Angepriesen wird der sehr schöne Sampler "See You On The Moon!" als erstes Indie-Aufgebot für die Kinder dieser Welt, als Gegenentwurf zu den Plastik-Liedchen. Klingt soweit gut, aber wie ist es um die Umsetzung dieses Postulats bestellt?
Im Praxistest sieht das leicht anders aus, gerade die zweite Hälfte der Kompilation ist halt doch sehr Indie-Singer/Songwriter-lastig, will sagen, es bleibt alles sehr ruhig und schön (Mark Kozeleks Song ist richtig toll!), aber bei Rolf Zuckowski – ich kann's nicht leugnen – geht im direkten Vergleich doch mehr die Post ab.
Inhaltlich kindgerecht geht es allerdings los: Alan Sparhawk von Low fordert in einem sehr witzigen Song, bei dem ich ein wenig an Daniel Johnston dachte, mehr Nettigkeit gegenüber Läusebefallenen ("nice" und "lice" ist einfach ein guter Reim) – und wer selbst ein Kind hat, wird früher oder später mit diesem Thema in Kindergarten oder Schule konfrontiert.
Streckenweise ist "See You …" eine tiefe Verbeugung vor Peter, Paul and Mary. Am deutlichsten durch Broken Social Scene, die "Puff the Magic Dragon" gleich richtig covern, aber auch Sufjan Stevens bewegt sich in diese Richtung und steuert einen schönen Tier-Song bei. An die Harmonien des Folkpop-Trios der Sechziger erinnert mich auch der Titeltrack der Kompilation, für den sich die Great Lake Swimmers zudem charmant-unverfroren bei Grant Harts "2541" bedienen.
Um zusammenzufassen und statt Song für Song durchzugehen: Anliegen leicht verfehlt, Inhalt dagegen top.
Aber um noch einmal auf die Theorie zurückzukommen, weil dieser Punkt wirklich wichtig ist: "See You …" versucht sich an einer sehr zu begrüßenden Aufgabe, nämlich einer Art musikalischer Früherziehung, der Hinführung der Zwerge an die richtige Musik. Ob diese pädagogischen Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, wird sich natürlich nur individuell zeigen. Entscheidend ist allerdings, daß man Kinder nicht für dümmer verkauft, als man selbst ist – denn sonst bleibt lediglich das von der RTL-Familie und Konsorten als vermeintlich Kindgerechte Verkaufte übrig, das die Kleinen auf dem denkbar niedrigsten Level abholt, ignorierend, daß Geschmack nicht angeboren ist, sondern permanent hart erarbeitet werden muß. Folgerichtig spiegelt das Angebot im Bereich Kinderunterhaltung nur die Erwachsenenunterhaltung wider: hie Sarah Connor, da die Schlümpfe. Oder es regiert der pädagisch wertvolle Kinderladen-Muff der Vahles, Jöckers und Spießgesellen. (Und allen, die beim Stichwort Kinder nur an Rambazamba und Firlefanz denken, sei G. K. Chestertons wunderbarer Essay "Verteidigung der Kindlichkeit" über die Ernsthaftigkeit von Kindern ans Herz gelegt.)
Denn wie die Plattenfirma Paper Bag Records ganz richtig auf dem Waschzettel schreibt: Kinder sind meist viel intelligenter als die Erwachsenen, die sie umgeben. In diesem Sinn ist "See You …" der Soundtrack für alle großen und kleinen "Wissen macht Ah!"-Gucker und Donald Duck-Liebhaber.