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Oktober 2006
Christina Mohr
für satt.org


Arrested Development:
Since the Last Time
edel 2006

Arrested Development: Since the Last Time
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Arrested Development:
Since the Last Time

Die Geschichte von Arrested Development geht so: Im Jahre 1992 veröffentlichte das Künstlerkollektiv aus Tennessee um Mastermind Speech a.k.a.Todd Thomas das Album „3 Years, 5 Months And 2 Days In The Life Of …" Diese Platte enthielt Hits wie „Tennessee“, „Mr Wendal“ und „People Everyday“, die die Band berühmt machten und lebenslanges Radioairplay garantierten. Danach kam das experimentellere Album „Zingalamaduni“, das zwar weniger Hits beinhaltete, aber die musikalischen Ambitionen der Band unterstrich. Arrested Development standen und stehen für freundlichen, positiven HipHop, der so gar nichts mit dem aufgesetzten Geprotze ihrer Gangsta-Kollegen zu tun hat. Im Geiste De La Souls und deren „daisy age“ verbreiteten Arrested Development stets entspannte Stimmung, ohne jemals seicht und platt zu werden – von ihrer Landkommune in Tennessee aus machte sich die zeitweise bis zu 19 Musiker umfassende Band explizite Gedanken über afroamerikanische Solidarität, Gleichberechtigung der Geschlechter und politische Mißstände. „Respekt“ war im AD-Umfeld mehr als ein hohler Szenebegriff und weder aufgepimpte Autos noch aufgepumpte Körperteile spielten jemals eine Rolle. Auch wenn Arrested Development als Hippie-Hopper verunglimpft wurden und sich vorwerfen lassen mußten, den „wahren“ HipHop durch ihre beherzte Mixtur aus Pop, Soul, Folk, Funk, und Reggae zu verwässern, steht fest, daß sie für heutige Chartbreaker wie die Black Eyed Peas, Outkast, The Roots und Gnarls Barkley den Boden bereiteten.


Arrested Development Live
03.11. Heidelberg, Enjoy Jazz / Kalstorbahnhof
10.11. München, Backstage
14.11. Berlin, Postbahnhof
15.11. Hamburg, Mandarin Casino
16.11. Darmstadt, Centralstation

Ausgerechnet Streit um Geld führte 1995 dazu, daß sich die positiven Vibrationen bei AD verzogen, das Kollektiv ging auseinander. Fast zehn Jahre lang waren die Hits der frühen Jahre das einzige, was man von Arrested Development hörte, dann 2004 die Überraschung: Speech und seine Genossen kehrten mit dem Album „Among the Trees“ zurück! Die Freude war groß, die Resonanz positiv. Also Gründe genug zum Weitermachen. Jetzt ist „Since the Last Time“ erschienen, außer Speech sind die Sängerinnen Nicha und Eshe, der alte weise Mann Baba Oje und die Musiker Za', Rasa Don, One Love und JJ Boogie an Bord. Die Platte verbreitet uneingeschränkt gute Laune, ist ein Fest der tausend Stile, Variationen in Black Music. Der erste Song der Platte, betitelt wie das Album selbst, ist vom ersten Ton und dem ersten Wort an dem Heimkommen, Ankommen, Zurückkommen gewidmet. Der Groove schleppt noch ein wenig, die Grundstimmung ist etwas humble und wehmütig, doch mit dem zweiten Track, „Miracles“ wird alle Zurückhaltung über Bord geworfen: Der Song basiert auf „I Believe in Miracles“, einem Discohit der Jackson Sisters und damit geht es ohne Umschweife direkt auf den Dancefloor – je nach Belieben auch auf die Veranda, aber auf jeden Fall braucht man Platz zum Hüftenschwingen. Im Text wird der zur reinen Protz-Geste erstarrte aktuelle HipHop deutlich angegangen:

I'm too old a dude to be scared of flopping
we're from the old school this is real hiphopping
And we talk about what we see, won't dumb it down
Cuz I ain't around dumb company
We smarter than this
And we can come harder than this and do a brag rap on the next song of the disc
Cuz right now you know you're all in the midst of miracles!

Tracks wie „Sunshine“, „Sao Paulo“, „Inner City“ und „Down and Dirty (Clap Your Hands)“ schäumen über vor Spielfreude und Tanzbarkeit, wer will, mag in „Down and Dirty“ eine Fährte zu Outkasts „Hey Ya“ finden. „Heaven“ klingt bittersüß und soulig wie einst Al Green, „Stand“, „It's Time“ und „Caught me“ sind smooth und laid-back arrangiert und „I Know I'm Bad“ kokettiert mit dem Positionierungsbedürfnis vieler HipHopper: „I'm bad, I know I'm bad, like James Brown and Ali I know I'm bad.“

Ihren Mainstreamappeal haben Arrested Development auch heute nicht verloren, „Since the Last Time“ war bereits „Download der Woche“ bei Bild.de – doch warum sollte man nicht auch den Bild-Lesern ein paar gute Vibes gönnen?