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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Februar 2007
Christina Mohr
für satt.org

Female Voices:
Mignon, The Affair, The Micragirls,
New Young Pony Club


* na ja, nicht ganz: bei New Young Pony Club und The Affair sind auch männliche Musiker mit von der Partie. Aber wir wollen mal nicht so sein … frei nach “Manche mögen's heiss”: Niemand ist vollkommen!

Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle fünf Künstlerinnen vorgestellt, die eher sanfte Musik machen, dieser Artikel widmet sich Musikerinnen*, die eine etwas knackigere Gangart bevorzugen. Stilistisch wird eine grosse Bandbreite abgedeckt, wir präsentieren eine bunte Mischung aus Rock'n'Roll, Electro, Wave und – ja! - Heavy Metal. Die im folgenden vorgestellten vier Platten vertreiben die letzten Reste des Winterblues und stimmen auf einen lebhaften Frühling ein. Let's go!

Mignon, Bad Evil Wicked & Mean
(Badgirl/Indigo)

Mignon, Bad Evil Wicked & Mean

Den Anfang macht die in Berlin lebende Sängerin und Performerin Mignon. Ihr Album “Bad Evil Wicked & Mean” ist ein lauter, knalliger In-your-face-Hybrid aus Electro, Disco und viel Hardrock, der ohne Rücksicht auf Verluste oder geschmackliche Vorbehalte zum Headbangen und Go-Go-Dancing auffordert. Alle Tracks des Albums hat Mignon selbst geschrieben und produziert, die Beats programmiert sie mit ihrer Groovebox Roland 303 und lässt es nach Herzenslust krachen und knarzen. Ohne mit der Wimper zu zucken bringt sie Alice Cooper, The Runaways, Cobra Killer und Iron Maiden unter einen Hut, ihre Stimme klingt lasziv und kühl, dabei lässig und mit viel augenzwinkerndem Humor. Mit von der Partie sind illustre Gäste wie Lady Miss Kier, die die Backgroundvocals zum Electrodisco-Track “Demons of Love” beisteuert; Mignons Freundin und Schwester im Geiste Peaches singt bezeichnenderweise bei “Bad Girl” mit, Thomas Wydler (Bad Seeds, Die Haut) spielt auf vier Stücken Schlagzeug. Gonzales läßt bei “Little Miss Feelgood” die Pianotasten glühen, Taylor Savvy spielt Gitarre – Mignon ist bestens vernetzt, was dem Sound ihrer Platte durchaus zugute kommt.

Madame Mignon liebt es zu rocken und vor allem zu schocken, live spielt sie mit Horror- und Splatterelementen, feuert Rauchbomben ab und spritzt mit Kunstblut. Die Shows sind ein sexy-trashiges Erlebnis für die ganze Familie (Munster) und sollten auf keinen Fall verpasst werden! Sie geht im Frühjahr auf Tournee, watch out! Hier kommt ein Interview mit Mignon:

CM: Die Gästeliste auf deinem Album Bad Evil Wicked & Mean ist beeindruckend – wie kommt es, dass du so viele Leute kennst und die auch auf deiner Platte mitspielen wollen?

Mignon: Ich verhexe sie!

CM: Du hast engen Kontakt zu Peaches – ist sie eine Freundin von dir, arbeitet ihr zusammen?

Mignon: Wir sind Freundinnen und wir lieben es beide, zu rocken! So ist es nur natürlich, dass wir Sachen zusammen machen. Ich bin wirklich glücklich darüber, so viele Freunde in Berlin zu haben. Wir tun alle unser Bestes, um die Arbeit der anderen zu unterstützen, wie zum Beispiel auf Platten mitzusingen.

CM: Warum arbeitest und lebst du lieber in Berlin als anderswo?

Mignon: Berlin ist sehr relaxed, weniger wettbewerbsorientiert oder stressig. Im Vergleich zu anderen Grossstädten ist Berlin richtig friedlich und es gefällt mir, dass die Leute hier sagen was sie denken. Du kannst in Berlin jeden Lebensstil führen und man kann sogar mitten in der Nacht joggen!

