Jim Avignons Bilder nicht zu kennen, ist eigentlich unmöglich, es sei denn, man interessiert sich wirklich kein Stück für moderne Kunst. Avignon ist bekannt als „schnellster Künstler der Welt“, so malt er pro Tag ungefähr fünf Bilder, insgesamt 15 000 dürften es inzwischen sein. Und ein Maler für die kleinen Leute ist er auch: vor einigen Jahren konnte man in der Frankfurter Schirn für 15 Mark pro Stück einen echten Avignon mit nach Hause nehmen. Jim Avignon ist nicht nur schnell, sondern auch ein wahrer Workaholic und das Malen alleine genügt ihm nicht. Als Neoangin macht er Elektropop und tritt gerne gemeinsam mit der Einmannband Nova Huta auf. Die beiden nahmen zum Beispiel eine EP mit The-Cure-Coverversionen auf („Jumping on Someone Else's Train“), die Kultstatus erreichte.
Jim Avignon a.k.a. Neoangin ist ein freundlicher Mensch, nicht ohne Grund heißt einer seiner Songs „I'm a friendly dog in an unfriendly world“; gemeinsam mit Fehmi Baumbach hat er im letzten Herbst die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe „Who is afraid of a friendly capitalism“ ins Leben gerufen. Nun will Avignon Berlin verlassen, um sich in New York niederzulassen – und damit der Abschied nicht so schwer fällt, interläßt er seinen deutschen Fans die CD-Buch-Kombination „Scratchbook“. Diese enthält ein hundertseitiges Booklet mit vielen Zeichnungen Avignons und eine CD mit 26 Songs. Avignon gelingt das Kunststück, sich nie zu wiederholen: Die Stücke sind alle unter zwei Minuten kurz/lang, in dieser Zeit muß alles gesagt und gesungen sein. Dennoch wirkt die straffe Aneinanderreihung der Songs nicht gehetzt oder beliebig, Avignon jongliert virtuos mit tausend Stilen, von Barmusik bis Elektropunk geht alles. Laut eigener Aussage empfand Avignon sein letztes Album „Unhappy House“ als zu überproduziert, er wollte zurück zu einem einfacheren, reduzierten Sound. Er kaufte sich ein paar gebrauchte elektronische Instrumente, um darauf seine kurzen, knappen Popartskizzen zu komponieren. Bei einigen Songs wird er von Chris Imler unterstützt, der für kreatives Chaos sorgt. Das „Scratchbook“ benötigt eigentlich keine anpreisenden Worte, es ist ein liebenswertes, liebevoll gemachtes Produkt und verkörpert konsequent einen „friendly capitalism“.