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Juni 2006
Claudia Seib
für satt.org


Uptight
Frankfurt Soul Weekend, 19.-21. Mai 2006

Uptight
Frankfurt Soul Weekend,
19.-21. Mai 2006



Mr. Groove, Andreas Knauf und Matthias Westerweller

Mr. Groove, Andreas Knauf
und Matthias Westerweller
Foto: Alexander Kempf

Put on your Sambas and dance!

Zwei Mal im Jahr wird Frankfurt zur Soul-Hauptstadt Deutschlands. Jetzt ist es wieder soweit und "Mr. Groove", Andreas "Atze" Knauf und Matthias "Weller" Westerweller luden vom 19.-21. Mai zum Frankfurt Soulweekender Uptight (benannt nach einem Lied von Stevie Wonder) ein. Drei Abende und Nächte lang Soul: von Northern bis Modern, von den 60ies bis heute.

Die Tradition des Allnighters oder Weekenders kommt aus England, wo man den Northern Soul "erfand" und vergleichbar mit den Raves der 90er die Nächte durchtanzt. Und: "Tanzen ist wichtig", sagt Matthias dann auch im Laufe des Gesprächs und das trifft selten besser zu als beim Soul Weekender. Bereits um Mitternacht ist der Dancefloor gut gefüllt. Man merkt schnell, die Leute kommen, um zu tanzen und die Musik zu genießen. Ohnehin ist Bewegung in der Soul-Szene wichtig. Nicht selten reist der "echte" Soulie ein paar (viele) Kilometer und überquert Ländergrenzen, um ein Wochenende voll mit wunderbarem Soul zu erleben. Und die Frankfurter Uptight kann sich sehen lassen: "Ich habe jetzt von verschiedenen Engländern, die regelmäßig nach Frankfurt fahren und die die Uptight wahnsinnig hochschätzen, gesagt bekommen, dass es für sie ganz, ganz großartige Veranstaltungen sind und dass sie das z. B. höher bewerten als Rimini (wichtiger italienischer Soul-Weekender, Anm. CS). Wobei das einen sehr hohen Stellenwert hat, es sind furchtbar viele Engländer in Rimini. Man darf da sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Ich glaube, wir haben mittlerweile schon eine sehr, sehr feine Sache geschaffen, die auch Atmosphäre hat. Gottseidank nicht mehr nur alle mit der Bierflasche und der Zigarettenkippe auf der Tanzfläche, Gottseidank nicht mehr ein Scherbenmeer usw. usf. Es ist schon auch ganz guter Standard hier mittlerweile." (Gerhard)

Doch wie hat das alles angefangen?

Andreas: Der Uptight-Soulallnighter wurde 1999 von Gerhard, Torsten Eichler (Tighten Up) und mir aus der Taufe gehoben. Die erste Veranstaltung war eine One-Room-Veranstaltung auf der Insel in Niederrad.

Gerhard: Gespielt wurden 60ies und 70ies. Alles war erlaubt.

Andreas: Weil es ziemlich erfolgreich war, haben wir weitere Veranstaltungen gemacht und sind schließlich ins O25 gewechselt.

Gerhard: Wobei wir uns erst überlegt hatten, mit wem wir zusammenarbeiten könnten, weil das mit der Insel überhaupt nicht gut funktioniert hat, das ist sehr unprofessionell gelaufen. Da sind auch einige Tricksereien gelaufen, finanzieller Art, wie wir später erfahren haben, die uns gegenüber nicht ok waren.
Ich habe Anfang der 90er Jahre mal mit der Batschkapp zusammengearbeitet im Rahmen der dortigen Soul-Allnighter und so sind wir auch an die rangetreten und haben versucht, diese alte Tradition wieder aufzubauen, aber das hat sich dann schnell als nicht machbar erwiesen. Die waren nicht flexibel genug.

Andreas: Na ja und der Scheffler hat mich mit dem Zitat begrüßt "Schneid dir erst mal die Haare". Deswegen bin ich da damals ziemlich wütend rausgegangen.

Gerhard: Sie haben uns dann doch noch mal angeboten, das Ganze dort zu machen, aber wir hatten uns inzwischen mit dem 025 geeinigt, wo wir zwei Mal im Jahr in zwei Räumen die Uptight veranstaltet haben.

