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Das Projekt von Dirk von Lowtzow (Tocotronic) und Thies Mynther (Stella, Superpunk) geht also in die dritte Runde, und natürlich bleibt man bei Phantom/Ghost dem eigenen Mantra treu: verschlüsselte, traumhafte Texte, sparsame elektronische Instrumentierung (im vorliegenden Fall tritt auch mal Mynthers altmodisches Klavier in den Vordergrund) und der gewöhnungsbedürftige englische Gesang Dirk von Lowtzows. Anders aber als beim Vorgängeralbum „To Damascus“ haben die beiden jeden Popappeal über Bord geworfen und widmen sich uneingeschränkt ihrem Faible für das Kunstlied. „Three“ ist ein Hörspiel, angesiedelt im dunklen Wald eines E.T.A. Hoffmann, im Unterholz, unter den hohen Tannen fernab der Lichtung, wo Fledermäuse den Himmel für sich haben und Hexen singend ums Feuer tanzen. Beim Opener „Tannis Root“ (Anspielung auf die Tanniswurzel aus „Rosemary’s Baby“) zirpen schon bald Vögel und hört man im Hintergrund ein (vermutlich elektronisch erzeugtes) Lagerfeuer knistern. Es geht um Romantizismus, das gesamte Inventar der Gothicwelt tritt auf, inklusive Geister, Hexen, Teufel, schwarzer und weißer Magie.
„Relax It’s Only A Ghost“ werden wir schon beim zweiten Titel belehrt, wobei die Melodie tatsächlich an den Superhit von Frankie Goes To Hollywood angelehnt zu sein scheint, nur in eine andere Tonart versetzt; ein Prinzip, dass bei „Willow“ wiederholt wird, dem das Album beschließenden Song, der stark an – man mag es kaum sagen – „99 Luftballons“ erinnert. Vielleicht ist das ja auch eines der Phantom/Ghost-Mantras: Wir zeigen der Masse mal, was man aus ihren Liedern noch so machen kann. Schließlich haben Mynther und von Lowtzow ja auch „You’re My Mate“ von Right Said Fred gecovert, was für eine gesunde Selbstironie spricht.
Phantom/Ghost Live: 20.05.06 München, Kammerspiele/Neues Haus 21.05.06 Mannheim, Alte Feuerwache 22.05.06 Frankfurt/M., Mousonturm 23.05.06 Berlin, Volksbühne/Roter Salon
26.05.06 Neustrelitz, Immergut Festival 26.08.06 Köln, Pop Festivalzentrale
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Bei „All Is Hell“ klingt von Lowtzow endgültig, als würde er gerade aus einer Kneipe wanken und Trinklieder singen, wobei er aus lauter Lust alle Fremdsprachenkenntnisse flöten gehen lässt, was sich in den anschließenden „A Blush“ und „Far From The Madding Crown“ fortsetzt. Mindestens letztgenannten Titel könnte man für eine vorgezogene Selbstverballhornung halten, so wie hier der Gesang plötzlich in mittelalterliches Geknödel umschlägt - der Kritik immer einen Schritt voraus. Die wunderbare Metapher „Open Book In A Dead Language“ könnte auch zur Selbstbeschreibung von Phantom/Ghost taugen, mit dem Unterschied, dass das Duo dieser toten Sprache nicht unwesentlich Leben einhaucht.
Noch schöner wäre „Three“ vielleicht als deutschsprachiges Album geworden. Aber auch so gibt es im Moment keine vergleichbare Band. Für mich ist Dirk von Lowtzow spätestens jetzt die männliche Inkarnation von Christa Päffgen alias Nico. Und dass Phantom/Ghost mit „Willow“ eine Ode an die lesbische Figur aus „Buffy“ geschrieben haben, dürfte nicht nur Joss Whedon-Fan Dietmar Dath sehr freuen.