Wo sind eigentlich die Riot Grrls der frühen Neunziger geblieben? Bands wie Babes in Toyland oder L7, die zeigten, dass rockende, zornige Frauen auf anerkennendes Schulterklopfen seitens männlicher Kollegen sehr gut verzichten können. Ikonen wie Bikini Kill oder Bratmobile verschwanden zu Beginn der Nullerjahre und auch „die Witwe“ Courtney Love konnte nicht halten, was sie mit Hole einst versprach: Während all‘ ihrer Beauty-OPs und Drogenexzesse vergaß Mrs. Love, was sie am besten kann, nämlich aufrührerische, tolle Musik machen. Ihre Soloplatte floppte (leider – denn schlecht war sie beileibe nicht) und die Öffentlichkeit interessiert sich heute mehr dafür, ob sie das Sorgerecht für ihre Tochter Frances Bean zurückbekommt und ob sie ihren Bewährungshelfer erneut um den Verstand bringt. Schade, sehr sehr schade.
Heutige Musikerinnen lieben es eher elektronisch (siehe Peaches und die gesamte Chicks-on-Speed-Community) oder fragil-folkig (wie Emiliana Torrini oder Leslie Feist), rocken wollen zur Zeit nur wenige, Erase Errata und eventuell die Donnas könnte man hier erwähnen.
Als konstante Größen erweisen sich nur Kathleen Hannah, die nach dem Ende von Bikini Kill mit Le Tigre zeigt, wie gut Glam und Feminismus zusammengehen, und Sleater Kinney, deren schwerer Rock (aktuelle Platte: The Woods) alles andere als leicht zugänglich ist. Ansonsten sah es bisher eher mager aus im Bereich feministisch-orientiertem (Punk-)Rock; aber, um es mit Jens Friebe zu sagen, es gibt Hoffnung, es gibt Heilung - in Gestalt zweier Bands aus Kanada und den USA:
Magneta Lane aus dem wie besessen talentschmiedenden Kanada haben gerade bei Paperbag Records eine 6-Song-CD namens The Constant Lover veröffentlicht, die großen Appetit auf ihr für Februar 2006 angekündigtes Full-Length-Album Dancing with Daggers macht. Lexi, Nadia und French (die drei jungen Damen möchten bitte nur mit ihren Vornamen angesprochen werden) geben die Kinks, Sonic Youth, Velvet Underground und Nancy Sinatra als ihre Vorbilder an – hochgesteckte Ziele, die sie schon jetzt souverän erreichen.
Lexis lässig-abgehangene Stimme klingt in ihren besten Momenten wie Debbie Harry als junges Mädchen, die Musik ist voller Power, dabei differenziert zwischen catchy Melodien und rumpelnden Rhythmen pendelnd.
Besonders hervorzuheben auf The Constant Lover sind Kissing Is Easy mit der schönen Zeile „2001 cigarettes / each one to hide her regrets“ und Mare of the Night mit einem wahrhaft hypnotisierenden Gitarrenpart.
Boyskout live:
02.12 Halle @ Thalia
03.12 Berlin @ NBI
04.12 Leipzig @ Früh Auf
05.12 Hamburg @ Hafenklang
06.12 Köln @ Sonic Ballroom
07.12 Münster @ Gleis 22
09.12 Aalborg @ 1000Fryd
10.12 Flensburg @ Volksbad
11.12 Trier @ Exhaus
12.12 Strasbourg @ Molodoi
13.12 Offenbach @ Hafen2
14.12 Gießen, MUK
15.12 Esslingen, Komma
16.12 Nürnberg @ K4 / Ladyfest
17.12 Bielefeld @ AJZ
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Leslie Satterfield (Vocals, Gitarre), Zola Goodrich (Keyboards, Gitarre), Piper Lewine (Bass) und Jesse Rivkin (Drums) sind Boyskout aus San Francisco, die Band gründete sich 2001 eher spontan: Sängerin Leslie bekam einen Auftritt im Vorprogramm ihrer Lieblingsband The Need angeboten – bis zum Konzert blieben ganze drei Wochen, in denen die fix zusammengetrommelten Freundinnen eine Handvoll Songs schrieben und probten. Das Ergebnis ermutigte alle Beteiligten, als Band weiterzumachen. Im letzten Jahr trafen sie auf den Produzenten Jeff Salzman (der schon für Stephen Malkmus und The Killers tätig war), und nahmen mit ihm das nun vorliegende Debütalbum School of Etiquette auf. Boyskout orientieren sich eindeutig an britischen Postpunk- und Wavebands, sie lieben die frühen Cure, Joy Division, Siouxsie and the Banshees, aber auch Elastica und natürlich das Über-Oberrolemodel Kim Gordon/Sonic Youth. Die Band selbst nennt ihren Sound „New Wave Punk Electronica“ und mit dieser Begriffsaufzählung liegen sie ganz richtig.
Die Musik klingt einerseits Achtziger-Jahre-gemäß kühl und distanziert, mit unterschwellig wummerndem Baß, aber Boyskout flechten auch gerne fröhlich flirrende Gitarrenmelodien ein, die an die Go-Go's oder Altered Images (auch eine Band, deren Wiederentdeckung lohnt!!) erinnern, wie zum Beispiel bei Back to Bed. Zu diesem Song gibt es ein sehr sexy Video, aber Jungs müssen draußen bleiben: Textzeilen wie „I'm your Romeo and you are Juliet“ und das boyishe Outfit lassen wenig Zweifel an den sexuellen Vorlieben der Musikerinnen. Ganz deutlich werden sie im letzten Song der Platte, Girl on Girl Action, falls sich doch ein männlicher Fan Hoffnungen gemacht haben sollte.
Leslie Satterfield kann lasziv-verhangen klingen wie Lydia Lunch, besonders deutlich bei leicht düsteren Stücken wie dem Circus Song; New Black ist ein melodischer Oldschool-PostPunksong, treibender Wavebeat mit Frauenstimme in leichter Schräglage; insgesamt eine unwiderstehliche Komination, die auf Albumlänge voll und ganz trägt. Boyskout sind im Dezember auf Tour in Deutschland – ich hoffe, wir seh'n uns!