Jeder kennt den Song "Sunny", aber kaum einer weiß, wer ihn geschrieben hat: Bobby Hebb. Und damit ist auch Bobby Hebb selbst ganz gut beschrieben, als jemand, der (für) die Musik lebt, sich deshalb aber noch lange nicht in den Vordergrund drängen muss. Im März spielte er in Offenbach im Hafen 2, wo das Interview entstand.
Wer ist Bobby Hebb?
Ein kleiner Mann, der versucht Frieden und Liebe zu verbreiten.
Möchten Sie auch etwas zu Ihrer musikalischen Karriere sagen?
Ich bin praktisch mein ganzes Leben lang mit Musik verbunden. Meine Eltern waren beide Musiker und die meisten ihrer Freunde waren Musiker, manche spielten Klassik, manche Jazz, manche Folk. Als ich noch sehr jung war, kam ein Cousin meines Vaters zu uns, er sang und spielte Gitarre und erst viel später fand ich heraus, dass das Leadbelly (amerikanischer Blues-Sänger, 1888-1949, Anm. CS) war. Ich war zu jung, um irgendwas darüber zu wissen. Aber er teilte diese Lieder mit mir und mir war nicht klar, dass ich mich jemals an die Dinge erinnern können würde, die er mir damals erzählte. Ich liebte die Musik.
Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
Man fängt zuerst die Szene ein und die Gefühle der Szene. Es ist für einen Schauspieler oder eine Schauspielerin einfacher, etwas darzustellen und es auf der Bühne oder im Film wiederzugeben. Als Musiker lernt man viel von der klassischen Musik, z. B. die Definition von einigen italienischen Ausdrücken wie fortissimo, andante etc. Man muss wissen, was sie bedeuten, setzt sie um und bringt dadurch die richtigen Gefühle hervor, als ob man ein Bild malen würde ohne Pinsel.
Welches sind Ihre musikalischen Einflüsse?
In den 60ern mochte ich die Sachen von Leonard Bernstein und Clifford Brown. In den 40ern hörte ich Nat King Cole und Louis Jordan, aber auch ein paar authentische Blues Sänger. In den 40ern und 50ern hörte ich Jazz. Ich hörte Klassik. Frank Sinatra war in den 40ern wichtig für mich. Ich mag es wie Frank Sinatra seine Sachen machte. Stan Kenton und … Brahms. Brahms hat mein Herz nie verlassen (Er fängt an zu singen).
Es ist interessant zu hören, dass Sie so eng mit klassischer Musik verbunden sind. Das hatte ich nicht erwartet.
Ja, meine Eltern waren - wie gesagt - beide Musiker. Das Wichtigste für jeden Musikliebhaber ist die Fähigkeit zum Zuhören. Wenn einer wirklich zuhört, macht es keinen Unterschied, welche Musik es ist, solange sie einem gefällt. Ich höre Musik aus verschiedenen Kulturen und ich würde mich schlecht fühlen, wenn es nicht so wäre.
Warum haben Sie Ihre dritte Platte erst nach so langer Zeit veröffentlicht?
Es war nicht die Zeit.
Sie waren zu beschäftigt?
Nein, war ich nicht, ich habe etwas anderes gemacht. Es war nicht der richtige Moment.
Sie haben so viele Lieder geschrieben, warum sind auf dem neuen Album nur zwei Ihrer Songs? (“Sunny“ und „Cold Cold Night“)
Ich wollte eine Geschichte erzählen und da passen manche Lieder gut rein und andere nicht.
"Sunny" war Ihr größter Erfolg.
Das war ein Segen.
Es wurde sehr oft gecovert in verschiedenen Genres. Wie erklären Sie sich den anhaltenden Erfolg und Einfluss des Liedes?
Ich bin ein positiv denkender Mensch und ich interessiere mich für die menschliche Natur und den menschlichen Verstand. Ich war sehr, sehr froh und ich hatte Vertrauen in das Stück, aber ich musste es ausprobieren. Ich habe es vor Publikum gespielt und das Publikum mochte es. Wir testeten das Lied in Japan. Mieko Hirota hat es aufgenommen und es wurde ein Hit in Japan. Dave Pike nahm es auf. Ich wollte, dass jemand anderes den Song aufnimmt, aber das Publikum wollte, dass ich "Sunny" spiele. Ich lachte und sagt "Ich?" Das habe ich nicht für mich, sondern für jemand anderen geschrieben, weil ich nie an mich denke. Aber so ist das passiert.
Was bedeutet Ihnen Musik?
Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann, weil sich das ständig ändert. Aber es ist immer positiv, Musik ist immer Freude.
Also war es nie ein "Beruf" für Sie?
Ich muss nicht spielen. Es geht darum, Musik zu genießen. Ich genieße es, ein Teil davon zu sein. Ich liebe Musik so sehr, dass ich Musik werden möchte.
Wenn Sie auf Ihre langjährige Karriere zurückblicken: Wie hat sich Musikmachen in all den Jahren verändert?
Auf eine andere Art ist es das Gleiche. Aber die Dinge ändern sich alle zehn Jahre. Eine große Veränderung brachte der Wandel der Musikindustrie, das ist einerseits gut und muss akzeptiert werden. Was immer wir tun, wenn wir guten Samen säen, werden wir gute Früchte ernten. Ich kann niemandem vorschreiben, was er tun soll. Ich habe nur entschieden, dass ich helfen will, andere Menschen glücklich zu machen, glücklicher als sie vor ein paar Momenten waren. Das ist mein Job.
Welche zeitgenössische Musik interessiert/fasziniert Sie?
Oh, ja, ich mag zeitgenössische Musik. Ich kann nicht sagen, dass mich eine Musik mehr fasziniert als eine andere. Nimm z. B. eine Band wie die Four Jacks aus Dänemark. Da bin ich neugierig, aber es hängt von meiner Laune ab. Ich kann das nicht voraussagen. Ich genieße es Dinge anzuhören und manchmal genieße ich es anzuhören, was ein Kind sagen will, wenn es schreit/weint. Das ist auch Musik für mich.
Mit wem war es am interessantesten zusammenzuarbeiten?
Ich habe mehr von den Komikern gelernt, mit denen ich zusammengearbeitet habe, als von den Musikern.
Oh, ich wusste nicht, dass Sie mit Komikern zusammengearbeitet haben.
Oh doch, Sandy Baron war ein großartiger Komiker, er war auch Schauspieler und er schrieb den Text für "A Natural Man". Tatsächlich arbeiteten wir an einem Stück, das wir an den Broadway bringen wollten. Und die Texte, die Sandy schrieb, waren Meisterwerke.
Sie sind also mehr von Komikern als von anderen Musikern beeinflusst?
Komiker sind klüger als die Leute glauben. Man muss sehr klug sein, vorzugeben so dumm zu sein. (Lacht)
Sie sind in Zeiten von "Rassenintegration" und dem Aufkommen des "schwarzen Bewusstseins" aufgewachsen (z. B. Martin Luther King, Malcolm X, Black Panther Party). Wie haben Sie diese Erfahrungen beeinflusst?
Als Kind gab es Sachen, die ich nicht verstanden habe, jedoch wurde Integration ausprobiert und ich wusste es nicht, weil die Millers waren Iren und ich weiß nicht, woher die Familie an der Ecke kam, aber sie waren definitiv keine Afro-Amerikaner. Also gab es eine Form von Integration zu dieser Zeit in Nashville/Tennessee. Bevor ich in die Grundschule kam, hörte ich die Grand Ole Opry (berühmte Radioshow in Nashville, die Country spielt, Anm. CS), weil es bei mir um die Ecke war und dort trat der erste Afro-Amerikaner auf. Roy Acuff brachte ihn dahin. Roy Acuff hat damit eine Form von Integration in Nashville begonnen. Aber die Dinge mussten auf einen entschiedeneren Weg gebracht werden und dann kam Martin Luther King. Und ich war froh darüber, weil ich nicht verstanden habe, warum ich im Bus hinten sitzen musste, warum ich einen anderen Wasserbrunnen nutzen musste, warum ich mein Sandwich nur bekam, wenn ich durch die Hintertür ging. Das hat mich alles irritiert, weil ich keine Antworten finden konnte. Wenn ich also zurückblicke, kann ich sagen, die Dinge, die ich nicht verstanden habe, waren die Dinge, die ich nicht mochte. Was aber nicht heißt, dass ich die Leute nicht mochte. Sie empfanden das so und das hat sie verwirrt. Ich bin froh, dass das jetzt Geschichte ist.
Eine letzte Frage: Was war der beste Moment in Ihrer musikalischen Karriere?
Der beste Moment war, als "Sunny" ein Hit wurde und ich ausgewählt wurde, mit den Beatles auf Tour zu gehen.
An dieser Stelle bricht das Interview ab, weil Bobby Hebb zum Soundcheck auf die Bühne muss.
Vielen Dank für das Interview!