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April 2006
Christina Mohr
für satt.org


Yeah Yeah Yeahs:
Show Your Bones

Polydor, Universal 2006

Cover
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Yeah Yeah Yeahs:
Show Your Bones

„Gold Lion, tell me where the light is“ - so lauten die ersten Worte auf dem neuen Album der Yeah Yeah Yeahs, Show Your Bones. Karen O. (= Orzalek) besteht darauf, daß man sie besser nicht fragen soll, was ihre Lyrics bedeuten. Und der konkrete Sinn der Worte, oder gar erklärbare Inhalte der Texte sind in der Tat nebensächlich – die Musik der Yeah Yeah Yeahs wirkt unmittelbar, auch wenn man nicht genau weiß, was hier gerade passiert. Die drei New Yorker hatten sich über ein Jahr lang nicht gesehen, bevor sie sich zu den Aufnahmen zu Show Your Bones wieder trafen – die Begegnung, das neue Zusammensein gestaltete sich intensiv, was sich auf die Platte ausgewirkt hat. Wild, rauh, laut, anstrengend, dann wieder umgarnend, schmeichelnd und sanft – so ist Show Your Bones, der Ausdruck bezeichnet passenderweise den comichaften Moment, wenn jemand mit feuchten Fingern in die Steckdose faßt und man die Knochen leuchten sieht.


Yeah Yeah Yeahs Live:
26.5.06 Immergut Festival Neu-Strelitz
27.5.06 Postbahnhof Berlin
29.5.06 Live Music Hall Köln
30.5.06 Elserhalle München

Die Yeah Yeah Yeahs sind als Gesamtkunstwerk zu begreifen, vom Coverartwork bis zur leidenschaftlichen, oft verstörenden Liveshow, in der Karen O. den Übervamp, das Sexsymbol bis zur Groteske gibt. Gitarrist Nick Zinner fotografiert während der Touren in jeder Stadt das Publikum, in der Vice-Gallery Berlin konnte man kürzlich seine Ausstellung besuchen (Fotobuch „I Hope You're All Happy Now“, erschienen bei St. Martin's Press, New York). Schlüssiges Design spielt eine große Rolle bei den Yeah Yeah Yeahs: Um ein Covermotiv für die neue Platte zu finden, forderte die Band ihre Fans via Website auf, Flaggen zu entwerfen, die den Geist der Band darstellen. Im Booklet finden sich die Modelle, die nicht als Cover ausgewählt wurden – viele Katzenmotive sind darunter. Und wäre es nicht so ein verdammtes Klischee, könnte man behaupten, Miss O. sei durchaus kätzischen Charakters … Aber es ist ein verdammtes Klischee, und deshalb lassen wir diese Vergleiche lieber.

Nach dem Vorgängeralbum Fever to Tell und ihrer ersten EP von 2002 legen die Yeah Yeah Yeahs nun eine Platte vor, für die man kaum einen anderen als den abgedroschenen Begriff „Meisterwerk“ verwenden kann. Die rauhe Mixtur ihrer Anfangstage aus Bluesrock á la John Spencer Blues Explosion und verdrogtem Punk aus dem Royal-Truxx-Universum ist immer noch hörbar vorhanden und bildet das konstitutive Element ihres Sounds, aber den Yeah Yeah Yeahs gelingen nun obendrein unwiderstehliche Melodien – große Songs. Sie haben alle Ingredienzien ihrer Musik separiert, gefüttert, gestärkt und wieder neu zusammengesetzt. Deswegen klingt der Blues nun noch bluesiger, der Rock noch garagiger, der Punk noch energischer, die Stimme kräftiger und sexier. Vergleiche mit Sonic Youth werden bereits jetzt gezogen – das ist wohl ein hochgegriffenes Ideal, aber erreichbar für die Drei. Und wer weiß, was noch alles geschieht.

Mit den Yeah Yeah Yeahs klarzukommen, ist aber nicht ganz leicht, Karen O., Nick Zinner und Brian Chase fordern Dich. Natürlich ist Gold Lion ein eingängiges, hypnotisierendes Einstiegsstück, auch Way Out geht schnell ins Ohr und bleibt dort haften, doch bist Du auch bei Fancy noch dabei, diesem Noise-Blues-Monster? Schwerfällig-schleppende Drums, die Gitarre jault, Karen O. quält sich und Dich, viereinhalb Minuten lang. Phenomena geht wieder in eine ganz andere Richtung, zitiert LL-Cool-J's Phenomenon, unterstützt durch viel Hall, Honeybear zielt geradewegs auf den Indiedisco-Dancefloor, mit seiner rockigen Energie ist dieser Song allerdings nur für sportliche Tänzer geeignet. Cheated Hearts wird, ist Lieblingslied – meins, Deins, von vielen. Dabei könnte man es so leicht durchschauen, das Spiel mit dem gesteigerten Songaufbau, dem wie nebenbei hingesungenen „up a-bo-bo-bove“, aber die Melodie ist so hinreißend, Karen O.'s Stimme klingt so verführerisch, so warm, aber auch schlau und erfahren – dieser Song ist schon jetzt ein Klassiker, um noch so ein abgedroschenes Wort zu benutzen. Auch Dudley ist ein Hit, mit schwelgerischem Achtziger-Keyboardsound, sehr sanft, sehr einnehmend. Mysteries geht straight nach vorne – galoppierender Cowpunk, kontrolliert und entfesselt zugleich. Show Your Bones endet mit drei Balladen – wenn man sie so nennen will. Die schönste erklingt am Schluß, Turn Into bietet Karen O. den größten Raum, es entsteht eine intime und gleichzeitig glamouröse Stimmung. Als wäre man in der Garderobe dabei, wenn sich die große Diva abschminkt und die Bühnenklamotten abstreift. „I know what I know“ singt Karen O. ganz allein am Schluß – yeahyeahyeah, ich auch.