Angie Reed besitzt viele Talente, so viele, dass sie nach ihrer Zeit bei Stereo Total ihr Alter Ego Barbara Brockhaus entwarf und die geneigte Hörerschaft mit den sexuellen Obsessionen einer Sekretärin unterhielt. The Best of Barbara Brockhaus erschien 2003 und seitdem sah und hörte man nichts mehr von ihr, abgesehen von einem kurzen Auftritt in einem International-Pony-Video.
Angie Reed on Tour:
presented by SPEX
20.01.2006 D-Köln - Prime Club
21.01.2006 D-Frankfurt - Mousonturm Cafe
22.01.2006 CH-Zürich - Helsinki
23.01.2006 CH-Basel - Wagenmeister
24.01.2006 CH-Luzern - Boa Bar
25.01.2006 D-Stuttgart - Schocken
26.01.2006 D-München - Rote Sonne
27.01.2006 A-Wien - Volksgarten Banane
28.01.2006 D-Dresden - Star Club
01.02.2006 D-Berlin - Bastard
17.02.2006 D-Leipzig - Ilses Erika
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Jetzt war es wieder Zeit für ein Werk von Angie Reed herself und XYZ Frequency kommt gerade im richtigen Augenblick: der 17-teilige Wirbel aus Electro, Rock’n’Roll, Disco und jeder Menge haarsträubender Geschichten fegt etwaige Spätherbst-/Winterdepressionen im Handstreich beiseite. Eingerahmt werden die Songs von zwei Versionen des Discosuperhits Hustle a Hustler, am Anfang im Original, am Schluß im Eric-D.-Clark-Remix; Angie ist in groovender Höchstform, „Ain't nothing wrong with your Dingdong / so please don't think it's a sad song / But I found out I belong / to a hustler". Absolutes Studio-54-Niveau.
In Song Nummer drei schlüpft Miss Reed in die Rolle eines siebzehnjährigen Fußgängerzonenpunks, der einer eher unpassenden Leidenschaft frönt: neben „seiner“ Mülltonne landet regelmäßig eine ausgelesene Illustrierte, aus der er hottest news erfährt, „DingsBums bumst Dingsda, es steht so in der Gala“ – nicht nur durch die begnadete Refrainzeile schon jetzt ein Evergreen; übrigens das einzige auf Deutsch gesungene Stück des Albums. Angie Reed liebt Gegensätze sehr, und der Kontrast zwischen Dingsbums und Song Nummer vier, Longest Days in Summertime, könnte kaum krasser sein. Nach authentischem Jugendzentrum-Schrammelpunk inklusive grölender Angie ertönt ein sommerlicher, fluffig-perkussiver Song, der einen auf leichten Schwingen über den Asphalt trägt, den Refrain „Wow! Here! See and smell the longest days in Summertime“ merkt man sich schnell, das entspannte Lächeln im Gesicht hält sich eine ganze Weile. Angie Reed spricht und singt in vielen Zungen, Disco Telefonino ist ein Chicks-on-Speed-Paradestück; Elektroclash auf Italienisch. Extrem lässig-bouncend kommt Ma Cherie, Marjerie daher, die Beats schwingen direkt in den Unterleib, liefern aber genügend zusätzliche Energie, die die Füße dazu tanzen zu läßt. Sehr cool.
Die beste Story liefert zweifelsohne Bend the Truth in the Confession Booth, die Geschichte einer Nonne, die wegen Oralsex mit einer Kollegin exkommuniziert wird und auf verschlungenen Wegen im Paris der Dreißiger Jahre landet – „Then my Life took another twist --- I became a situationist and every night I got pissed!“ – und dazu kann man noch formidabel tanzen, am besten im Achtziger-Indie-Style, zwei Schritte vor, zwei zurück.
Großartig auch die Moritat Dancing Tarantella to a Machine Gun, Angie Reed klingt wie Lydia Lunch, hätte diese einen Funken Humor oder Lebensfreude.
Angie Reed surft durch tausend Stile, singt mit Mario Mentrup einige sexy Duette, hat Leute wie Namosh als Gastsänger und –drummer geladen und dennoch wirkt die Palette der Songs nie beliebig, Lückenfüller gibt es keine. Die XYZ-Frequency bietet sogar für ein paar Instrumentalstücke Platz, besonders gut gelungen ist das fiepende bleepende Cherry Blossom, Angie Reed verlangt den Maschinen alles ab. Die Platte ist eine klare Absage an Langeweile und Stagnation – macht sehr viel Spaß!