Foto: Patrick Roques © 2004 |
Penelope Houstons musikalische Laufbahn ist lang und beeindruckend: 1977, also mit 19 Jahren war sie Sängerin der Avengers, einer der amerikanischen Punkbands erster Stunde. The Avengers waren Vorband der Sex Pistols bei deren legendär-berüchtigtem Winterland-Konzert, als Johnny Rotten die unvergeßlichen Worte sprach: „Ever got the feeling you've been cheated?“. Sie spielten mit den Go-Go's, X, Tuxedo Moon und den Dead Kennedys, Pistols-Gitarrist Steve Jones war ihr Produzent. The Avengers nahmen während ihres zweijährigen Bestehens nur eine reguläre EP auf, ihr späterer kultischer Ruhm nährte sich in erster Linie aus den vielen Bootlegs, die bei ihren Auftritten entstanden. Die Band um Penelope Houston stand für zornigen, antiamerikanischen Punkrock, wütende Stücke wie „The American in me“, „We are the One“ und „I'm a Teenage Rebel“ sind zu Klassikern ihres Genres geworden.
Nachdem sich die Avengers aufgelöst hatten, nahm Penelope eine Auszeit. In den frühen neunziger Jahren tauchte sie wieder auf: als Solosängerin mit einer deutlichen Vorliebe für Folkmusic. Mit Platten wie „Birdboys“ und „The Whole World“ wurde sie zur Ikone des San-Francisco-Newfolk – doch Penelope Houston war nicht weniger zornig als früher, sie hatte lediglich ihr musikalisches Spektrum erweitert. Ihre Lyrics waren wie gewohnt böse und scharfzüngig, Songs wie „Glad I'm a Girl“ zeigten zudem ihre feministische Seite. Penelope Houston wurde nie ein Superstar, erfreut sich aber bis heute einer treuen Fangemeinde – ihre Konzerte mit Wegbegleitern wie Pat Johnson und Steven Strauss sind immer ein ganz besonderes Erlebnis.
Ende 2005 war die Zeit offenbar reif für eine Wiederbelebung der Avengers: erste Auftritte in den USA wurden frenetisch gefeiert, Anfang 2006 tourten die Avengers mit einer hinreißend wilden Penelope Houston auch durch Deutschland. Das warf Fragen auf: sind die Avengers heute noch relevant? Und warum begibt sich Penelope auf Bühnen siffiger Punkrock-Kaschemmen, wo sie es sich doch eigentlich in der Folkecke gemütlich machen könnte? satt.org hakte nach und Penelope gab bereitwillig Auskunft:
Discographie:
Penelope Houston und The Avengers
- The Avengers 3-song EP Dangerhouse (1977)
- The Avengers 4-song EP White Noise (1979)
- The Avengers 13 song LP/16 song CD/MC CD Presents (1981)
- The Avengers Died For Your Sins 18 song LP/CD Lookout! Records (2000)
- Zero Hour LP 8 live tracks Get Back Italy (2003)
- The American in Me 12 song CD DBK Works (2004)
The Avengers auf verschiedenen Samplern:
- Rat Music for Rat People Vol. 1+2 CD Presents (1980) +(1982)
- Dangerhouse Vol. 1 Frontier Records (1991)
- Dangerhouse Vol. 2 Frontier Records (1992)
- No Thanks Rhino Records (2003)
- England's Dreaming Trikont Records (2004)
- plus dutzende Bootlegs aus Amerika und Europa
Penelope Houston solo
- -30- (Dash thirty dash) 7"single …id records (1986)
- Birdboys (LP, Subterranean Records 1988)
- On Borrowed Time (Live in Frisco) (MC, id Records 1990)
- 500 Lucky Pieces (MC, id Records 1991)
- Sweetheart/ Glad I 'm a Girl (7"single, Iloki Records 1992)
- The Whole World (LP, Heyday Records 1992)
- Silk Purse (CD, Return To Sender/Normal 1993)
- Take Care/ Corpus Christi (7"single, Iloki Records 1993)
- Karmal Apple (CD, Normal 1994)
- Ride (4 song EP, Normal 1994)
- Crazy Baby (CD, Return To Sender/Normal 1994)
- Cut You (CD, WEA/Reprise 1996)
- Glad I 'm a girl (CD single/4 songs, WEA 1996)
- Sweetheart (CD single, WEA 1996)
- Tongue (CD, WEA (1998) / Reprise 1999)
- Scum (CD single, WEA (1998) / Reprise 1999)
- Tongue (CD single, WEA 1999)
- Once In A Blue Moon (CD, Penelope.net Records/ Normal Records 2000)
- Loners, Stoners and Prison Brides (CD, Return To Sender/Normal 2001)
- eighteen stories down ( "best of" CD, WEA 2003)
- Snap Shot (Covers EP, Flare 2003)
- The Pale Green Girl (CD, DBKWorks, 2004)
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satt.org: Wie spricht man deinen Vornamen richtig aus? „Penelop“ oder „Penélopé“?
PH: Betonung liegt auf „nel“ und „pe“: peNEL oPE
satt.org: Warum haben sich die Avengers wieder zusammengetan? Gibt es deiner Meinung nach ein neu erwachtes Verlangen nach High-Energy-Punkrock mit politischem Bewußtsein?
PH: Mir wurde klar, daß es gute Gründe gibt, wieder mehr politische und wütende Songs zu singen: das politische Klima in den USA wird immer dunkler und häßlicher mit all den Bush-Gefolgsleuten.
Und die Leute erinnern sich an die Songs … außerdem gibt es heute ein viel größeres Publikum für die Avengers.
satt.org: Warum ist “Paint it Black“ von den Rolling Stones so wichtig für Dich? Du spielst es bei deinen Soloshows, aber auch mit den Avengers.
