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Januar 2007
Christina Mohr
für satt.org

One Song Compilations

Die im folgenden vorgestellten drei Compilations aus dem Hause Roof Music befriedigen einerseits das Bedürfnis nach Konzentration und Einfachheit nach all' der festtaglichen Opulenz, andererseits kann mit ihrer Hilfe untersucht werden, was einen Popsong aus der Masse heraushebt und zum Welthit macht. Wie muss ein Song beschaffen sein, der sowohl räumliche, zeitliche und kulturelle Grenzen überwindet, der von jung und alt gepfiffen, gesungen, getanzt werden kann? Der noch präsent ist, auch wenn er aus den Charts verschwunden ist? Muss ein “Welthit” besonders einfach gestrickt sein, oder kann auch eine raffinierte, anspruchsvolle Komposition die Massen erreichen? Wie erreicht der Komponist diese Zeitlosigkeit, wie kann ein Song “unmodisch” im besten Sinne werden? “La Paloma” beispielsweise ist ein solcher Welthit, “Sunny”, oder “Take Five”. Roof Music kümmert sich seit einiger Zeit höchst erfolgreich um populäre Evergreens wie diese und veröffentlicht unter dem Reihenlabel “One Song Compilation” Alben, auf denen sich ungewöhnliche, unbekannte und überraschende Interpretationen eines einzigen Stücks befinden.
(Weitere Titel aus der Reihe “One Song Compilation”: Vol 1 Sunny, Vol 2 Sunny Part II, Vol 3 Fever, Vol 4 Light my Fire, Vol 5 Summertime, Vol 6 Take Five)


One Song Compilation
Volume 8:
Ain' t No Sunshine

(Roof Music)

One Song Compilations

One Song Compilation
Volume 7: Killing Me Softly

(Roof Music)

One Song Compilations

Nun wurde die Reihe um die Ausgaben 7 und 8 ergänzt: Killing Me Softly und Ain't no Sunshine wurden ausgewählt, beide Songs sind 35 Jahre alt und dürften jedem Menschen, der ein Radio besitzt, bekannt sein.
Als der Songwriter Bill Withers (geboren 1938 in West Virginia) 1971 “Ain't No Sunshine” aufnahm, konnte er nicht ahnen, dass dieses Stück zu einem der meistgecoverten Popsongs aller Zeiten werden sollte. Mit einfachen Worten und getragenem Arrangement drückt dieses Lied den Kummer des Verlassenen so klar aus wie es nur selten gelingt. Bill Withers' folgende Hits wie “Lean on Me”, “Just the Two of Us” oder “Lovely Day” halfen schon Heerscharen junger Liebender bei der gefühlvollen Einleitung eines romantischen Abends, mit “Ain't no Sunshine” wird die andere, traurige Seite der Liebe beschrieben. Viele Künstler konnten sich mit Form und Inhalt dieses Songs identifizieren und bis heute wird “Ain't no Sunshine” fleissig gecovert. Eine der aktuelleren und erfolgreichen Interpretationen stammt aus dem Soundtrack zu “Notting Hill” und wird von der Lighthouse Family gesungen. Topstars wie Sting und Tom Jones versuchten sich an “Ain't no Sunshine”, ebenso wie Jazzer Roy Ayers, Reggaekünstler Ken Booth, Eva Cassidy und die Beaujolais Band. Eine flockige Easy-Listening-Fassung liefern 4 To the Bar.
Am beeindruckendsten ist die Version von Woven Hand, der düstere, reduzierte Folk steht “Ain't no Sunshine” überraschend gut. Wenn David Eugene Edwards die Zeile “only Darkness everyday” intoniert, wird möglicherweise die Leidensebene erreicht, die Bill Withers ausdrücken wollte.

Ain't No Sunshine
Ain't no sunshine when she's gone.
It's not warm when she's away.
Ain't no sunshine when she's gone
and she's always gone too long
anytime she goes away.

Wonder this time where she's gone,
wonder if she's gone to stay
Ain't no sunshine when she's gone
and this house just ain't no home
anytime she goes away.

And I know, I know, I know, I know, I know,
I know, I know, I know, I know, I know, I know,
I know, I know, I know, I know, I know, I know,
I know, I know, I know, I know, I know, I know,
I know, I know, I know

Hey, I ought to leave the young thing alone,
but ain't no sunshine when she's gone,
ain't no sunshine when she's gone,
only darkness everyday.
Ain't no sunshine when she's gone,
and this house just ain't no home
anytime she goes away.

