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Dezember 2006
Robert Mießner
für satt.org


The Weegs:
The Million Sounds Of Black

Hungry Eye 2006

The Weegs “The Million Sounds Of Black”
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The Weegs
Foto: Mark Meijering

The Weegs
Foto: The Weegs

The Weegs
Foto: Mark Meijering

Lasst Millionen Klänge blühen
The Weegs “The Million Sounds Of Black”

Meint ihr nicht, wir könnten jetzt in die Wundertüte greifen, wo wir die Querverweise bevorraten? Den MP3-Ordner auf dem Laptop öffnen, wo wir Devo und Tuxedomoon abgelegt haben, und die Residents, ja, die wollten wir uns ja auch noch anhören. Jetzt, wo wir unsere Bloc Party-Platten im Mauerpark verscheuert haben. Dabei kratzen wir unseren 14-Tagebart, rücken die Sonnenbrille zurecht und öffnen ganz abgeklärt ein Bier Hamburger Provenienz.

Wir könnten, aber: The Weegs sind anders. Ganz anders. Um ehrlich zu sein, verzweifeln wir an ihnen. Kunst, nein, das Wort meiden sie, so wie wir das Tageslicht. Sie kommen nicht aus New York. Sondern aus Oakland, Kalifornien. Wo wir nie hin wollten. Siebzig Minuten lang ist diese Platte, neun Songs sind auf ihr. Die ersten acht, ach, das wollte uns noch gefallen, das war so, wie die frühen Achtziger gewesen sein müssen, Tanz auf dem Vulkan, Berliner Krankheit, kaputt und schön, was man so liest. Irgendwie sphärisch, kantig, aber immer mit Rhythmus. Verdammt, wer hat eigentlich die Gang Of Four-Dateien gelöscht? Der Gesang, gut, der klang nicht gerade einladend. Wäre es nicht so schrecklich uncool, so Berlin-Mitte mäßig, hätten wir beinahe einen Tanz gewagt. Das hat aber gerade mal dreißig Minuten gedauert. Es war zu ahnen, dass hier irgendwas nicht stimmt, waren die Songs doch alle so kurz.

Denn jetzt fröstelt uns. Überhaupt, man schläft zu wenig in der großen Stadt. Seit fünfzehn Minuten schleppt sich das Titelstück dahin. Hat sich aus undefinierbaren Klängen aufgebaut. Was ist noch Gitarre, was Saxofon und Synthesizer? Plötzlich setzt das Schlagzeug ein, fängt er jetzt endlich an, der Song? Ein Paar Sneakers für eine Melodie, einen iPod für einen Refrain! Weh uns, das Instrument verschwindet wieder so schnell in der Klangmasse, wie es gekommen ist. Das ist verdammt gemein, das ist der Sound, gegen den doch Punk gerade erfunden wurde. Stand erst gestern wieder in unserem Mag. Noch mal zehn Minuten des Lärmens sind um. Hölle, das Schlagzeug ist wieder da. Und eine ganz, ganz böse Gitarre. Überhaupt, Gitarren, spielt man das eigentlich noch? Jetzt ist auch noch das Bier alle. Im Kühlschrank nur noch Limonade. Wo sind die Kaugummis versteckt? Hoffentlich sind wenigstens alle Rechnungen bezahlt.

Gibt es nichts, womit wir uns ablenken können? Das Booklet enthält keine Texte. Three Dicks heißt ein Song. Von Rations und Hot Dog Stands ist die Rede. Ah, Realitätsbezug, Absurdität des Alltags, Entfremdung, alles klar. Wir hörten davon, in einem früheren Leben war’s, vorige Woche, eine Ewigkeit. Was aber ist Sixty-Five MPH? Vier Maskenmenschen auf dem Cover, das irgendwie nach Progrock ausschaut. Noch mit ihren Namen wollen uns die vier Quälgeister verspotten: Leva Weeg, Mia Weeg, Greg Weeg, Jason Weeg. File this under WHAT THE FUCK?, empfehlen sie uns. Der Krach ist vorbei. Hätten wir mal bloß unsere Bloc Party-Platten behalten.



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