Andreas: Mit der Zeit ist der Modern-Raum auch gewachsen und im Zuge dessen haben wir dann den Matthias mit ins Boot genommen. Vor zwei Jahren sind wir ins Robert Johnson gewechselt. Von den Räumlichkeiten her unser bester Veranstaltungsort. Und seitdem feiern wir zwei Mal im Jahr im Robert Johnson.
Der Soul-Allnighter hat sich im Laufe der Zeit von einer Ein-Tages-Veranstaltung zu einer Drei-Tages-Veranstaltung entwickelt, das heißt wir haben eine so genannte Warm Up-Veranstaltung, die freitags stattfindet und eine Ausklingveranstaltung, die sonntags stattfindet. Der Sonntag wird dann von Sundae gehostet. Und freitags ist es die Tighten Up-Fraktion.

"Tanzen ist wichtig" (Matthias)

Wer Soul sagt, meint auch tanzen. Der Frankfurter an sich steht ja gerne mal cool neben oder auch auf der Tanzfläche rum. Denn die füllt sich erfahrungsgemäß erst ab 2 Uhr und vorher traut sich kaum einer zu tanzen. Solche Probleme kennen die Soulies nicht. Denn: Je mehr Platz umso besser. Der Northern Soul hat einen sehr sportlichen Tanzstil hervorgebracht mit Handstand und Backspin. Das verlangt einigen Platz, weshalb Allnighter in England auch in großen Hallen stattfinden. Die Hallen fassen vielleicht 1500 Personen, da sind 350 und "alles ist am Tanzen, und es ist eine wahnsinnige Stimmung da. Da gelten auch andere Gesetze insofern, dass nicht nur unbedingt eine volle Party eine gute Party ist. In Deutschland ist das ja eher so, dass es knackig voll sein muss, dann hat auch der normale Besucher das Gefühl, er hat 'ne gute Party besucht." (Andreas) In England haben alle ihr Täschchen dabei für ein frisches Hemd und Talkum (kennt man aus dem Sportunterricht, das streut man auf den Boden, um besser zu rutschen). Aber England ist nicht Deutschland, schon gar nicht Frankfurt. Und so erwartet niemand akrobatische Einlagen von den Tanzenden. Dennoch: Soul-Musik kann man am besten durch das Tanzen erfahren, da sind sich die drei einig. Und: "Wenn man Spaß dran hat, soll man hüpfen, mir doch egal." (Gerhard) Einen bestimmten Dresscode gibt es für die Northern Soul-Anhänger nicht, auch wenn sich Subkulturen gerne mal auf Kleidercodes stützen. Aber wer sich schon so lange in der Szene bewegt wie Gerhard, kann doch das ein oder andere Detail ausmachen, das einen Soulie kennzeichnet: "Da läuft dann einer mit Adidas Sambas und mit einem bestimmten Hemdchen an, und da denkst du, das würde schon zu ihm passen."

Warum der Ortswechsel ins Robert Johnson?

Matthias: Die Veranstaltung lief gut im O25, aber die Räumlichkeiten waren nicht ideal. Also mir ging es zumindest so, als ich dann mit drin war und im Modern Room aufgelegt habe. Die Tanzfläche war zu klein und da das Lager hinter der Tanzfläche liegt, mussten die Thekenkräfte immer wieder durch. Außerdem war die Anlage sehr schlecht. Da ich mit Ata vom Robert Johnson zusammenarbeite, habe ich mal nachgefragt und der war auch gleich einverstanden.

Hat das jetzt was geändert, auch im Vergleich zum O25?

Gerhard: Am Anfang hatten wir weniger Publikum. Mittlerweile hat sich das geändert. Wir sind von der eigentlichen Idee, eine Veranstaltung für Frankfurter in Frankfurt zu machen, ein bisschen abgekommen. Vielleicht auch durch diesen Umzug nach Offenbach. Wir leben sehr von den Gästen, die von auswärts kommen und die langfristig planen nach Frankfurt bzw. Offenbach zu kommen, um den Soul-Weekender mitzuerleben.

Andreas: Das wird ziemlich kontrovers in der Gruppe diskutiert. Die Veranstaltung hat sich tendenziell emotional von Frankfurt wegbewegt. Ich finde aber, wir müssen unbedingt dafür Sorge tragen, dass die Veranstaltung auch weiter eine Party für Frankfurter ist.

Matthias: Ich finde, wenn das Angebot angenommen wird, dann ist das egal, ob jemand aus Frankfurt, aus Hamburg oder aus Offenbach kommt.

