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November 2005
Matthias Michel
für satt.org


Geoffrey Ellis:
Ein Leben im Popmanagement

The Beatles, Brian Epstein und Elton John
Murmann Verlag 2005

Geoffrey Ellis: Ein Leben im Popmanagement

Aus dem Englischen von Jens R. Nielsen
230 S., 19,90 €
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Geoffrey Ellis:
Ein Leben im Popmanagement
The Beatles, Brian Epstein und Elton John

Leider ist das technisch wohl nicht so leicht machbar, aber eigentlich hätte ich hier gerne ein kleines flackerndes Stop-Schild stehen, daß ja keiner das Buch von Geoffrey Ellis übersieht.
Und zur Beruhigung gleich vorausgeschickt: Trotz des Titels ist hier keine Spur von Pop-Spießertum à la Thomas M. Stein (der "Musikexperte" mit Oldies-but-Goldies-Geschmack) enthalten, man muß also nicht vorsichtshalber auf Distanz und in Deckung gehen. Und es handelt sich hier auch nicht um Pop-Memoiren eines Übriggebliebenen, in dem noch einmal richtig schön die Swinging Sixties und Seventies beschworen werden, weil man damals ja noch richtige Musik gemacht hat. Noch reiht es sich in die Phalanx der von den CEOs bzw. deren Ghostwritern verfaßten Selbstbeweihräucherungen ein, die sich meist in der Betonung ihrer eigenen unsympathischen Person erschöpfen.

Aber der Reihe nach und zunächst ein paar Worte zum Autor. Geoffrey Ellis ist seiner Ausbildung nach Jurist und begann seine Tätigkeit im Musikgeschäft in Brian Epsteins Firma NEMS, wo er für die geschäftliche Seite der Künstlerbetreuung, vor allem der Beatles, zuständig war. Nach Epsteins Tod im August 1967 blieb er der Sparte treu und arbeitete schließlich im Management Elton Johns, den er schon als Lohnsongschreiber gekannt hatte.

Das Autorenphoto zeigt den Pensionär Ellis gutgelaunt inmitten eines Herrenhaus-Ambientes – und so schreibt er auch. Unverkrampft und plaudernd, mit einer souveränen und selbstbewußten Leichtigkeit, die immer diskret, distungiert und fair bleibt, dabei aber niemals anbiedernd wird, auch nicht, wenn es um seine Schützlinge geht. Hat er einfach nicht nötig. Was in anderen Büchern Klatsch wäre, sind hier hübsche Anekdoten, etwa Barbra Streisands Karrierbeginn bei einem Talentwettbewerb einer Schwulenbar, die Bedrängung Ringos durch wildgewordene Mädchen vor dem Petersdom oder die Kaufräusche Elton Johns im Londoner Cartier-Laden.

Als Gentleman alter Schule, der sich ohne Schlips und Kragen vermutlich nackt vorkommt, kann Geoffrey Ellis bis heute mit Popmusik nicht viel anfangen, versucht auch nicht, sich irgendwie berufsjugendlich zu geben. Anläßlich eines New Yorker Elton John-Konzerts vor lauter kiffenden Langhaarigen in abgetragenen Jeans, denkt er sehnsüchtig an Eltons Auftritte in Mokau und Leningrad zurück, bei denen das adrett gekleidete und saubere Publikum sich zu benehmen wußte. Anfang der Achtziger wurde Ellis allerdings selbst zum One-Hit-Wonder, indem er den "Schiedsrichter" sprach bei einer John McEnroe-Parodie mit Disco-Sound (klingt wie von einem englischen Frank Zander verbrochen). Bezeichnenderweise ist sein Lieblingssong von den Beatles ausgerechnet "Yesterday"! Also mit Abstand der Beatles-Song, den man nun wirklich nicht mehr hören kann. (Ich verbinde ihn zudem untrennbar mit jenem vollbärtigen Musiklehrer aus der 7. Klasse, dessen popmusikalischer Hintergrund trotz seiner relativen Jugend knapp zwanzig Jahre nach der Ersteinspielung des Songs in dessen Entstehungsjahr stehengeblieben war. Und der sich wohl ziemlich progressiv vorkam, jetzt mal so etwas Modernes zu machen.) Aber dieses Bekenntnis zur popmusikalischen Beliebigkeit aus dem Mund Geoffrey Ellis' ist nur konsequent – er tut erst gar nicht so, als sei er furchtbar aufgeschlossen, als habe er den Kram dieser Langhaarigen auch gerne, geschweige denn privat gehört. Dabei mag er die Jungs durchaus, besonders gut versteht er sich mit Ringo und George (letzterer immer sehr interessiert an der wirtschaftlichen Seite, hätte man von ihm bei all seinem Guru-Gehabe gar nicht so gedacht). Pauls jeweilige Stimmung scheint sehr von seiner Tagesform abhängig zu sein, John ist halt ein arrogantes Kerlchen, und seine später mit Yoko Ono durchgezogenen Bed- oder Bag-Peace-Geschichten, naja, reden wir nicht weiter drüber. Und bei diesem Naserümpfen bin ich mit dem Autor doch völlig d'accord.

