Ernstzunehmender Indielärm
Die neue CD von ernst
Ob man die neue Blumfeld-Platte nun gut oder schlecht findet, ein Verdienst wird man Blumfeld und den deutschen Bands ihrer Generation nicht mehr absprechen können: Seit ihren ersten Platten ist es zum Normalfall geworden, dass deutsche Bands deutsche Texte machen. Natürlich kommt dabei immer noch viel Scheiß raus, vielleicht etwas weniger als früher bei den englischen Texten – aber dadurch, dass heute viel mehr Bands in der ganzen Republik deutsche Texte schreiben, ist doch die statistische Chance gestiegen, dass dabei öfter was Ernstzunehmendes dabei ist.
Das heißt auch, dass man den Blick auf der Suche nach relevanten neuen Bands nicht mehr sklavisch Richtung Hamburg richten sollte. Sonst läuft man womöglich Gefahr, dass einem Konsens-Rock à la Kettcar als der letzte heiße Scheiß aus dem mittlerweile längst touristikbroschürentauglich gewordenen „Underground“ der Hansestadt verkauft werden.
Eher aus dem Süden Deutschlands kommt eine Band, die soeben ihre zweite EP veröffentlicht hat und sich der Schlüsselrolle von Blumfeld für die eigene Musikersozialisation durchaus bewusst ist (man kann ihre Mitglieder schon auch mal außerhalb der Bühne mit „Blumfeld“-T-Shirt antreffen): ernst. Zwar ist der Name nicht Programm – das Trio aus Thomas Brand (Bass), Claus Brechenmacher (Schlagzeug) und Oliver Ernst (Gitarre und Gesang) hat sich einfach nach dem Familiennamen seines Frontman benannt –, dennoch gehört diese Band zu den ernstzunehmenden Newcomern.
Es ist beeindruckend, wie konsequent sich die Band seit ihrer ersten 5-Track-CD „Leben im Prolog“ (2004) musikalisch weiterentwickelt hat. Und zwar in Bereiche, für die mir in der deutschen Musikszene jetzt auf die Schnelle keine Parallelen einfallen. Die erste Veröffentlichung war im eher beschaulichen Gefilde zwischen „Blumfeld-Swing“ (Christina Mohr) und Postrock-Meditationen angesiedelt. Die sechs neuen Songs auf „Ganz hinten im Glück“ fühlen sich nicht nur ungefähr doppelt so schnell an wie die alten – ernst gehen hier auch mit einer Lust an Dissonanz, kantigen, New-Wave-artigen Beats und lärmenden Gitarrenfeedbacks zu Werke, die eher an großartige US-Bands wie die Yeah Yeah Yeahs oder Pretty Girls Make Graves denken lassen. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass das Coverfoto in New York aufgenommen wurde. Ernst zeigen jedenfalls, dass die alte Blumfeld-Formel „amerikanischer Indierock meets deutschsprachige Lyrik“ nichts von ihrer Wirkungsmacht verloren hat, wobei „Ganz hinten im Glück“ in seinen brachialen Momenten um einiges mehr knallt, als es jede Blumfeld-Platte je tat. Wenn das live so gut kommt wie auf dieser hervorragend produzierten Platte, kann ich nicht nur die Bestellung der CD, sondern auch den Besuch eines ernst-Konzerts im Club eures Vertrauens wärmstens empfehlen.