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November 2005
Christina Mohr
für satt.org


Atomic:
Wonderland Boulevard

Redwinetunes 2005

Cover

Atomic
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Atomic:
Wonderland Boulevard



Atomic
Atomic (Foto: Atomic)

Fans des sixties-orientierten Gitarrensounds à la Oasis oder Mando Diao müssen nicht mehr in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah, beziehungsweise relativ nah: Atomic kommen aus dem Bayrischen Wald und haben sich nach dem legendären „Atomic Café“ in München benannt. Rainer und Thomas Marschel, Andreas Defet, Marc Boysen und Stefan Vogl, alle ziemlich weit unter 30, lieben die Musik der Sechziger Jahre und haben sich durch hunderte von Konzerten einen handfesten Ruf als tolle Liveband erspielt; gekrönt sicherlich durch die Tour mit Paul Weller, den sie supporten durften. Ihre EP The Big Issue verkauften sie im besten DIY-Gestus gleich im vierstelligen Bereich und sogar der ehrwürdige NME rezensierte die Platte – für deutsche Newcomer eine schier unglaubliche Ehre. Nun erscheint auf Redwinetunes ihr erstes Album Wonderland Boulevard, dessen zehn Songs zwischen laut und leise, beatrockig und leicht verschmust changieren. Die Jungs verbeugen sich zwar tief vor Heroen wie den Beatles, The Who oder den Kinks, es gelingt ihnen aber mühelos, eine eigene Handschrift zu entwickeln. Und mit Oasis und Mando Diao verbindet Atomic weit mehr als nur der Umstand, dass sich leibhaftige Brüder in der Band befinden …zum Beispiel das Talent, unwiderstehlich eingängige Melodien zu schreiben. Ich muß zugeben, dass nicht zuletzt die gelungene Coverversion des Smiths-Klassikers Girlfriend in a Coma mich für Album und Band eingenommen hat, denn schon meine Oma hat gesagt, „zeige mir deinen Umgang und ich sage dir, wer du bist". Oder so ähnlich, aber wie auch immer: die eigenen Stücke zeugen von einer tief verinnerlichten Britpopschule, die sich vor keinem der Vorbilder verstecken muss.
Hier antworten die Musiker auf meine neugierigen Fragen:

Als ich die Platte zum ersten Mal gehört habe und Eure Fotos gesehen habe, dachte ich "Mensch, das sind die deutschen Mando Diao!" (zwei Brüder in der Band, Style, 60s-Reminiszenzen..) - obwohl solche Vergleiche ja oft hinken: liege ich ganz falsch?

Thomas: Die Frage schmeichelt mir, da ich Mando Diao sehr gerne mag und es mich freut, mit einer guten und derzeit populären Band verglichen zu werden. Wir haben alle Platten von Mando Diao und hatten bei Ihrer ersten Deutschlandtour sogar das Angebot, die Jungs in Münster zu supporten. Das mussten wir leider absagen, weil wir an dem Tag schon einen Hamburg-Gig stehen hatten. Das Schlimme daran war nur, dass der Hamburg-Auftritt einige Zeit später verlegt wurde, aber der Support-slot dann schon vergeben war … Also alles in allem liegst Du nicht falsch.

Ihr kommt aus dem tiefen Bayrischen Wald: Wie sah Eure musikalische Sozialisation aus? Gab es Orte, wo Konzerte stattfanden? Und wann fiel die Entscheidung, jetzt machen wir selbst Musik?

Thomas: Das sah ziemlich düster aus. Hier bei uns gab/gibt es fast nur Heavy Metal-, Volks- oder Coverbands und gezwungenermaßen ist man da auch hingegangen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich zu ungefähr 10 Konzerten von irgendsoeiner schlimmen, bei uns bekannten Metal-Band gegangen bin, weil der Sänger mit dem Mädchen zusammen war, in das ich so verliebt war. Ich wollte immer da sein wo sie ist und ich hatte auch immer genug Zeit, dem Metal-Sänger sein Mädchen auszuspannen, weil der zottelige Typ ja auf der Bühne praktisch festgesessen war ;-) Aber es war an diesem Abend in München: Oasis, Januar 1996 im Wappensaal. Nach diesem Konzert war es einfach klar, wir mussten eine Band aufziehen mit genau dieser Einstellung, solchen Songs und solchem Style. Das war einfach das Erlebnis, dasuns den "Arschtritt" im Kopf gegeben hatte, es so zu machen und eine Gitarre in die Hand zu nehmen.

