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Mai 2006
Christina Mohr
für satt.org


Radio 4:
Enemies Like That

Labels, EMI 2006

Cover
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Radio 4:
Enemies Like That



Radio 4

Radio 4 sind:
Anthony Roman – Baß, Gesang
Dave Milone – Gitarre, Gesang
Gerard Garone – Gitarre, Keyboards
P.J. O'Connor – Percussion, Gesang
Greg Collins - Schlagzeug

Foto: Chris Cassidy

Bei manchen Bands weiß man erst, wie sehr man sie vermißt hat, wenn sie sich mit einer neuen Platte zurückmelden. Radio 4 hatte ich 2003 beim Monsters-of-Spex-Festival in Köln gesehen, der Eindruck, den die Band damals machte, wirkt bis heute nach: Radio 4 spielten in der Abenddämmerung, sahen in schwarzen Hemden beeindruckend und sexy aus – und befeuerten die Menge mit ihrem druckvollen Percussionwave derart, daß es die nachfolgenden Bands, zu denen auch Franz Ferdinand gehörten, verdammt schwer hatten, die Begeisterung aufrecht zu erhalten. Seit ihrem letzten, ein wenig überproduzierten Album Stealing Of A Nation sind nun fast zwei Jahre vergangen, und Radio 4 fehlten scheinbar nicht so wirklich. In der Zwischenzeit schossen -zig Bands aus dem Boden, die wie die fünf Brooklyner Wave, Funk und schmissige Refrains zusammenrührten und man fühlte sich immer gut versorgt, zuletzt auf grandiose Weise von den Infadels.

Aber jetzt ist Radio 4's neues Album Enemies Like That fertig – und wow! - schnell wird klar, daß doch was fehlte! Der Titeltrack und gleichzeitige Opener zeigt nach wenigen Sekunden, wo es langgeht: Radio 4 featuren Gitarrensound á la The Cult und A Flock of Seagulls mit ordentlich Hall, dazu gibt's stakkatohaften Drumsound und eine eingängige Melodie – voilá, Radio 4 sind zurück, alive and kicking! Natürlich sind die bekannten älteren Songs wie Party Crashers und Dance to the Underground die Blaupause für den unverwechselbaren Radio-4-Sound, aber die Band will nichts verbergen oder abschütteln. Sie haben ihren Sound verfeinert, hier ein unnötiges Detail weggelassen, dort nochmal nachgebessert. This Is Not A Test, für mich der stärkste Song des Albums, ist ein wilder, fünfminütiger Tribalfunk- Drum- und Percussionrausch, der live mit Sicherheit noch mitreißender wirken wird. Dieses Stück vereint alle Vorbilder und -läufer von Radio 4, zum Beispiel The Gang of Four, Konk!, Haircut 100, klingt aber nicht nach den frühen Achtzigern, sondern verdammt nach heute. Auch Always A Target geht direkt in Hüfte und Magengrube: Die steilen Baß- und Gitarrenläufe machen diesen Song schon jetzt zu einem Dancefloor-Classic.


Radio 4 Live:
24.5. Köln - "Intro Intim" - Gebäude 9
25.5. Berlin - "Intro Intim" - Lido
26.5. Neustrelitz - Immergut Festival

Aber Radio 4 sind nicht nur für ihre heftig tanzbaren Rhythmen bekannt, die Band steht außerdem für political awareness und aufrührerische Lyrics, die sich einmischen. Auf dem neuen Album wollten Radio 4 weniger in Slogans texten, sondern mehr persönliche, poetische Momente einfließen lassen. So verweist der Titeltrack auf Feinde, die weniger politisch zu sehen sind, hier geht es um den Feind im eigenen Bett, aus der Nachbarschaft oder der Familie. Andere Songs beschäftigen sich mit dem Hurricane-Katrina-Desaster oder verquicken militärisches Vokabular mit Liebeserklärungen (Everything's in Question).

Ascension Street basiert auf einem düsteren, schleppenden Reggae-Rhythmus, ein bißchen wie Ghost Town von den Specials. Der Song kritisiert die grassierende Gentrification in Brooklyn, die viele Straßen für ärmere New Yorker unbewohnbar macht.

Die Produktion von Jagz Kooner, der auch schon für Kasabian und Primal Scream tätig war, sorgt für ein insgesamt sehr rockiges Auftreten von Radio 4, die Platte klingt teilweise sehr „stripped“, aber vollmundig und auf-den-Punkt. Am Besten sind Radio 4 nach wie vor, wenn sie tüchtig Hall, Dub und Dancehall mit ihrem messerscharfen Gitarrensound verschmelzen. Dann sind sie so sehr NY wie niemand sonst.