CM: Wie wichtig ist die visuelle Komponente in deiner Show?

Mignon: Sehr wichtig, sozusagen die Kirsche auf dem Kuchen. Die Art, wie ich performe, gibt mir die Möglichkeit, die Songs zu visualisieren, damit auch Leute, die kein Englisch können, die Bedeutung und den Witz hinter der Musik verstehen.

CM: Kommen mehr Männer oder mehr Frauen zu deinen Shows?

Mignon: Meistens ist das Publikum total gemischt, Männer, Frauen, Mädchen, Jungs, Boygirls und Girlboys. Das gefällt mir!

CM: Wenn du dich auf eine einzige Stilrichtung beschränken müsstest, was wäre das?

Mignon: Heavy Metal natürlich.

CM: Wegen welcher Platte wolltest du selbst Musik machen?

Mignon: Queen Greatest Hits. Ich muss ungefähr 14 Jahre alt gewesen sein, als ich diese Platte entdeckte. Ich habe unaufhörlich “Bohemian Rhapsody" in der Badewanne gesungen!

CM: Fühlst du dich als role model für junge Frauen?

Mignon: Als role model vielleicht nicht, aber ich möchte jede und jeden dazu ermutigen, das eigene Selbst zu finden und nicht irgendwelchen verstaubten Traditionen, Gewohnheiten und Regeln hinterherzulaufen. Ich fände es prima, wenn die Leute das Leben mehr genießen und respektieren würden, deshalb singe ich so viel über Tod und Gewalt. Hört auf zu jammern, los, seid froh, gesund und munter zu sein!

CM: Mir gefallen die Kakerlaken, die auf deiner Website rumkrabbeln - hast du Angst vor irgendwelchen Tieren? Es wird von Frauen ja quasi erwartet, sich vor Mäusen oder ähnlichem Getier zu fürchten …

Mignon: Noch nicht mal als kleines Mädchen habe ich verstanden, weshalb man vor Tieren Angst haben sollte …fürchtest du dich denn vor irgendwelchen Tieren?

CM: Nein.


» www.mignonmusic.com
» www.badgirl-records.com
» www.myspace.com/mignon


The Affair, Yes Yes to You
(Absolutely Kosher Records/BB Island/Cargo)

The Affair, Yes Yes to You

The Affair klingen so new-yorkish, dass es überflüssig erscheint, ihre Herkunft noch extra zu erwähnen. Kali Holloway (Vocals, Lyrics), Nelson Dellamaggiore (Bass), Neel Arant (Keyboards/Guitar), Josh Leeman (Leadguitar) und Marc Pattini (Drums) aus NEW YORK CITY bedienen sich fröhlich und beherzt bei Punk, Wave und Disco, streifen nebenbei die Sixties und klingen trotz aller nostalgischen Referenzen frisch und topmodern. Kali Holloways Stimme klingt kühl und sexy wie Debbie Harry und Karen O. von den Yeah Yeah Yeahs zusammen, überhaupt gäbe eine Kreuzung aus Blondie (zur Zeit ihrer ersten beiden LPs) und den Yeah Yeah Yeahs (ebenfalls die Anfangsphase) die Richtung zum Sound von The Affair vor. Die Texte widmen sich auf sehr urbane Weise dem Themenkomplex Boy meets Girl, sehr abgeklärt, selbstironisch, lässig, witzig.

Mit “Unwanted Company” gelingt ihnen ein überzeugender Opener, ein bisschen Wave, überschwenglich und kraftvoll, toller Refrain; “Honey”, ihre erste Single, klaut das Gitarrenriff bei den Strokes, Kali stösst entzückende “oh-oh-ohs” hervor; auch “Wait for it”, “The Chase” und “Left at the Party” begeistern durch die skrupellos-herzerfrischende Mixtur aus ungestümem Punk, poppigen Melodien und eingängigen Refrains. “Andy”, ein Liebeslied, wartet mit Orgel und Handclaps auf, würden die Shangri-La's oder die Ronettes heute noch Musik machen, sie hätten einen Song wie “Andy” im Gepäck. “Tim's Song” featuret wunderbar trötige, quäkende Synthiesounds, auch dieses Stück macht viel Freude. Insgesamt ist das Debut der jungen New Yorker ein wenig zu lang geraten, The Affair können das hohe Energielevel nicht bei allen 13 Songs halten. In ihren schwächeren Momenten klingen sie ziemlich mainstreamig, als hätten sich auf einmal Starship mit ins Studio geschmuggelt. Aber mindestens acht Songs sind wunderbar und genau richtig für den kommenden Frühling – was will man mehr?


