Early Influences:
The Velvets circa The Factory.
Vic Godard's „Northern Soul“ period.
New Hormones.
Disco demands.
New York art/Punk.
(Edwyn Collins)
Alle lieben auf einmal Orange Juice, die Band um Edwyn Collins, der in den frühen Neunzigern späten, aber verdienten Ruhm mit A Girl Like You erringen konnte. 1976 gründete Collins in Glasgow die Punkband Nu Sonics, die sich einige Zeit später nach ihrer Lieblings"droge“ in Orange Juice umbenannten. Schnell entwickelten James Kirk, Zeke Manyika und eben Edwyn Collins ihren eigenen, unverwechselbaren Sound, ihre Aufnahmen für das legendäre Postcard-Label genießen Kultstatus, wenn man das mal so sagen darf. Die twingenden-twängenden Gitarren, die perlenden Baßläufe und dazu Collins‘ immer irgendwie gequetscht klingendes Vibrato verkörpern auch heute noch die gute, die beste Seite der frühen Achtziger Jahre, Songs wie Consolation Prize, You Can't Hide Your Love Forever oder Rip it Up sind Kleinode des Postpunk- und Postwavezeitalters und verbinden auf liebenswerte Weise die Pole Jonathan Richman und Joy Division, also Heiterkeit und Depression. Obwohl es unangemessen scheint, andere Künstler als Referenzen heranzuziehen, weil Orange Juice mit leichter Hand ihre eigene „Marke“ bildeten – und heute als Vorbild vieler Bands gelten können. Alle möglichen Stilelemente wurden im OJ-Universum aufgenommen und verarbeitet, von Disco über Rock’n’Roll und Northern Soul; verspielt aber kitschfrei in charmante Dreiminüter verpackt.
Auch stylemäßig waren Orange Juice ihrer Zeit voraus; androgyn, mit nur von einem gewissen Mr. Morrissey übertroffenen Elvis-Impersonatorentollen, Lippenstift und Ringelshirt offerierte die Band ein Männerbild, das bitte nicht metro- aber erst recht nicht machosexuell genannt werden kann.
Nun hat sich das Label Domino Records dem Werk von Orange Juice angenommen, und dort scheint der Nachlaß der Band in besten Händen zu sein: Domino hat ein Herz für Schotten, schließlich erscheinen dort junge Bands wie Sons and Daughters und natürlich Franz Ferdinand, deren neue Platte ja in Bälde erscheint.
The Glasgow School ist eine Compilation mit den frühen Postcard-Singles inklusive der B-Seiten und Songs für das bei Polydor geplante erste Album von Orange Juice. Schon bei den ersten Tönen von Falling and Laughing steigen Leuten, die wie ich in den Achtzigern schon länger zur Schule gingen, die Tränen in die Augen: vor Begeisterung und Freude, aber auch Trauer über die unwiederholbar verplemperte Jugend. Trotz unverhohlener Melancholie strahlt so viel Sonne und Frühling aus den Songs, dass man ein Ziehen in Herz- und Magengegend verspürt wie bei der ersten Verliebtheit (die Erinnerung daran kehrt ebenfalls zurück, paßt nur auf!). Orange Juice hatten bezaubernde Melodien, einen stilbildenden Sound und trotzdem kein Talent zum Berühmtwerden. Das wurden dann andere, aber egal, tempi passati.
Ihren Sinn für schrägen Humor zeigen die Schotten bei einem auf der Compilation gleich in zwei Versionen enthaltenen Instrumental: es gehört schon Verve dazu, ein Stück, das aus genuin amerikanisch geprägten Versatzstücken wie Linedance und Surfsound besteht, Moscow zu nennen!
Andere Songs wie Blue Boy, Love Sick, Three Cheers oder Consolation Prize reichen überdies schon aus, um eine Best-of-Compilation zu rechtfertigen. Edwyn Collins schrieb Hits wie diese wahrscheinlich zwischen zwei Tassen Tee an jedem beliebigen verregneten Glasgower Morgen, während andere Bands heute wie gestern ihre Omas für ein nur halb so gutes Lied verscherbeln würden.
Dass Orange Juice unzählige Bands prägten und ihr Einfluß bis heute spürbar ist, dafür ist The Glasgow School strahlendes Dokument; für Neueinsteiger ist dies die Chance, Versäumtes nachzuholen, für Fans unverzichtbar zur Vervollständigung des Bestands. For further Listening: die Soloalben von Zeke Manyika und natürlich alle Platten von Orange Juice, die Ihr finden könnt.