coolness, eine schlüssige Verbindung aus Teenage Angst, Wave und düsterem Rock’n’Roll.

Die „Pretty in Black"-Legende sagt, daß Wagner vergessen hatte, das Verzerrerpedal mit ins Studio zu nehmen, die Songs deswegen in ihrer „braven“ Form aufgenommen wurden und die Band dieses Versehen kurzerhand zum neuen Stil umdeklarierte. Kann sein oder auch nicht, Fakt ist, dass „Pretty in Black“ keine Sekunde gefährlich, lederjackig-verwegen oder nach „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ klingt, sondern ist vom ersten Stück an eine Reminiszenz an die frühen und schüchternen Jahre des Rock’n’Roll der Ricky Nelson- und Everly-Brothers-Schule. Vor allem „Here Comes Mary“ hört sich an wie „Dream, Dream, Dream", nach Zuckerwatte und den ersten Küssen am Autoscooter. Einzig „Love in a Trashcan“ und „Sleepwalking“ fallen ein wenig aus dem Rahmen, hier werden die Regler etwas höher gezogen und erinnern an die Motorradgang, die noch durch die beiden anderen Platten bretterte. Aber auch Doo-Wop-Anklänge, Verbeugungen vor Buddy Holly, Surf- und Garagensound, Country und Italo-Western-Soundtracks und nicht zuletzt Sechziger-Jahre-Girl-Group-Gesang sind zu hören. Sharin Foo singt eine nahezu unveränderte Coverversion von „My Boyfriend's Back", einem Hit der Angels von 1963, der die folgenden schönen Zeilen beinhaltet:

My boyfriend's back, he's gonna save my reputation (Hey-la, Hey-la My Boyfriend's back) If I were you, I'd take a permanent vacation (Hey-la, Hey-la My Boyfriend's back) Hey, he knows I wasn't cheatin' Now you're gonna get your beatin'

Sehnt sich die moderne Frau also auch anno 2005 nach dem starken Kerl, der alle umhaut, die ihren Ruf in Frage stellen? Aber vielleicht ist der Song ja auch als augenzwinkernde Tongue-in-Cheek-Hommage an die Sixties zu verstehen.

An Prominenz wurde übrigens nicht gespart auf „Pretty in Black": Martin Rev von Suicide ist bei drei Stücken an den Tasten zu hören, Ronnie Spector (die Ikone des Girlism, die wilde und unangepaßte Sängerin der coolsten Girlgroup ever, der Ronettes; zudem die Exgattin von Phil Spector, was eine ähnliche Leidensfähigkeit wie Tina Turner in ihrer Ehe mit Ike voraussetzt) singt bei „Ode to L.A.“ mit, Moe Tucker (Ex-Velvet Underground) spielt Schlagzeug bei „Red Tan“ und als Produzent wurde Richard Gottehrer gerufen, der schon vor 30 Jahren die erste LP von Blondie produzierte. Also alles abgesegnet von pophistorischen Schwergewichten – und vielleicht liegt ja hier die Subversion: in der Negation moderner Klänge, Codes und Zeichen.