Ist “Ain't no Sunshine” auch ein trauriges Lied, kann Bill Withers dennoch glücklich sein: schließlich wurde seine eigene Version sehr erfolgreich, sein Name ist auf ewig mit diesem Song verknüpft.
Anders erging es der amerikanischen Folksängerin Lori Lieberman, die mit Unterstützung der Songwriter Norman Gimbel und Charles Fox den Song “Killing me Softly” für ihr Debütalbum aufnahm. Zum Welthit wurde das Stück allerdings 1973 durch Roberta Flacks Interpretation, Lori Lieberman blieben Ruhm und Erfolg versagt. Jahre später belebten die Fugees das Stück neu, 1996 war ihre Softreggae-Version einer der größten Hits des Jahres. Weder die Fugees noch Roberta Flack sind auf der One-Hit-Compilation zu finden, dafür eine Neuaufnahme von der Komponistin selbst: ihre eigene Interpretation klingt sehr zurückhaltend, erreicht Intensität durch Reduktion. Die Kompilatoren haben unter anderem Versionen von Gitte Haenning, Nils Landgren, Max Greger, Gene Pitney oder John Holt aufgestöbert; die Aufnahmen bewegen sich zwischen Easy Listening, Reggae, Jazz, Blues und Soul und verdeutlichen, dass ein grosser Song an keinen speziellen Stil gebunden ist – wie ein klassisches Drama, das seine Gültigkeit auch in modernen Inszenierungen immer wieder neu unter Beweis stellt.

Killing Me Softly
Strumming my pain with his fingers,
Singing my life with his words,
Killing me softly with his song,
Killing me softly with his song,
Telling my whole life with his words,
Killing me softly with his song …

I heard he sang a good song, I heard he had a style.
And so I came to see him to listen for a while.
And there he was this young boy, a stranger to my eyes.

Strumming my pain with his fingers,
Singing my life with his words,
Killing me softly with his song,
Killing me softly with his song,
Telling my whole life with his words,
Killing me softly with his song …

I felt all flushed with fever, embarrassed by the crowd,
I felt he found my letters and read each one out loud.
I prayed that he would finish but he just kept right on …

Strumming my pain with his fingers,
Singing my life with his words,
Killing me softly with his song,
Killing me softly with his song,
Telling my whole life with his words,
Killing me softly with his song …

He sang as if he knew me in all my dark despair.
And then he looked right through me as if I wasn't there.
But he just came to singing, singing clear and strong.


No More Remake/Remodel


No More Remake/Remodel
(Roof Records)

One Song Compilations

Dieses Doppelalbum fällt im Vergleich zu den beiden oben genannten ein wenig aus dem Rahmen. Zu “Suicide Commando”, das gerade seinen 25. Geburtstag feiern konnte (also von wegen “Suicide”!) tanzten zwar schon Generationen von Punks, Goths und EBM-Jüngern, aber Welthit kann das Wave-Stück von 1981 kaum genannt werden. Eher Underground-Evergreen der allerersten Güte: düster und kühl, monotoner, tanzbarer Rhythmus über fiependen Synthies und ein einprägsamer Text, der im Prinzip nur aus den Worten “Suicide Commando, Suicide” besteht. Die Hymne für diejenigen, die den Punkslogan “No Future” mit der Muttermilch aufgesogen hatten und Anfang der achtziger Jahre erkennen mussten, dass es zwar eine Zukunft gab, aber die war voll mit Atomtod, Pershing II und bald auch Helmut Kohl. Also half nur eins, “Suicide Commando”. Ein Song, voll auf der Höhe seiner Zeit, “Soundtrack einer Generation” würde wohl die Bravo schreiben. Kaum jemand weiss, wer hinter diesem Track steckte: Die Dark-Wave-Band No More stammte aus Kiel und kann aufgrund des alle weiteren Aufnahmen der Band überlagernden Erfolgs von “Suicide Commando” mit Fug und Recht ein One-Hit-Wonder genannt werden. 1986 lösten sich No More auf.
“Suicide Commando” überdauerte die Jahrzehnte und ist bis heute Lieblingstrack vieler DJs und Remixer, denn kaum ein Song entwickelt einen stärkeren Tanzflächensog als dieser. CD 2 (“Remodel”) dieses Doppelalbums feiert “Suicide Commando” gehörig ab: zum 25jährigen Jubiläum gibt es hier natürlich die Originalaufnahme zu hören, dazu kommen Live- und Demomitschnitte von No More. Remixe und Videoaufnahmen von DJ Hell, Echopark, Venus 45 und dem Mac Gonnigle Trio runden das Paket ab. CD 1 (“Remake”) beinhaltet aktualisierte Songs von No More aus den Jahren 1980 bis 1984 plus vier neue Tracks, die die Originalbandmitglieder Tina Sanudakura und Andy Schwarz produziert haben. Zwischen Elektro, Wave und Postpunk variiert der aktuelle No-More-Sound und klingt erstaunlich lebendig, als hätte sich die Band nie getrennt. Auch wenn die anderen Stücke von No More nicht die schlichte, kalte Faszination von “Suicide Commando” erreichen, ist die Präsentation des Restwerks der Band doch höchst interessant.

» www.no-more-remake-remodel.com
» www.suicide-commando-the-song.de