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November 2006


The Residents: Tweedles
Mute 2006

The Residents: Tweedles
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The Residents: Tweedles

Dass sich diese Platte um das Thema sexuelle Obsession dreht, kann man schon unschwer am Cover erkennen. An der Nase des Mannes – aber das wisst Ihr ja selbst. Die Band The Residents, die seit 30 Jahren unerkannt, versteckt hinter überkopfgroßen Augenattrappen ihr Unwesen treibt, hat es für die Aufnahmen zu „Tweedles“ in die Einöde Rumäniens getrieben, wo sich ein alter Fan ein Aufnahmestudio eingerichtet hatte, das zufälligerweise gerade für ein Jahr frei stand. Das ließen sich The Residents nicht zweimal sagen und setzten sich in den Flieger. Sie hatten aber mal wieder keinen Plan, was sie eigentlich genau aufnehmen wollten, und so hielten sie einfach das Mikro an alles, was ihnen auf dem Weg in die Quere kam – zuallererst an die Flugzeugtriebwerke, wie man im Opener sehr schön hören kann.

The Residents: Tweedles

Es verschlug sie in den rumänischen Winkel Hunedoara, das passenderweise in Transsylvanien liegt. Dort verfassten sie Kompositionen über einen Mann, der nur leben kann, wenn er die Gefühle anderer Menschen missbraucht: einen Herzblutsauger also. Nach all dem Gesagten kann man sich wohl schon vorstellen, dass die Stimmung auf dem Album wenig ausgelassen ist; „Tweedles“ besteht weniger aus mehreren Songs – aber so banal waren Residents-Alben ja noch nie -, sondern ist mehr ein Hörspiel geworden, das inmitten der klassisch anmutenden elektronischen Musik allerlei (rumänische) Alltagsgeräusche präsentiert - Geräusche von Verbindung aufnehmenden Modems, zirpenden Grillen, Straßenmusikanten, Kirchenglocken und einem Wanderzirkus. Auch das Bukarester Filmorchester ist zu hören.
„Tweedles“ erscheint übrigens, wie alle Residents-Alben, in einer ansprechenden Digipack-Version in Buchform mit ausführlichen Linernotes.

Stellt sich die Frage, ob man das Teil tatsächlich im Regal stehen haben muss: Hier gestaltet sich die Antwort schon schwieriger. Denn The Residents mögen zwar Staub angesetzt haben über die Jahre und sich eigentlich seit jeher mit ihren Konzeptalben wiederholen, doch trotzdem hat „Tweedles“ einen gewissen Charme. Der erschließt sich aber natürlich hauptsächlich über das Konzept und weniger über die Musik. Man sollte nach wie vor einen Hang zur Theoretisierung haben, wenn man Residents-Fan werden will.