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Mai 2006
Petra Zimlich
für satt.org


Calexico:
Garden Ruin

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Calexico | Iron and Wine: In the Reins
Touchandgo 2005

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Spielfreude pur

Calexico und Iron & Wine
live im Frankfurter Mousonturm
(April 2006)

Bereits Wochen im Voraus war das Konzert von Calexico und Iron & Wine ausverkauft. Der April hatte sich endlich entschieden, ein Frühlingsmonat zu sein, auf der Straße vor dem Mousonturm tummelte sich das gespannte Publikum: Leute über 30, die Calexico seit Jahren treu in die Konzertsäle folgen, um dort zu einer gutgelaunten Mixtur aus Americana und Mariachi-Bläsern ins Tanzen zu geraten. Diesmal konnte man allerdings Neues auf der Bühne erwarten.

Das letzte Album der Band um Joey Burns schlägt nämlich nicht die gewohnten TexMex-Klänge an, setzt nicht die Marke "Vibraphon und Steelguitar plus Mexico" ein, sondern stellt E-Gitarre und Rockelemente in den Vordergrund. Und auch auf dem gemeinsamen Album mit Iron & Wine zeigt sich Calexico neu. Wenn man es genau nimmt, sind Burns, Convertino und Co. hier eigentlich mehr die Hintergrundband für Sam Beam, der sich im letzten Jahr in den USA mit Iron & Wine einen Namen gemacht hat. Er bestimmt durch und durch die Atmosphäre der Platte.

Im Mousonturm glich die noch menschenleere Bühne dem Schaufenster eines wirklich gut sortierten Musikalienhandels. Wer um Himmels willen wollte die ganzen Instrumente spielen? Schon die Zahl der einzelnen Gitarren war beeindruckend. Eines gleich vorweg: Jedes dieser 1000 Instrumente wurde bespielt. Denn nicht umsonst bezeichnet Joey Burns sich und seinen kongenialen Partner John Convertino als "Frankensteins of instruments". Zwei leise Folk-Songs eröffneten den Abend. Sam Beam präsentierte sie mit manchmal fast flüsternder Stimme. Sein Stil ist wesentlich sanfter, reduzierter als der von Calexico. Selbst bei den massigeren Liedern spürte man eine gewisse Intimität. Bei ihm ging es folkig, blues-grassig zu. Im Vordergrund standen die Melodien. Nicht umsonst wird er immer wieder mit Nick Drake oder Leonhard Cohen verglichen. The more simple - the better. Seine Songs begannen mit einer einfach gezupften Gitarre, erst nach und nach kamen Slide-Guitar, Banjo, Bass und Percussion zum Einsatz. Das alles wunderbar verspielt und teilweise zum Luftanhalten. Nach einer Weile komplettierten dann Teile von Calexico das Spiel von Iron & Wine mit Akkordeon, Western-Gitarre oder Gesang. Schließlich standen beide Bands gemeinsam auf der Bühne. Das Alles in fließenden Übergängen. Dazwischen gab der aus dem Norden Mexicos stammende Salvador Duran vier seiner politisch ausgerichteten Stücke zum Besten. Man sah und hörte nicht weniger als die personifizierte Flamenco-Szene Tucsons. Das war nun sicher nicht jedermanns Geschmack, passte aber in das Konzept der offenen Bühne. Calexico schließlich zeigten die ganze Vielfalt ihres Schaffens. Die alten Mariachi-Trompeten kamen genauso zum Einsatz wie voluminöse E-Gitarren. Etwas mehr stand der Gesang im Vordergrund. Die Texte sind politischer geworden. Sicher hatte das nicht mehr das Unverwechselbare früherer Konzerte, die den klassischen Calexico-Sound präsentierten. Aber die Qualität der neuen Songs überzeugte. Und der Mut zur Veränderung hat sich gelohnt. Hatte jemand an diesem Abend eine klare Richtung erwartet: Er wurde enttäuscht. Das Konzert bot von allem etwas: TexMex, sanften Folk und stillen Country, Mariachi-Klänge, Western-Sound, sogar ein bisschen Latin-Jazz oder Desert-Rock. Und genau das war das Besondere des Abends. Völlig ohne Allüren, mit großer Spielfreude, gegenseitigem Respekt und offensichtlicher großer Sympathie standen da eine Menge Musiker auf der Bühne. Es war eine große, fulminante Session, bei der Calexico die Plattform bot für die anderen Musiker. Jenseits des Mainstreams konnte man glaubhaft den Gedanken eines musikalischen Kollektivs auf der Bühne verwirklicht sehen, das virtuos experimentierte und Spaß daran hat. Das Publikum wurde mitgerissen. Hier ging es um die Musik, nicht um persönliche Eitelkeiten. Auf der Bühne Hippies, und das im besten Sinne des Wortes.