Euer Sound und die englischen Texte weisen ja schon darauf hin, dass Ihr wahrscheinlich mit Deutschquote und dem aktuellen Hype um "deutschen Pop" nicht viel am Hut habt - weshalb habt Ihr Euch von vornherein international orientiert?

Thomas: Das kam einfach so, weil wir eigentlich nur Bands gehört haben, die englisch singen. Vor Oasis waren es die Beatles, die Rolling Stones, The Kinks, The Jam, The Who und auch so Sixties-Sachen wie die Troggs, Byrds, Doors oder die Tremeloes. Von den deutschsprachigen Bands hören wir eher wenige, aber wir finden Tomte sehr gut, weil die auch vor der „Deutschquote“ schon da waren, ohne sich nach einem Hype zu richten, wie es jetzt plötzlich sehr viele tun. Wie auch die Sportfreunde Stiller oder auch Die Sterne, die schon lange vor dem Hype Ihr Ding gemacht haben.

Ihr seid ja für eine noch relativ junge Band schon viel herumgekommen, unter anderem wart Ihr Support von Paul Weller (!) und Gem Archer (Oasis) - wie war das? Kannst Du von den Touren was erzählen? Wie kamen diese Touren zustande?

Thomas: Bisher haben wir das Booking als Band, genau genommen mein Bruder (Rainer) und ich, selber übernommen. Bei Paul Weller z.B. wurden wir von der Konzertdirektion Karsten Jahnke aus Hamburg gefragt, was uns natürlich sehr stolz gemacht hat, weil wir sehr grosse Paul-Weller-Fans sind und zudem Paul noch einen Musiker von Oasis mit auf der Tour dabei hatte.

Rainer schreibt alle Songs - sind die Bandkollegen froh, dass einer allein diesen Part übernimmt oder werden die anderen künftig auch komponieren? Fällt es Rainer leicht, auf Englisch Texte zu schreiben?

Rainer: Ich glaube sie sind schon erfreut, weil das natürlich praktisch ist für die anderen.
Jedoch wird es in nächster Zeit auch den ein oder anderen Song geben, den ich zusammen mit unserem 2. Gitarristen Stefan Vogl geschrieben habe. Ein Song, den wir jetzt auch ab Ende des Jahres bei den Konzerten spielen werden, heisst High & Fall und ist ein Hammer. Ich denke, wir werden bestimmt noch weitere zusammen machen, aber natürlich schreibe ich auch weiterhin Songs alleine. Aber grundsätzlich kommt es mir schon entgegen, auch mit anderen Bandmitgliedern zusammen neue Songs zu schreiben.

Welchen Eurer/Deiner Songs findest Du besonders gelungen? Hast Du eine Lieblingstextzeile?

Thomas: Mein Lieblingstrack auf dem Album ist Monkey Fingers, der geht einfach nur ab und ist ein richtger Tanzbodenkracher. Macht Spass, den zu performen und zu singen. Meine Lieblingszeile ganz spontan ist von Being Of The Arrival Of The Maharaja Sailor (Part 2): " ….today i'm gonna sail upon the thousand reasons with my submarine …" Mir gefallen so kleine Beatles-Anspielungen sehr, beziehungsweise an andere Bands, von denen man beeinflusst wird oder auch Fan ist. Rainer: Ich finde The Shelter und Devil May Cry vom neuen Album besonders gelungen.

Ist der Opener von Wonderland Boulevard, (You're) A Shining Star auch Euer erstes Stück auf Konzerten? Könnte ich mir gut vorstellen …

Thomas: Wir auch, darum spielen wir das auch immer als Opener bei unseren Konzerten. Geht gleich gut ab und die Leute wissen sofort, was auf sie zukommt!

Monkey Fingers klingt authentisch nach den Sixties - wie habt Ihr diesen Song aufgenommen? Welche Bands aus den Sechziger Jahren haben Euch besonders beeinflußt?

