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Neben den Auftragsarbeiten für CBS hatte er einen gewissen Spielraum, und darum besteht sein Vermächtnis aus einer Vielfältigkeit, die kaum ein anderer Künstler vorweisen kann. Jedes Jahrzehnt eine Wandlung, und mit steigender Popularität ein immer währender Kampf zwischen kommerzieller Notwendigkeit und individueller Entfaltung. Nun werden von Sony BMG seine Konzeptalben wie dieses, mit Bonustracks versehen, gnadenlos vermarktet. Cash als Renaissance? Green Bucks kassieren nach dem Tod? Trotzdem ist das Children`s Album eine Rarität und mag die neuen Fans freuen, und sie werden sich vielleicht fragen, warum der einzige Sohn aus der Ehe von Johnny und June mit dem Lied „I got a boy (and his name is John)“ vertreten ist sowie seine Stieftochter beim elegischen Lied „Miss Tara“, doch die Tochter aus erster Ehe - Rosanne Cash - leer ausgegangen ist; ist es nicht ein Children`s Album? Ja und Nein. Gut die Hälfte der Texte stammen aus des Sängers eigener Feder, der Rest wird von J. Moss, J.D. Carter, C. Foley und - in Zusammenarbeit - von N.T. Winston beigesteuert. Melancholie, Witz, erhobener Zeigefinger, und endet es dann doch mit dem Daumen nach unten, wie das Leben eben spielt, Stimme und Akustikgitarre, schnörkellose Musik und fast lyrische Texte zeichnen diese jugendfreie, beziehungsweise Kinder ansprechende CD aus. Für Columbia Records ein Flop. Ein Eingeständnis der Plattenfirma, der Produzenten Charlie Bragg und Larry Butler, die ihren besten Mann halten wollten. Aber Kenner wissen natürlich um die Wandlungsfähigkeit eines Johnny Cash, denn ein Jahr vorher erschien genau das Gegenteil, nämlich die LP „The Junkie and the juicehead minus me“, wo dem Mann, neben seiner Frau June Carter auch Rosanne, Carlene Routh und Rosey Nix wunderbar als Duett-Partnerinnen zur Seite standen. Überhaupt blieb Cash zeitlebens ein Familienmensch, da kam niemand zu kurz, ob in Songs, auf Konzerten oder im Vermarktungsbetrieb House of Cash. Weiteres augenzwinkerndes Mahnmal der Children`s CD: dieser eklig schmutzige Typ, „Nasty Dan“, der ein gesellschaftlich ausgegrenztes Dasein führt, aber irgendwann eine „nasty“ Frau findet, mit der er „nasty“ Kinder zeugt und ein „nasty“ glückliches Leben bestreitet. Das LP-Cover im Stil der Flower-Power-Zeit gezeichnet, der Sänger umringt von Kindern und Jugendlichen auf einem roten Cabrio-off-roader, erinnert an Greenpeace und Kelly-Family, aber so war sie, die Epoche jener Jahre, und von den Songs darf man nicht erwarten, dass sie zur American-Recordings-Reihe passen. Mitnichten. Die 70er Jahre waren für Cash eine segensreiche Experimentierphase, wie sie von der kürzlich erschienenen CD „Personal Files“, hauptsächlich 1973 aufgenommen, dokumentiert wird. Man muss Johnny Cash vom Anfang bis zum Ende seiner Karriere kennen, um den Werde- und Schaffensgang nachzuvollziehen, ohne die typische Schubladeneinordnung, und nur die Besitzer aller Cash-LPs finden das „Children`s Album“ - endlich von Vinyl auf Disc gepresst, eine Bereicherung des Gesamtwerkes. Und diejenigen, die mehr von dem Typen hören möchten, einem Sänger, der sogar zwei Jahre in Deutschland während seines Wehrdienstes in Landsberg am Lech stationiert war, und dessen markante Narbe auf der rechten Wange von einem deutschen Pfuscher (Arzt) herrührt, sollten knapp 9 Euro investieren. Wiewohl die CD vier Bonus-Tracks enthält, von denen drei bisher nie offiziell veröffentlicht wurden. Der Mediengigant Sony hat längst die Lücke erkannt und reproduziert sukzessiv die „vergessenen“ Alben der 70er und 80er Jahre, und packt aus dem reichlichen Fundus so genannte Bonus-Songs hinzu, bei Bear Family längst zu haben. Aber eben nicht alle. Man schlachtet kein goldenes Kalb, nur weil es tot ist. Gleichfalls interessant darauf hinzuweisen, dass die vor der Veröffentlichung ausgegebene Promotion-LP, aus dem Archiv des Rezensenten, auf der Rückseite eine verkringelte Kugelschreibernotiz enthält: „ … police controlled …“ , war man bei Cash doch nie sicher, was er als nächstes auf den Markt bringen wird, gebrandmarkt aus seiner Zeit der Alkohol- und Drogenexesse, und dass er plötzlich so ein Album ablieferte, verwunderte die Fans, die DJs, denn es ist insgesamt ein gefühlvolles Album, ohne instrumental überschwemmt zu sein: „Little green fountain“ - a cappella, „old shep“ ein Stück über des Menschen besten Freund, den Hund, worin der Texter und Komponist C. Foley Johnny Cash singen lässt: „ … und als er (old shep) in die Jahre gekommen war und der Doktor nicht mehr helfen konnte, wollte ich ihn erschießen, um sein Leiden zu verkürzen, doch ich ließ das Gewehr wieder sinken … but if dogs have a heaven there`s one thing I know, old shep has a wonderful home.“ Einer der zusätzlichen Tracks, nämlich „why is a fire engine red“ ist ein grotesker Kurzbeitrag, im Sprechgesang vorgetragen, um den Vergleich zwischen einem roten Feuerwehrauto und einem Kommunisten zu erklären. So war das damals, erzählte Cash schmunzelnd in einem Interview, denn wenn der Vater dem Sohn sagte, die Wiese sei blau, dann hatte sie es auch gefälligst zu sein. |
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