Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Mai 2006
Christina Mohr
für satt.org


Psapp:
The Only Thing I Ever Wanted

Domino, Rough Trade 2006

Cover
   » amazon

Psapp:
The Only Thing
I Ever Wanted

Zur Zeit weiß man gar nicht, ob man sich freuen oder überanstrengt zu Boden gehen soll angesichts der großen Menge toller neuer Platten – umso wichtiger ist es daher, nicht den Überblick zu verlieren und etwa versteckte Kleinode hervorzuheben.

Die neue Platte von Psapp, The Only Thing I Ever Wanted ist ein solches Kleinod, dem in der Presse glücklicherweise die gebührende Aufmerksamkeit widerfährt. Psapp sind Galia Durant und Carim Clasmann, kommen aus England und haben sich mit ihrem letztjährigen Debütalbum Tiger, My Friend (erschienen bei Grönland, jetzt wechselten sie zu Domino, sind also Labelmates von Franz Ferdinand, Sons and Daughters und Archie Bronson Outfit) bereits viele Freunde gemacht. Eine größere Öffentlichkeit nahm Notiz von ihnen, als die Macher von US-Fernsehserien wie Grey's Anatomy, Nip/Tuck und The OC die versponnenen Songs von Psapp für die jeweiligen Soundtracks verwendeten.

Und in der Tat eignen sich Psapp-Stücke sehr gut zur Untermalung skurriler Bilder, die von der üblichen Fernsehberieselung abweichen. Aber am Besten wirken Psapp ohne weitere Ablenkung, wenn man sich mit offenen Ohren (und Herzen) den mit Liebe ausgesuchten Details widmet. „We like making music with little noises poking out“ sagen Durant und Clasmann und finden so die zutreffendste Beschreibung für ihren einzigartigen Sound. Anders als Coco Rosie, die man eventuell zum Vergleich heranziehen könnte, weil auch sie gern auf Kinderspielzeugen und anderen ungewöhnlichen „Instrumenten“ musizieren, steht bei Psapp auf ihrer neuen Platte der Song im Mittelpunkt. Wo Coco Rosie kratzbürstig und Jesus-and-Mary-Chain-mäßig ihre lieblichen Melodien dekonstruieren, basteln Psapp aus den „poking noises“ harmonische Songs – hier ein kleiner Shuffle, eine Trompete, ein Tier, eine Tür – und heraus kommt ein zarter Ohrwurm wie zum Beispiel Hi, passenderweise das erste Stück auf The Only Thing … Galia Durants warme, freundliche Stimme sorgt dafür, daß Psapp ihren Hörern ganz nahe kommen, ohne sich aufzudrängen. Einzelne Songs besonders hervorzuheben, wäre unfair den anderen gegenüber, denn schön sind sie alle.

Aber vielleicht doch: This Way beginnt mit Geräuschen, die entstehen, wenn man Kieselsteinchen mit einem groben Besen wegkehrt, ganz sachte gesellt sich eine Geige dazu und formt mit den von ferne erklingenden Vocals eine entrückte, zauberhafte Stimmung. Tricycle ist eigentlich ein ganz melancholisches Lied, das von munter gestrichenen Saiten und kleinen trabenden Hufen (?) getragen wird und so insgesamt eher heiter als traurig wirkt. Hill of our Home ist eine Ballade übers Weggehen und Erwachsenwerden, Make Up wird von warmen Pianoklängen begleitet … und so kann man zu jedem einzelnen Stück auf The Only Thing … Besonderheiten herauspicken.

Einflüsse gibt es viele, Psapp hören bestimmt gerne The Cure, Laika und Erik Satie, ihre Liebe zu ungewöhnlichen Klängen und abseitigen Geschichten hebt Psapp aus dem Popumfeld heraus, das sie hingegen ungemein bereichern. Zur Musik von Psapp möchte man auf den Dachboden gehen und in alten Fotos kramen, man möchte sofort nach Cornwall ziehen und 25 Katzen um sich scharen oder in einen Club gehen, um dort Alice im Wunderland zu lesen.