Thomas: The Beatles, The Rolling Stones, The Who und ganz wichtig waren für uns die grossartigen Kinks. Die Kinks sind für uns mit den Beatles die vielleicht wichtigste Band der Rock- und Pop-Geschichte.
Rainer: Den Song haben wir im Telstar Studio von Christian Höck in München aufgenommen der Spezialist für derartigen Sixties-Sound ist und ebenso in einigen Beatbands als Musiker tätig ist.

Auf Eurer neuen Platte gibt es Being Of The Arrival Of The Maharaja Sailor (Part 1) und Being Of The Arrival Of The Maharaja Sailor (Part 2) - wieso? Was hat es mit diesem Song auf sich?

Rainer: Das ist eine Hommage an die Beatles, ich wollte einfach einen langen verrückten Songtitel und eine interessante Idee haben, bei der die Leute plötzlich denken: "Hey, was ist das und was soll das?!?“ So kam es dazu und ein Kumpel von mir, der im Part 1 den Sprecher macht, hat mindestens 50% Mitschuld an diesem Songtitel.

Seid Ihr mit anderen Bands befreundet? Ich mußte mehr als einmal an Timid Tiger denken, kennt Ihr Euch?

Rainer: Man kommt mit Atomic viel rum und befreundet sich mit vielen Bands und Leuten, die bei Labels oder Booking-Agenturen arbeiten, aber zum Kontakt mit Timid Tiger kam es bisher noch nicht. Wir wissen, dass sie aus Köln kommen, jetzt beim Lado Label in Hamburg ein Album veröffentlicht haben, aber persönlich kennen wir sie nicht. Der einzige Bezug zu dieser Band ist, dass wir beide mit Ihrem ehemaligen Label-Chef befreundet sind, bei dem sie Ihre erste EP veröffentlicht haben.

Auf dem Cover grüßt Ihr Thees Uhlmann, der zur Zeit ja buchstäblich überall ist - woher kennt Ihr Euch?

Thomas: Wir haben uns bei einem Konzert in Tulln/Österreich 2001 kennengelernt. Wir sind damals support act von Tomte gewesen. Der dortige Veranstalter meinte, er bucht Tomte eine Band als support, die ihm bestimmt gefallen werden. Er spielte darauf an, dass Thees genauso wie wir grosser Oasis-Fan ist. Thees war begeistert von unserem Auftritt und seitdem haben wir Ihn schon sehr oft getroffen. Wir sind Freunde geworden, haben auch des öfteren mit Tomte gespielt und ja, Du hast recht, Thees ist zur Zeit wirklich überall. Aber er hat sich den Erfolg auch verdient, weil er wirklich viel arbeitet, tourt und wunderschöne Songs mit tollen Texten schreibt. Ja, und er trinkt auch mit fast jedem Fan&Freund ein Bier, jetzt kannst Du Dir ja vorstellen, mit wieviel Promille der Mann den ganzen Tag unterwegs ist … …"hauptsächlich" grüssen wir Ihn unserem Booklet deswegen, das hat auch mal Anerkennung verdient. ;)))

Wie wichtig ist Euch - neben der Musik - der Style? Versucht Ihr, wie Maximo Park oder Franz Ferdinand, auch modisch ein Statement zu setzen?

Rainer: Style ist uns nicht unwichtig, aber zur zweiten Frage: Nein, eher nicht. Ich würde mich nicht schminken oder dergleichen, nur weil ich in einer Band spiele oder das andere angesagte Bands tun. Das sind wir nicht. Natürlich schaut man vorher in den Spiegel und holt sich die Lederjacke, das gute Polo-Hemd und die richtigen Schuhe für die Bühne aus dem Schrank, aber das haben wir ja auch schon gemacht, bevor wir eine Band hatten.

Wie sehen Eure Pläne aus? Geht Ihr demnächst wieder auf Tour?

Rainer: Wir wollen in 2006 baldmöglichst mit dem Aufnahmen zum nächsten Album beginnen, weil der Release zu Wonderland Boulevard ja einige Zeit auf sich warten liess. Davor werden wir natürlich wie immer auch reichlich Konzerte zur aktuellen CD spielen.