» www.theaffairnyc.com


The Micragirls, Feeling Dizzy Honey?!
(Bone Voyage/BB Island/Cargo)

The Micragirls, Feeling Dizzy Honey?!

The Micragirls live:
27.04. Hamburg / Hafenklang
28.04. Berlin / Roadrunners Paradise
29.04. Hannover / (venue tbc.)
30.04. Wilhelmshaven / Kling Klang
01.05. Lübeck / Treibsand (1. Mai Fest)
03.05. CH-Bern / ISC
04.05. CH-St. Gallen / (venue tba.)
05.05. CH-Basel / Hirscheneck
 …wird ergänzt und fortgesetzt

The Micragirls spielen puren Rock'n'Roll und sind sowas wie die finnischen 5,6,7,8's. Mari, Katariina und Kristiina wurden in Kuopio, einem Nest im Nordosten Finnlands (how far can you go?) geboren und fielen wegen ihrer Hingabe zum Fifties-Rock'n'Roll aus dem dörflichen Rahmen und sahen sich allerlei Anfeindungen ausgesetzt. Im Sommer 2001 beschlossen sie, dass es nun genug sei mit dem Freak-Dasein in einem Spiesserort und ihre Rache sollte furchtbar ausfallen: sie gründeten The Micragirls, verteilten sich auf Drums, Orgel, Gitarre und Geschrei, schrieben Songs über Cavemen, Teenage Tigers, Gorillas und Graveyards – das gesamte Psychorockabilly-Bestiarium eben. Die Micragirls rocken und rollen, nehmen keine Gefangenen, sondern greifen sofort an. Aber sie wären keine Finninnen, hätten sie nicht eine gehörige Portion schrägen Humor im Rucksack: in ihren Songs miaut und maunzt es, die Girls fauchen und quieken, dreschen mit Wonne auf ihre Instrumente ein und nähen ausserdem ihre Bühnenoutfits selbst. “Feeling Dizzy Honey” ist eine Doppel-CD: Disc One besteht aus jüngeren Aufnahmen, Disc Two beinhaltet Tracks ihrer früheren Schaffensperiode (2002 - 2004), so dass man einen umfassenden Eindruck über ihre musikalische Entwicklung erhält.


» www.themicragirls.com


New Young Pony Club, The Bomb
(Modular)



New Young Pony Club: Ice Cream
YouTube direkt

New Young Pony Club machten vor einigen Monaten Furore im TV: ihr Song und Video “Ice Cream” wurden vom Chip-Hersteller Intel für dessen Fernsehwerbung verwendet. Das bunte Filmchen mit 80s-Flavour und der elektrowavige Sound von “Ice Cream” liess die Hipster sofort aufhorchen: wer ist das? Wie heissen die und wo kommen sie her? Also: NYPC kommen aus London, die Band besteht aus fünf Personen (Tahita/Vocals, Andy/Gitarre, Lou/Keyboards, Igor/Bass, Sarah/Drums), sie waren schon mit den Klaxons, CSS und Sunshine Underground auf Tournee, ihr Sologig im legendären Londoner 100 Club war innerhalb eines halben Tages ausverkauft. Bisher gibt es nur zwei Singles bei Modular Records: besagtes “Ice Cream” und “The Bomb”, deren eklektizistischer Sound aus Disco, Wave und Pop grosse Lust auf das Album macht, das für dieses Frühjahr angekündigt ist. NYPC werden das nächste grosse Ding, versprochen.


» www.wearepony.com
» www.myspace.com/newyoungponyclub