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November 2005
Christina Mohr
für satt.org


Aufbruch in die Endzeit
Empty Records/ Indigo 2005

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Einstürzende Neubauten:
Liebeslieder

!K7 2005

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Extra. A Selection of Outstanding Electronic Music Videos
Sense/ !K7 2005

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Keepintime:
A Live Recording

Ninja Tunes 2005

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DVD-Schau Teil I

Herbst und Winter stehen vor der Tür, und damit lange, kalte Abende, die nur so dafür geschaffen sind, sich aufs Sofa zu platzieren, ein Bier zu öffnen, eine DVD einzuwerfen - und los geht's! Um Euch die Auswahl im Dickicht der zur Zeit inflationär auf den Markt geworfenen Musik-DVDs ein wenig zu erleichtern, kommt hier eine erste Auslese wahrer Schmankerln, Fortsetzung folgt.

Aufbruch in die Endzeit
(Empty Records/Indigo)

Der Untertitel dieses Videofilms von 1980, „1980 New Wave Hit Explosion“ zeugt vom Humor seiner Macher – denn weder Hits noch Explosionen gibt es hier zu sehen, sondern verschollen geglaubte Aufnahmen der ersten Liveauftritte von zum Beispiel Abwärts, KFC, Der Plan, Malaria! oder FSK (als Thomas Meinecke noch ganz dünn war!). Dazu gibt es total unprofessionelle und deshalb ungemein liebenswerte Interviewausschnitte von unter anderem DAF und ZK mit dem großen Campino, gekleidet in Latzhose und Schiebermütze. In jeder Sekunde dieses Doku-Dokuments wird die Aufbruchstimmung spürbar, die sich Anfang der Achtziger Jahre auch bis nach Deutschland ausgebreitet hatte: Rock war tot, Punk das unbekannte, faszinierende Ding, dem sich Menschen wie Tommi Stumpff (vom KFC) oder Gudrun Gut (Mania D., Malaria!) auf höchst unterschiedliche Weise näherten. Dass damals Der Plan und Abwärts einer ähnlichen Richtung angehörten, scheint heute schier unglaublich – und doch verkörperten beide Bands die Negation kommerzieller Popmodelle. Malaria! sind mit einer Liveaufnahme von „Kaltes Klares Wasser“ zu hören und zu sehen, das vor ein paar Jahren von den Chicks on Speed wiederbelebt wurde – und schon ist die Verbindung nach Heute gezogen. Und weil Jürgen Teipel nicht ganz unschuldig ist am neuentflammten Interesse an dieser Epoche, stammen die Linernotes zur DVD von ihm.


Einstürzende Neubauten:
Liebeslieder (!K7)

"Liebeslieder“ ist eine 1993 vom WDR in Auftrag gegebene Dokumentation über das Phänomen Einstürzende Neubauten – die erste ihrer Art, was ein wenig verwundert, wenn man die Medienverbundenheit der Neubauten von ihren Anfangstagen an betrachtet. Die DVD mit satten 100 Minuten Laufzeit zeigt Interviewauszüge mit allen Neubauten-Mitgliedern, Liveausschnitte ihrer 93‘er Tour und ungekürzte Fassungen der Videos „Die Interimsliebenden“ und „Blume". In retrospect wird die immense Bedeutung der EN im In- und Ausland deutlich: Keine andere Band errang vergleichbare Aufmerksamkeit, und auch das Goethe Institut entdeckte früh die Werbewirksamkeit der Lärmpoeten aus Berlin, obwohl ihr Ansatz so sperrig und unkommerziell war, dass man ihnen mit Begriffen aus dem Rock- und Popsprachgebrauch nicht gerecht werden konnte. Ihr brachialer Sound - „Hör mit Schmerzen“ heißt eins ihrer frühen Werke nicht zu Unrecht - der konsequente Einsatz von Nicht-Instrumenten wie Mülltonnendeckeln, Schweißbrennern, Ambossen oder Einkaufswagen machte Dinge möglich, an die vorher im Zusammenhang mit „Musik“ niemand dachte. Theaterregisseure wie Peter Zadek engagierten die Neubauten, zur Premiere von „Andi“ in Berlin empfahl die Bild-Zeitung besorgt Ohrstöpsel fürs unbedarfte Publikum.
Berlin ist generell sehr stolz auf die Einstürzenden Neubauten, war es dem Senat doch eine güldene Gedenktafel am Autobahnpfeiler wert, der darauf hinweist, dass „HIER“ die EN 1980 ihre erste Platte aufgenommen haben. Dieser und viele andere Orte werden aufgesucht, die wichtig für das Werk der Neubauten sind. Obwohl der Inhalt nicht ganz taufrisch ist, ist diese DVD dennoch eine feine Sache, nicht zuletzt wegen FM Einheits denkwürdigen Satzes: „Das eigentlich Spannende ist die Stille nach dem Lärm."