PH: Dieser Song ist sowas wie ein Erkennungsstück der Avengers geworden.
satt.org: In den letzten beiden Jahren habe ich zwei Konzerte mit Dir in Frankfurt erlebt: solo mit deinen folkinspirierten Songs wie “Sweetheart“ und Anfang dieses Jahres mit den Avengers in der “Au“, einem Punkschuppen in Frankfurt-Rödelheim vor einem völlig anderen Publikum. Wie vereinbarst du diese beiden Pole?
PH: Ich begrüße es, sowohl flüstern als auch schreien zu können …
satt.org: Fällt es dir schwer, vor solch verschiedenen Zuhörern aufzutreten?
PH: Musikfans sind gar nicht so unterschiedlich …sie denken immer, daß ihnen ein Teil von Dir gehört!
satt.org: Unterscheiden sich europäische Fans von den amerikanischen?
PH: In Europa gibt es diese besetzten und selbstverwalteten Häuser, in denen Punkbands auftreten können – das macht es für Bands wie die Avengers leichter. Das gibt es so nicht in den Vereinigten Staaten.
satt.org: Was hältst du von den ganzen jungen Punkrockern, die vor der Bühne Pogo tanzen?
PH: Das ist großartig!!
satt.org: Punkrock besteht aus Wut und Zorn – entspricht das deinem heutigen Gefühlszustand? Und was macht dich wütend?
PH: Die Ausrichtung der amerikanischen Regierung – sie ist anti-fortschrittlich. Und die Blindheit der Gesellschaft macht mich wirklich wütend.
satt.org: Wie fühlst du dich, wenn du heute „I'm a Teenage Rebel“ singst? Kannst du das noch ernsthaft bringen – und fühlst du dich als Rolemodel für jüngere Frauen?
PH: Mir haben so viele Leute (und besonders junge Frauen!) erzählt, daß sie durch die Avengers dazu gekommen sind, sich selbst kreativ zu betätigen – das ist wahnsinnig wichtig für mich. Und ich fühle immer noch die Rebellin in mir!
satt.org: Wann und warum hattest du dich entschlossen, völlig andere Musik als mit den Avengers zu machen?
PH: Ein paar Jahre nachdem die Band sich 1979 getrennt hatte, begann ich mich für verschiedene Musikrichtungen zu interessieren. Große Einflüsse zu dieser Zeit waren für mich die Violent Femmes und Tom Waits.
satt.org: Songs wie „The American in Me“ scheinen niemals zu veralten – was denkt die Amerikanerin in dir über die USA? Ich weiß, das ist eine Frage, die man sich als Deutsche besser verkneifen sollte, aber mir kommt es so vor, als würden sich viele Amerikaner für ihr Land schämen.
PH: Das stimmt. Vielleicht würden diejenigen Amerikaner, die stolz darauf sind, was die US-Regierung in der Welt anstellt, nicht ihr hart verdientes Geld für Reisen nach Europa ausgeben. Aber mindestens die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung ist unzufrieden mit der eingeschlagenen Richtung.
satt.org: “Beauty and the Beasts“: du siehst ja wirklich enorm gut aus (damals wie heute) – hat es dir dein gutes Aussehen erschwert, als Punksängerin ernst genommen zu werden?
PH: Das war nie ein Problem. Sobald ich meinen Mund aufmache und singe, wissen die Leute, wie wild und böse ich sein kann.
satt.org: Bezeichnest du dich als Feministin? Bevorzugst du weibliche Bands und Musikerinnen?
PH: Ich bin definitiv eine Feministin. Und natürlich kann ich mich mit den Standpunkten weiblicher Autoren und Singer/Songwriter besser identifizieren, aber ich beschränke mich nicht beim Lesen oder Musikhören.
satt.org: Wo sind all die Riotgrrls hin? Was ist aus ihnen geworden?
PH: Hmmmm. Es gibt immer noch eine Menge Girlbands, aber mir scheint, als gäbe es mittlerweile mehr gemischte Bands.
satt.org: Welche Musiker und Bands magst Du?
PH: Neko Case, Nick Cave, Pat Johnson, Patti Smith, Los Aterciopelados, The
Rachels, Calexico, The Cardigans, Bart Davenport, The Moore Bros.
satt.org: „Antifolk“ ist in Deutschland sehr beliebt, Musiker wie Adam Green haben hier ein großes Publikum. Kannst Du mit dem Begriff „Antifolk“ etwas anfangen? Würdest du deine eigene Musik so bezeichnen?
PH: Ich höre Modern Folk, New Folk-Antifolk, Freakfolk oder wie auch immer du es nennen willst, seit vielen Jahren und für mich ist das Songwriting und der Gesang am wichtigsten. Es gibt eine Menge neue Singer/Songwriter mit wirklich schrecklichen Stimmen, die ich kaum ertragen kann. Ich bin unschlüssig gegenüber Adam Green: sowohl seine Stimme als auch seine Texte verursachen mir schon leichte Schmerzen!
satt.org. Wie sehen deine Zukunftspläne aus? Wird es neue Avenger- und Penelope-Alben geben?
PH: Ich denke, die nächste Platte wird ein Penelope-Soloalbum sein. Aber es ist auch ein Avengers-Box-Set in Arbeit!
satt.org: Was machst du, wenn du nicht auf Tournee oder im Studio bist?
PH: Ich arbeite drei Tage in der Woche in der öffentlichen Bibliothek von San Francisco!
satt.org: Was ist dein Lieblingssong von den Avengers? Und von Penelope Houston?
PH: „American in Me“, and …hmmm „Pale Green Girl“.