Andreas: Für mich war es immer wichtig, dass es auch eine regionale Party ist, die hier fest verankert ist im Partykalender.

Gerhard: Die Leute, die das mögen, kommen auch. Du merkst wie vielen Leuten das wichtig ist, und wie vielen das, nicht mehr wichtig ist, wenn es ein paar Kilometer außerhalb ist.

Andreas: Auch diese Musik macht Wellenbewegungen mit, hängt vom Hipnessgrad ab. Als wir angefangen haben, gab es kurz danach einen Peak, als es ziemlich angesagt war, Soul zu hören. Das ging einher mit Features über Mods in der Bravo oder die Britpop-Phase. Da wurde ziemlich viel Soul gehört und Bands wie Oasis haben auf den B-Seiten ihrer Singles eins zu eins Northern Soul-Lieder aufgenommen. Das wurde auch in der jeweiligen Szene gefeatured. Da gab es einen größeren Zuspruch von Gruppen, die heute nicht mehr so einen Zugang haben zu der Musik. Damals war das Einzugsgebiet der musikalischen Gruppen größer. Ich sehe heute keinen Britpopper mehr auf unserer Veranstaltung und damals wurde auf Britpop-Veranstaltungen auch Northern Soul gespielt.

Ist Frankfurt eine Soulstadt, gerade auch im Vergleich zu anderen Städten.

Gerhard: Es gibt immer Leute, die Soul hören, die Soul sammeln, das alles zusammenzukriegen, ist hier viel, viel schwieriger als sonstwo, weil das Rhein-Main-Gebiet so wenig homogen ist wie kaum ein anderes Gebiet Deutschlands. Denn im Umkreis von München konzentriert sich alles auf München, aber im Umkreis von Frankfurt ist das eben nicht klar, dass man nach Frankfurt geht, nein, man geht nach Wiesbaden, nach Mainz, nach Darmstadt, nach Gießen, nach Aschaffenburg usw.

Andreas: Ich glaube, dass in Frankfurt im Laufe der Zeit die Retro-Subkulturen verschwunden sind. Subkulturen gibt's hier ja immer, die Techno-Subkultur, die House-Subkultur usw. Die ganzen Retro-Subkulturen genießen keinen hohen Stellenwert in Frankfurt im Vergleich zu den etwas größeren Städten. In Hamburg zum Beispiel sind die Retro-Subkulturen von Musikern besetzt, die durch ihre Punkphase gegangen sind und heute Soul hören. Gleichzeitig sind diese Leute aber auch in der musikalischen Landschaft in Hamburg fest als Musiker etabliert und haben eine gewisse Definitionsmacht. Wenn Superpunk sagt, Soul ist gut, dann finden das schon 100 Leute in Hamburg gut. Das ist uns hier vollkommen abhanden gekommen, weil wir vielleicht auch in keiner Retro-Subkultur eingebunden sind.

Matthias: Man muss auch sehen, dass in den letzten Jahren, bestimmte Musikstile etwas populärer geworden sind, der ganze Gitarrenboom, der sich nicht mehr auf die 60ies bezieht, sondern auf die 80er wie zum Beispiel Les Yper Sound zeigen.

Andreas: Ja, genau, das ist das, was ich mit Wellenbewegung meinte, heute geht Indie nicht mehr mit Soul Hand in Hand. Das ist bei Blur und Oasis Hand in Hand gegangen, heute geht die Bewegung mit Punk und New und No Wave zusammen und es wird irgendwann die Phase kommen, wo man sich wieder auf Soul beziehen wird.

Es gibt also keinen Soul-Nachwuchs?

Gerhard: Haben wir auch. Ich bemerke, dass immer wieder junge Leute mit Platten kommen und die lassen wir auch auflegen. Das muss man fördern und die Leute ein bisschen mit einbeziehen. Und wenn die Leute ihr eigenes Ding machen wollen: umso besser, sollen sie auch machen. Ich denke schon, dass was nachkommt. Vielleicht keine Massenbewegung mehr. Aber die Musik wird nicht untergehen.

