Erk Wiemer trägt nicht nur einen außergewöhnlichen Vornamen, er ist auch ein Ausnahmemusiker. Seine musikalische Ausbildung, von den Eltern vorangetrieben, ist eher klassisch, doch die Liebe zum Pop war letztendlich stärker: Seine Vorbilder sind die Beach Boys, die Beatles oder auch Achtzigerbands wie Tears for Fears (ihnen zu Ehren findet sich eine Coverversion von „Shout“ auf seiner Platte). Als Keyboarder von Space Kelly tourte er 2002 durch Japan – dort erregte er heftiges Interesse, was der Grund dafür ist, dass sein nun auch in Deutschland erhältliches Debütalbum zuerst in Japan auf Philter Records erschien. Obwohl er sich als international orientierten Künstler sieht, fühlt Erk sich in Berlin zu Hause, er tritt als Barpianist in Berliner Läden wie zum Beispiel dem White Trash Fastfood oder im Privatclub auf; auch das Label El Muto, das seine Platte in Deutschland herausbringt, ist in Berlin ansässig. Was Erk sonst so von Berlin hält, könnt Ihr weiter unten nachlesen.
“Far from the World“ ist eine dieser seltenen Platten, die sofort dein Freund werden. Der Opener „Swing 'n' Sway“ begrüßt dich überschwänglich, als hätte dieser Song nur darauf gewartet, in deinem CD-Player abgespielt zu werden. Auf „Far from the World“ erklingt das Beste aus allen Popepochen und doch schält sich ganz schnell ein unverwechselbarer Erk-Sound heraus. Erk spielt ein perlendes Klavier, staffiert die Songs mit üppigen Arrangements und jubilierenden Violinen aus, obwohl die Melodien auch auf einer profanen Blockflöte hinreißend klingen würden. Er hat ein Händchen für mitreißende Refrains, die sofort im Ohr bleiben – besonders hittig sind „Pride of the Parade“, ein Song über einen sexuell sehr uneindeutigen Jungen, und „A Girl Named Boo“ geraten. Der Grundton der meisten Erk-Lieder ist positiv und sonnig-strahlend, doch es gibt auch nachdenkliche Töne, zum Beispiel bei „Fragments of Your Past“, in dem eine vergangene Liebe verarbeitet wird. Erks Musik mit Elton John oder Randy Newman zu vergleichen, ist nicht ganz falsch, aber – man kann es ja nicht oft genug erwähnen – zu viele Referenznamen verderben den eigenen Eindruck.
Erk war so freundlich, die satt.org-Neugierde zu stillen – hier kommt das Interview:
Die Linernotes deiner CD sind in Englisch - wie wichtig ist dir die internationale Ausrichtung?
EW: Tatsächlich ist mir die internationale Ausrichtung sehr wichtig. Aus mehreren Gründen: Popmusik ist etwas Internationales, es gibt kaum eine Musikrichtung auf dieser Welt, die sich nicht in ihr wieder finden lässt. Meine musikalischen Einflüsse sind hauptsächlich internationaler Art. Nicht zuletzt sind auch meine Songtexte in englischer Sprache und das nicht, um darüber hinwegzutäuschen, dass ich nichts zu sagen habe. Ganz im Gegenteil, ich hoffe, dass möglichst viele Leute auch auf die Texte achten werden. Ich glaube nämlich, dass es neben der Musik auch textlich bei mir das eine oder andere zu entdecken gibt.
Du trittst oft in Berlin auf - was unterscheidet Berlin (mal abgesehen von der Größe) von anderen deutschen Städten? Was macht es für Künstler so attraktiv?
EW: Berlin ist arm, aber sexy! ;-) Mal im Ernst, Berlin hat sich über die letzten Jahre zu einer wichtigen Medien- und Musikstadt entwickelt. Darüber hinaus ist die städtische und kulturelle Entwicklung Berlins immer noch nicht abgeschlossen. Ich denke, weil hier kulturell so viel los ist, zieht Künstler magisch an. Allerdings vergessen die meisten dabei schnell, dass dadurch auch ein kulturelles Überangebot herrscht und es daher immer schwerer wird, seine Kunst an den Mann zu bringen. Meine Motivation ist mittlerweile eine andere. Ich selber sehe mich gerne als Kosmopolit und welche andere deutsche Stadt kann von sich schon behaupten, die Welt bei sich zu Gast zu haben (wenn nicht gerade Fussball-WM ist)?
Welche Platte hat dich zum Selber-(Pop-)Musikmachen gebracht?
EW: Schwer zu sagen, wahrscheinlich eine Beatles-Platte. Ich glaube, "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band". Ich habe die Platte mit ungefähr 12 oder 13 Jahren gekauft und zu dieser Zeit auch meine ersten Songs geschrieben.
