Interview:
Bikini Machine
Das Gerücht, dass aus Frankreich keine gescheiten Rockbands kommen, konnten die Mod-Styler HushPuppies während der letzten Monate eindrucksvoll widerlegen. Die Zeiten sind lange vorbei, als Johnny Hallyday mehr schlecht als recht den französischen Elvis gab. Pop ist international, also auch französisch, althergebrachte Klischees greifen nicht mehr.
* « Dr. Goldfoot And The Bikini Machine » von Regisseur Norman Taurog ist eine überdrehte James-Bond-Parodie und gilt auch heute als ein Highlight für Freunde des trashigen Films.
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Bikini Machine stammen aus Rennes in der Bretagne und haben sich nach einem Kultfilm aus dem Jahre 1965 benannt.* Die sechziger Jahre spielen auch musikalisch eine sehr grosse Rolle für Pat (Bass/Schlagzeug/Vocals), Fred (Schlagzeug/Vocals/Keyboard), Sam (Samples/Keyboard), Franck (Gitarre/Bass/Vocals) und Mik (Gitarre/Schlagzeug/Keyboard), was man ihrer Musik deutlich anmerkt. Das Besondere an Bikini Machine aber ist, dass sie keine reine Sixities-Revivalband sind, der Beat der Sechziger sorgt für das Gerüst, die Struktur der Songs, der Sound aber ist von heute: sie samplen und mixen mit allerlei modernem technischen Gerät, was dem hektischen Rock'n'Roll sehr gut bekommt. Die fünf Musiker sind allesamt Multiinstrumentalisten, jeder spielt alles und während eines Konzerts werden die Instrumente getauscht und gewechselt, dass dem Publikum ganz schwindelig wird. Und überhaupt, die Konzerte: auch wenn man keinen Rock'n'Roll mag, sollte man unbedingt ein Bikini-Machine-Konzert besuchen, an ihren energiegeladenen Auftritte werden sich künftig andere Bands messen lassen müssen!
2003 erschien das Debütalbum “An Introduction to Bikini Machine”, das schon alle Grundelemente ihres charakteristischen Sounds beinhaltete: Soul, 60's-Rock, Elektro, und das alles wild verquirlt. 2005 widmeten sie dem französischen Chansonnier Jacques Dutronc ein ganzes Album, nun erscheint “Daily Music Cookin” With Bikini Machine” bei Légère Recordings: das Motiv des Kochens ist treffend gewählt, viele Stile ergeben den typischen Bikini-Machine-Geschmack, beziehungsweise -Sound. Der Song “Le Jerk du Gastronome” zitiert Boris Vian, mixt verzerrte Gitarren und Elektrospielereien. Hauptsänger Pat hört sich bei “La Pharmacie Anglaise” ein bisschen an wie Serge Gainsbourg, bei Garage-Punk-Brechern wie “Optimistic Breakdown” und “Shake” wird alles aus den Stimmbändern herausgeholt, was geht. Doch der Sänger darf sich auch mal schonen: mit “Cougar 73” und “Destinazione Rocapina” sind zwei Instrumentals auf dem Album, die man sich gut als Soundtrack eines trashigen Roadmovies vorstellen kann. Kurz nach dem Erscheinen von “Bikini Machine joue Dutronc” gab mir Pat ein Interview, das das Phänomen Bikini Machine sehr gut erklärt und auch für das neue Album noch gültig ist:
CM: Ich habe Euch im Frühjahr in Leipzig gesehen und dachte, wow, was für eine tolle Liveband! Was macht Ihr lieber – auftreten oder im Studio aufnehmen?
Pat: Erstmal vielen Dank für das Lob!! Für uns sind das zwei wirklich verschiedene Dinge, wir entwickeln fast alle unsere Songs im Studio, ohne sie vorher live gespielt zu haben. Wir basteln einfach die Stücke am Computer zusammen, fügen selbstgemachte Loops einen nach dem anderen ein, nehmen die Vocals, Soloparts und Arrangements auf, dann “schütteln” wir das Ganze ein bisschen und wenn wir Glück haben, kommt zum Schluss ein Song heraus! Das Studio ist wie eine Küche für uns, und das Produzieren der Songs ist wie Kochen. Wir lieben diesen Teil unseres “Jobs”, es der Teil des Reflektierens, der Ruhe, der Kreativität …. Livespielen ist das genaue Gegenteil. Es gibt kein Reflektieren mehr, nur noch Aufregung und Energie (und natürlich Bier, Bier, Bier!!!). Ich glaube, es ist bei uns wie bei den meisten anderen Bands: wir lieben beides!