Andreas: Aber der Nachwuchs hat es teilweise sehr schwer, da die alten Leute, da zähle ich mich auch dazu, immer noch so ein Platzhirschverhalten haben. Wenn einer anfangen würde in irgendeinem Keller Soul zu spielen und der nur mit Kent-Samplern (führendes Re-Issue-Northern Soul-Label, Anm. CS) auflegt, dann würde unsereins die Nase rümpfen. Man hat früher mehr zugelassen als heute. Die Alten tun sich sehr schwer, wenn Neue, Junge anfangen und dies vielleicht mit Mitteln tun, die man vor 20 Jahren benutzt hat und die man heute nicht mehr sehen kann, wie wenn dann einer einen Kent-Sampler auspackt, den man vor 20 Jahren schon seiner Oma schenken wollte. Man sollte es aber in jedem Fall immer zulassen. Wir machen das. Gerade der Freitag ist eine Plattform, wo wir alle Leute auflegen lassen, wo Leute ihre top teuren, ihre top raren Platten auflegen und gleichzeitig aber jemand mit Kent-Samplern auflegen kann.

Wie seid ihr selbst zum Soul gekommen? Wie habt ihr selbst euren ersten Allnighter erlebt?

Andreas: Mein erster Soulallnighter war ein Batschkapp-Soulallnighter. Ich denke, dass ihn der Gerhard organisiert hat. Das ist eines meiner Schlüsselerlebnisse gewesen und das war 1987. Ich weiß nicht, ob du das warst?

Gerhard: Nein.

Andreas: Es war am Fastnachtsamstag und brechend voll. Ich bin eher unbewusst reingelaufen und wollte mal wieder ein bisschen Indie-Musik hören und dann lief da komplett andere Musik. Ich habe die Musik noch nie in einer großen Halle gehört und habe noch nie so viele Menschen dazu tanzen sehen. Vor allen Dingen auch die Art zu tanzen, hat mich beeindruckt und ab diesem Tag war ich tatsächlich stark auf dem Film.

Gerhard: Ich habe eine völlige Überdosis bekommen als ich 1990 nach Great Yarmouth gefahren bin, da waren so viele große Live-Acts, große Stars. Es war ergreifend. Ich habe das überhaupt nicht verarbeiten können, viel Bier getrunken und bin dann früh ins Bett gegangen, weil es einfach zu viel für mich war. Das war am ersten Abend, am zweiten war es schon besser. Es war unglaublich und ich kam mir so klein und unwichtig und so blöd vor.

Was wäre euer Traum Line-up?

Matthias: Ich habe noch nicht all zu viele Soul-Acts live gesehen. Man spricht ja dann ganz oft von einem Künstler und weiß nicht, ob der jetzt heute die gleiche Form hat oder genauso toll ist. Bobby Womack fände ich super, aber ich kenne auch nur Berichte von seinen Konzerten. Es gibt ganz sicher noch ganz, ganz viele zu entdecken, die interessant sind. Denn es gibt in jedem europäischen Land, sei es in Schweden, in Frankreich, in Italien lauter Leute, die tolle Platten haben und toll auflegen können.

Gerhard: Ich würde nach dem Jackie Wilson-Konzert auflegen als Übergang zu Marvin Gaye.

Andreas: Da kann man eigentlich fast nichts hinzufügen. Ein präferiertes DJ-Line Up hätte ich nicht. Also eher ein paar Soul Künstler, die man vielleicht gerne noch mal sehen würde.

Gerhard: Wenn wir gerade von Line Up sprechen, wir sind alle drei sehr stolz drauf, wer alles für kleines Geld nach Frankfurt kommt und hier auflegt, das ist schon großartig und das werden wir auch in Zukunft so weiterführen. Wir wollen möglichst wenig feste DJs haben, immer mal wieder in alle Richtungen schauen, da gibt's so viel wirklich Interessantes und das wollen wir uns nicht selbst verbauen und möglichst viel herholen. Und das ist uns bisher wirklich ganz gut gelungen.

Da kann man Gerhard nur beipflichten. Denn sowohl für DJs als auch Besucher steht klar die Musik im Vordergrund und die ist wirklich fabelhaft. In Frankfurt hat man sonst kaum die Möglichkeit, eine derart upliftende und auch musikhistorisch interessante Reise durch die Welt des Soul zu machen. Und das für wenig Geld! Mit gerade mal 9 Euro für die Samstagsveranstaltung im Robert Johnson bekommt man ein umfangreiches und exzellentes Line Up auf zwei Floors geboten. Also schnell noch ein paar Tanzschritte üben und dann sehen wir uns am Uptight-Wochenende!