Das Presseinfo zu deiner Platte vergleicht dich mit Elton John, Randy Newman, Ben Folds - siehst du dich in deren Tradition? Was machst du anders?
EW: Mit den Namen dieser Künstler verbindet man als allererstes schönsten Pianopop. Es ist klar, dass der Sound meiner Platte sehr klavierlastig ist und das war durchaus beabsichtigt. Ich wollte daraus kein Dogma machen und mit Sicherheit keine "das-kann-ich-auch-Platte". Ich wollte einfach meine Songs in einem schlichten Rahmen und mit einem durchgehenden Sound präsentieren. Ich denke da trotz der heutigen Download-Realität immer noch im klassischen Albumformat. Da die Songs alle am Klavier komponiert wurden, war es nur konsequent, sie auch mit Klavier aufzunehmen. Viele dieser berühmten "Pianorocker" sind unglaublich virtuos und zeigen das auch gerne bei jeder Gelegenheit. Für mich steht immer der Song im Vordergrund und wenn es nötig wäre, ihn mit einer Nasenflöte zu spielen, um ihn richtig zur Geltung zu bringen, würde ich ihn mit einer Nasenflöte spielen.
Wie "streng" waren deine Eltern mit der musikalischen Früherziehung? Bist du heute dankbar für die profunde Ausbildung?
EW: Meine musikalische Früherziehung habe ich eigentlich meinem ältesten Bruder zu verdanken. Viel Musik, die ich als Kind aufgesogen habe, kam von ihm. Er legte in seinem Zimmer abends immer Platten auf, während ich im Zimmer nebenan im Bett lag und zuhörte, bis ich einschlief. Aber natürlich bin ich über meine Eltern zum Klavierspielen gekommen. Eigentlich wurde das Klavier hauptsächlich für meinen anderen Bruder angeschafft. Damit sollte er zu einer Freizeitbeschäftigung gezwungen werden. Der Haken war nur, dass natürlich alle Kinder zum Klavierunterricht verdonnert wurden. Ich glaube, meine Eltern haben uns ein, zwei Jahre gezwungen, danach haben alle meine Geschwister nach und nach das Handtuch geworfen. Ich habe zwischenzeitlich auch den Unterricht ruhen lassen und dann ganz plötzlich das Klavier für mich neu entdeckt. Auf jeden Fall bin ich meinen Eltern dafür dankbar, dass sie mir anfangs ein bisschen in den Hintern getreten haben. Im Grunde genommen bin ich ihnen fast böse, dass sie das nicht konsequenter gemacht haben. Ich hätte gerne noch Schlagzeug, Trompete, Saxophon und diverse andere Instrumente gelernt.
Die Platte klingt so positiv, so voller Euphorie - bist du selbst auch so?
EW: Lustig ist nur, dass ich überhaupt nicht gut drauf war, als ich die Platte gemacht habe! Das Gegenteil war eher der Fall. Ich war einigermaßen frustriert. Davon zeugt auch der eine oder andere Song auf der Platte. Ich kann daher nicht behaupten, dass ich ständig mit einem breiten Grinsen durch die Welt laufen würde. Ich lache allerdings viel und gerne und es stimmt … auch das ist auf der Platte zu hören.
Gibt es den „perfekten Popsong“ für Dich?
EW: Den einen perfekten Popsong gibt es nicht. Es gibt eine Vielzahl perfekter Popsongs, je nach Gemütszustand, Tages- oder Nachtzeit, Wein, Essen, Gesellschaft, etc. Zur Zeit in meinem CD-Spieler fest installiert: "Someday Man" von Paul Williams.
Wie sieht Deine Laufbahn aus? Wann und wo bist du zum ersten Mal aufgetreten?
EW: Das erste Mal bin ich in meiner Schulaula aufgetreten. Ich muss zehn oder elf Jahre alt gewesen sein. Ungefähr 500 Schüler und Lehrer waren im Saal und ich spielte mit einem Klassenkameraden (übrigens auch ein Erk) vierhändig Klavier. Danach musste ich noch eine Zugabe spielen: Theme from Pink Panther. Die ganze Aula hat den Swing mitgeschnippt! In diesem Moment muss ich wohl Blut geleckt haben …
Kann man dich demnächst live erleben?
EW: Am Samstag, den 2. September im Bastard/ Prater in Berlin. Dort wird es eine CD- Release-Party geben und später wird das DJ-Team vom Karrera Klub auflegen. Am 21. Oktober wird es einen kurzen Gastauftritt von mir bei Tom Cunninghams "Songwriters In The Round on tour" im Multikulturzentrum in Templin geben. Weitere Auftritte sind bisher leider nicht geplant. Am besten ist es, immer mal wieder meine Website oder meine MySpace Seite zu besuchen. Dort werden Konzerte regelmäßig und rechtzeitig angekündigt.