Authentische Affen
Anderthalb Wochen ist es jetzt alt, das Debütalbum der Arctic Monkeys. Die ersten Wogen beginnen sich zu glätten, ein guter Zeitpunkt jenseits der ersten Hysterie, mal einen genauen Blick zu werfen.
»Whatever people say, that’s what I’m not« hat sich, wie schon im UK, zu einem veritablen Hit entwickelt. Zwar wurden in Deutschland keine 363.000 Einheiten in einer Woche verkauft, aber immerhin: Das Feuilleton widmete sich mit Inbrunst dem »Phänomen« der Arktischen Affen. Keiner kam an den Sheffielder Jünglingen vorbei. Sogar der lokale »Saturn« pries die Platte in einer Anzeige des örtlichen »Einmal-die-Woche-ist schon-zuviel« Werbeblattes mit den Worten »kraftvoller und grooviger als Franz Ferdinand und Maximo Park«. Nun ja.
Neben diesen üblichen Vergleichen (das originelle Spektrum von: »klingen wie The Jam« bis »wie die Libertines« wurde eindrucksvoll abgegrast), gingen die Reaktionen inhaltlich meist in zwei Richtungen. Die eine setzt sich mit den Arctic Monkeys als Internet- und Graswurzelphänomen auseinander. Natürlich nicht zu Unrecht. Denn die Band stellt ein eindrucksvolles Beispiel modernen Marketings dar. Freie Demos aus jeder Schaffensphase schufen eine bisher selten da gewesene Vorab-Identifikation, die sich auch in den Verkaufszahlen niederschlug. Da kann die Plattenindustrie gepflegt mal drüber nachdenken, ob Mp3s nun wirklich Satan sind. Die andere Reaktionslinie zielt ab auf die Einordnung der Arctics in den Kosmos der neuen Schwemme britischer Rockbands. Hype oder nicht, das ist hier die Frage? Rip-Off oder beste Band der Welt, wie vornehmlich britische Fans in Online-Foren propagieren?
Soviel dazu. Diese Fragen werden sich hier nicht abschließend klären lassen, deshalb widmen wir uns jetzt kurz mal dem Essentiellen: der Musik. Hier wird schnell deutlich, warum sich so viele mitreißen lassen von den vier jungen Briten. Denn sie rocken. Einfach so, ganz unbeschwert. Mit Texten, die thematisieren, was jeder so in jungen Jahren erlebt hat: die Freundin, die einem ausgespannt wird. Der Beziehungsstreit. Die kleinen Niederlagen. Das Ganze gepaart mit kleinen Beobachtungen aus dem trostlosen Alltag einer Industriestadt, die auch jede Stadt ist. Insofern sind sie authentisch, zugänglich und nachvollziehbar. Dazu schreiben sie angepunkte Hymnen, die niemanden mit Herz und Tanzbein kalt lassen können. Sei er auch über 20. Natürlich ist das nichts, was die Welt verändert. Im Großen. Das kann man ihnen aber kaum zu Vorwurf machen. Ebensowenig wie »den Hype«, den zum Beispiel der NME verbreitet (Wer bei Verstand würde Whatever people say, that’s what I’m not zum fünftbesten britischen Album aller Zeiten wählen? Vor den Beatles und The Clash.). Oder die schon einsetzende Legendenbildung.
Wenn man jedoch diesen ganzen Rattenschwanz ignoriert, stellt man fest: das Album ist gepflastert mit vielversprechenden Hits. Manche davon für die Indie-Disco, andere für ruhigere Minuten (ein persönlicher Favorit: »Riot Van«). Eines der unterhaltsameren Alben der letzten Monate. Auch nach dem zehnten Hören (was ja nicht unbedingt die Regel ist in diesen Tagen). Ein guter Anfang also und sicherlich nicht der schlechteste Ausgangspunkt für eine derart junge Band. Amen. Und Gott segne die Arctics.