Extra. A Selection of Outstanding
Electronic Music Videos (Sense/!K7)

Der Titel dieser DVD sagt exakt aus, was drin ist: Eine Auswahl hervorragender Elektronik-Musik-Videos. Vielleicht genügt es, in diesem Fall einfach mal die Titel aufzulisten:

  1. DJ Shadow - Six Days
  2. RJD2 - The Horror
  3. Stereo MC's - We Belong In This World Togehter
  4. Leftfield & Roots Manuva - Dusted
  5. Red Snapper - Some Kind Of Kink
  6. Funkstörung - Grammy Winners
  7. Bleip - Clicks
  8. Phon.o - Stop Da Shot Blocka
  9. Slam - Alien Radio
  10. Bogdan Raczynski - Ahou Bouken
  11. Laurent Garnier - The Man With The Red Face/Long Version
  12. Superpitcher - Happiness
  13. Captainl Comatose - 100$
  14. Black Strobe - Me And Madonna
  15. Felix da Housecat - Rocket Ride
  16. Munk feat. James Murphy - Kick Out The Chairs

Hier wird ein zeitlich und künstlerisch weites Feld abgesteckt, vom romantisierenden Softtechno von Superpitcher bis zum Futurehouse von Felix da Housecat geht die Reise, immer untermalt von wirklich herausragenden Videos. Es erscheint unangemessen, hier einzelne hervorzuheben, aber vom Akte-X-artigen Schauer, den „The Horror“ von RJD2 verbreitet, im Gegensatz zum optimistischen Pillenuniversum der Stereo MCs oder dem von Wong Kar-Wai directeten Film zu DJ Shadows „Six Days", der dem Musikvideo als solchem wieder neue Bedeutung verschafft, ist die Bandbreite der auf extra versammelten Tracks und Videos immens und zeigt, wie spannend und differenziert elektronische Musik sein kann, wenn sich mal jemand die Mühe macht, eine Compilation wie diese zu ersinnen (Kompliment an Holger Wick). Linernotes von Christoph Braun, Oliver Tepel und Verena Dauerer.


Keepintime: A Live Recording
(Ninja Tunes, CD plus DVD)

Die Kombination von CD plus DVD ist beliebt und sinnig, wie in diesem Fall: Der irische Fotograf Brian Cross, aka B+ ging wegen seiner Liebe zu HipHop, Funk, Soul und Breakbeats Anfang der Neunziger Jahre nach Los Angeles und begann bald, mit DJ Shadow zusammenzuarbeiten. Weil Mr Cross aber auch großer Jazzfan ist, versammelte er die Jazz-Drumlegenden Earl Palmer, James Gadson und Paul Humphrey, um mit jungen DJs wie Cut Chemist, DJ Numark und Madlib zunächst eine gemeinsame Session, gipfelnd in einer gigantischen Liveshow in LA, zu performen. Die Live-DVD des LA-Konzerts vermittelt den großen Spaß, den hier Jung und Alt gemeinsam haben, und zeigt a), dass es möglich ist, DJs wie „normale“ Musiker nebeneinander stehen zu lassen und NICHT einzeln abzufeiern und b), Live-Djing wunderbar zusammen geht mit „echten“ Instrumenten wie eben einem Jazz-Schlagzeug.
Die CD versammelt einige Mixes der Keepin‘ Time-Stücke, unter anderem von OhNo, Charlie Dark oder J Rocc. Ambitioniertes Projekt für Liebhaber des Ninja-Tunes-Oevres.