Gwen Stefani:
The Sweet Escape
Who's That Girl?
Gwen Stefani: The Sweet Escape Interscope, Universal 2006
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… fragt man sich unweigerlich, wenn man das Cover des neuen Albums von Gwen Stefani betrachtet. Fotografin Jill Greenberg, die kürzlich mit ihrer Bilderserie weinender Kinder für einen kleinen Feuilletonskandal sorgte, hat Gwen als überirdisch leuchtenden, platinblonden Debbie-Harry-Klon im Transenstyle abgelichtet. Aber gut, Bilder sind das eine, wichtig soll ja die Musik auf “The Sweet Escape” sein: nach dem furiosen Einstieg mit “Wind It Up”, dieser bombastisch-übermütigen Kombi aus hypermodernem R'n'B und wahnwitzigem Jodeln stellt sich jedoch Enttäuschung ein, denn die Erwartungen an Miss Stefani aus Orange County sind hoch. Schließlich kann sie einen musikalisch crediblen Background durch 15 Jahre Schuften als Sängerin und Rampensau bei No Doubt vorweisen, mit dem Hit “Don't Speak” aus dem Jahre 1996 bekam die Ska-Pop-Punkband endlich auch ihr Stück vom Kuchen. Nach dem Split von No Doubt gönnte man Gwen den Erfolg als Solosängerin und Modedesignerin: ihre Platte “Love.Angel.Music.Baby” (L.A.M.B. heißt ihr Modelabel) verkaufte sich weltweit achtmillionenmal, der Hit “Hollaback Girl” geht in die Downloadhistory ein: mehr als eine Million Menschen zog sich den Track gegen Gebühr auf die Festplatte. Gwen Stefani schien ein so perfektes Rolemodel für wilde Frauen abzugeben: nicht so roboterhaft agierend wie Madonna, dabei wesentlich cooler als jüngere Hupfdohlen vom Schlage Christina Aguileras oder Britney Spears'. Gwens Sexyness war stets mit einem gehörigen Schuß Humor und Selbstironie gepaart und sie benötigte keinen Nick Cave wie Kylie Minogue, um sich andere Zielgruppen zu erschließen. Auch die Mutterschaft meistert sie mit lässiger Bravour (Sohn Kingston, Produkt ihrer Ehe mit Gavin Rossdale kam im Mai 2006 zur Welt), sie erlaubte sich nur eine kurze Babypause, um möglichst schnell mit den Aufnahmen zur neuen Platte zu beginnen. Doch bei Gwen Stefani scheint die olle Miesepeterregel zu gelten, dass mit dem Erfolg die künstlerische Originalität abhanden kommt. Die Rahmenbedingungen scheinen zunächst zu stimmen: aber Gwen Stefani geht mit dem hochkarätigen Produzententeam aus Neptune Pharrell Williams und Nellee Hooper plus Co-Autoren wie Keane-Chef Tim Rice-Oxley derart auf Nummer Sicher, dass der Parental-Advisory-Sticker auf dem Cover wie ein verzweifeltes Draufzeigen auf die wenigen “dirty words” wirkt. Die ausgefuchsten Studiogötter machen Gwen Stefani zur reinen Interpretin eines glattgebügelten Sounds, an dem man abrutscht wie ein Marienkäfer an ihren Sprungschanzen-Wangenknochen. Man vermißt den eigenen Stempel, ein Profil, das “The Sweet Escape” von anderen Hochglanzproduktionen wie den aktuellen Platten von Nelly Furtado oder Beyoncé abhebt. Schade auch, dass sich Gwen Stefani in genau der Rolle am besten gefällt, die ihr am wenigsten steht: der R'n'B-Soul-Diva nämlich, aber vielleicht hatten ihre Producer auch keine Lust, stilistisch zu viele Experimente zu machen. Wenn aber Experimente stattfinden, klingt das richtig gut und vielversprechend: der Titeltrack mixt Bläserparts und fiepende Synthies mit cheesy Vocals, “Early Winter” ist eine mit viel Zuckerguß überzogene Popballade, “Wonderful Life” erinnert nicht nur durch den Titel an einen Elektropophit aus den Achtzigern. Mit “Yummy”setzt sie ein eindrucksvolles Statement, auch als Mutti sexy wie eh und je zu sein: untermalt von gewagten elektronischen Spielereien, mörderisch deepen Bässen, Babywimmern und einem Gastauftritt von Pharrell rappt Gwen “Still Time to make you sweat”. Bei “Now That You Got It” wird mit schnellen Handclaps Fahrt aufgenommen und man bekommt einen Eindruck, wie das Album hätte werden können, hätte man auf allzu gefällige Ingredienzien verzichtet, hätte man mehr Bezug zu Stefanis No-Doubt-Vergangenheit gesucht. “How sick is this?” fragt Stefani zu Beginn von “Breakin' Up” und tja, dieser Satz kann dem geneigten Hörer durchaus öfter in den Sinn kommen. “Orange County” oder “U Started It” klingen derart austauschbar und klinisch sauber, dass man diese Songs unmöglich einer bestimmten Künstlerin zuordnen kann.
Angeblich plant Gwen Stefani, im nächsten Jahr eine eigene Puppenkollektion und ein Parfum herauszubringen. Ebenso soll eine Reunion von No Doubt anstehen – no doubt, was man sich als Fan lieber wünscht ….und falls Gwenny noch ein Soloalbum machen möchte, sollte man ihr unerschrockene Damen wie Peaches oder Chicks on Speed ins Studio schicken. Dann klappt das auch mit der Profilbildung!