Es ist aber gerade diese Distanz zur Popkultur, die die Lektüre so interessant macht – es gibt ja wirklich genug schlimme Beispiele für von Fans geschriebene Bücher zur Popmusik, und wer braucht eine weitere Beatles-Hagiographie? Indem Ellis die wirtschaftliche Seite beleuchtet, zeigt er uns, daß die Beatles und ihr Produzent George Martin eben nicht nur revolutionär und wegweisend in ihrer musikalischen Entwicklung waren, sondern, gemanagt von Brian Epstein, auch in geschäftlichen Belangen. Für spätere allgemeingültige Regelungen im Umgang mit Merchandising und Lizenzen sowie der Unterbindung früher Formen von Produktpiraterie wurde hier der Grundstein gelegt, und die Beatles konnten aufgrund ihres kommerziellen Erfolgs bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen bei ihrer Plattenfirma EMI, dem Musikverlag Northern Songs und schließlich auch bei ihrem Management durchsetzen, als es bis dahin üblich war. Letztendlich scheint den Beatles gelungen zu sein, durch ihre Arbeit als Künstler anerkannt zu werden, denen ein Recht auf angemessene Honorierung ihrer kreativen Leistung zustand. Vielleicht wären die Prozesse, die das Team Elton John/Bernie Taupin später gegen verschiedene Manager führen sollte – Ellis war selbst darin verwickelt –, ohne diese Vorarbeit so erfolgreich nicht durchführbar gewesen. Weitere profane Dinge, mit denen sich (nicht nur) die Beatles herumschlugen, waren Streitereien mit den britischen Steuerbehörden, Vaterschaftsklagen gegen JohnPaulGeorgeRingo und die Filmversuche der Fab Four (inkl. dem "Magical Mystery Tour"-Totalflop).

Gleichzeitig hat Ellis einen Kurzführer durch Brian Epsteins Leben geschrieben. Man lernt einen Mann kennen, der vom Potential der Beatles überzeugt ist und sie mit viel Enthusiasmus fördert, Erfolge feiert, mit anderen Projekten zwar scheitert, aber das Popgeschäft völlig umkrempelt, der sich auf teils riskante Abenteuer mit Strichjungen einläßt und zunehmend die Kontrolle über seinen Drogenkonsum verliert. Aber auch bei der Schilderung dieser Dinge, aus denen die Knallpresse ganze Promi-Specials machen würde, bleibt der Autor diskret, respektvoll, anständig.

In einem Buch, das Erlebnisse und Ereignisse in einem Zeitraum von vierzig Jahren schildert, tauchen naturgemäß eine Vielzahl von Namen auf, zumeist unbekannte und viele nur am Rand. Neben Epstein sind es vor allem zwei Menschen, die Ellis ausführlicher beschreibt. Der eine ist der Elton John-Entdecker Dick James, in dessen Firma Ellis nach Epsteins Tod arbeitete: patriotisch bis zur Skurrilität, leicht exzentrisch, aber mehr als integer. Die andere ist Wendy Hanson, bei deren Schilderung Ellis mehrfach auffällig ins Schwärmen gerät, sich ansonsten aber vornehm zurüchhält ("Wir wurden rasch Freunde"). Wendy Hanson war Epsteins Assistentin mit hoher, durchaus nötiger Problemlösungskompetenz und für die Beatles bisweilen auch mal Ersatzmama. Sympathisch war sie gewiß, zeigt das Photo auf Seite 55 sie doch mit einer Glückskatze auf der Schulter.