Bikini Machine live:
27.2.07 Saarbrücken, Hellmut 28.2.07 Hamburg, Hafenklang Exil 1.3.07 Berlin, Roter Salon 2.3.07 München, Ampere (Tour de France) 3.3. Wiesbaden, Schlachthof (+ King Khan & Barbeque)
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CM: Werdet Ihr wieder nach Deutschland kommen?
Pat: Oh ja, gerne – wir wurden wirklich grossartig aufgenommen!
CM: Jacques Dutronc ist in Deutschland nicht sehr bekannt. Bitte erkläre uns, weshalb Ihr ein komplettes Album mit Dutronc-Coverversionen aufgenommen habt (Bikini Machine Joue Dutronc). Warum ist er immer noch wichtig?
Pat: Wir lieben seine 60's-Songs seit langem. Er hat grossartige Songs geschrieben, die sich anhören wie britische 60's-Musik mit einem kleinen französischen Touch. Und die Dutronc-Songs haben fantastische Lyrics, geschrieben von Jacques Lanzmann, der leider vor kurzem gestorben ist. Dutronc und Serge Gainsbourg verstanden es am Besten, tolle ironische Texte in so gute Musik zu verpacken. Jetzt haben wir 2007 und wir sind überzeugt, dass es bis heute niemanden gelungen ist, diese Mischung ähnlich gut hinzubekommen. Dazu kommt, dass viele Band Gainsbourg covern, auch deswegen haben wir uns für Dutronc entschieden. Wir bewundern ausserdem Dutronc als Künstler und Menschen, er ist ja auch Schauspieler – er ist sehr gut und hat jede Menge tolle Filme gemacht!
CM: Jacques Dutronc ist mit Francoise Hardy verheiratet – würdet Ihr auch ihre Songs covern?
Pat: Warum nicht, sie hat viele tolle Songs!
CM: Bitte erzähl' uns ein bisschen über Bikini Machines Background: Wann habt Ihr Euch gegründet, was haben die Bandmitglieder vor BM gemacht?
Pat: Wir haben alle seit den Neunzigern in unterschiedlichen Bands gespielt, zum Beispiel in der Noisepopband Skippies, die zwei Alben veröffentlicht hat. Dann gab es noch die Elektropunkband namens Terminal Buzz Bomb (ein Album), mit der wir ziemlich viel getourt haben. Der erste Bikini-Machine-Gig fand 2001 beim Transmusicales Festival in Frankreich statt.
CM: Ihr mixt typischen Sixtiessound mit modernem technischen Equipment – warum habt Ihr Euch für die Sixties entschieden? Ist das ein “Goldenes Zeitalter” der Popmusik für Euch?
Pat: Ja genau, wir lieben den Sound der sechziger Jahre, er war sehr warm und menschlich.
CM: Welche aktuellen Bands mögt Ihr?
Pat: Wir sind fünf Bandmitglieder und jeder hört natürlich etwas anderes gern. In den letzten Monaten haben uns Arcade Fire, Arctic Monkeys, Antony and the Johnsons und Deus gut gefallen – das ist aber nur eine kleine Auswahl! Und natürlich jede Menge altes Zeug wie die Zombies, Love, The Kinks …
CM: Würdet Ihr Euch als Retroband bezeichnen?
Pat: Ich finde, wir sind weder eine Retro- noch eine Revivalband. Uns gefällt der Gedanke, dass sich die Sixtiesbands, die wir mögen, heute so anhören würden wie wir!
CM: Bis auf wenige Ausnahmen bekommt man in Deutschland nicht sehr viel von der französischen Musikszene mit – wen sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen?
Pat: Ich finde, es gibt eine Menge toller Rockbands in Frankreich. Ich mag sehr Philippe Katerine sehr gern – er fängt gerade an, mit seinem neuen Album richtig erfolgreich zu werden. Es heisst “Robots après tout” und wurde von Gonzalès produziert.
Leider gibt es auch ganz viele schreckliche französische Bands, die viel zu häufig von den grossen französischen Radiosendern gespielt werden.
» www.myspace.com/bikinimachine