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Februar 2007
Christina Mohr
für satt.org

New Born Hippies:
Clap Your Hands Say Yeah,
The Ruby Suns & The Shins


Clap Your Hands Say Yeah:
Some Loud Thunder

(Wichita/Cooperative)

Clap Your Hands Say Yeah

Clap Your Hands Say Yeah aus Brooklyn gehören neben Broken Social Scene, Arcade Fire, Animal Collective, TV on the Radio oder Architecture in Helsinki zu einer neuen Generation junger Freaks, für die Stadt und Land, Folk und Dance, Beach Boys und Captain Beefheart keine unvereinbaren Gegensätze, sondern selbstverständliche Bestandteile ihres weirden Universums sind. Der moderne Hippie sitzt nicht am runden WG-Tisch, sondern am Computer, loggt sich bei youtube oder myspace ein und findet auf einen Schlag 8 000 Freunde. Die wollen vielleicht auch Musik machen, also kommt man zusammen, virtuell oder in echt und gründet eine Band, beziehungsweise ein Kollektiv, denn das starre 4-Mann-Combo-Modell scheint ausgedient zu haben. Wer will, kann mitmachen, ob zu zweit oder zu zehnt. Zeitgleich zum hippieesken Come-Together im Netz 2.0 findet die Wiederentdeckung von Bands wie den Byrds oder den Beach Boys statt – die grosse Melodie, der warme sonnige Californiasound haben wieder Konjunktur und werden entweder dekonstruiert und durcheinandergeschüttelt von Bands wie Clap Your Hands Say Yeah, oder genüsslich neuinterpretiert von den Ruby Suns. Und The Shins standen von Anfang an ihrer Karriere mit einem Bein in den Sechzigern, mit dem anderen in den Achtzigern, mit Kopf und Händen aber ganz weit vorne in den Nullerjahren. Die aktuellen Alben dieser drei Bands sind auf ihre jeweils charakteristische Weise - Achtung, Gemeinplatz! - ein Brückenschlag zwischen Gestern und Heute, zeigen, dass Pop am Besten funktioniert, wenn Vorbilder und Zukunftsvisionen zusammengeführt werden.

Clap Your Hands Say Yeah sind wie die Arctic Monkeys echte Internetbabys: Gerade mal ein Jahr ist es her, dass sie mit ihrem Debütalbum Furore machten. Ohne eine Plattenfirma im Rücken, nur durch die Präsenz auf myspace.com wurde ein feuchter Indie-Traum Wirklichkeit. In Europa wurden die Jungs von Wichita Records unter Vertrag genommen, die Investition lohnte sich für alle Beteiligten: das Album verkaufte sich über 300.000 mal, ihre Konzerte wurde weltweit frenetisch gefeiert, persönlicher Höhepunkt für CYHSY dürfte der Auftritt zu Ehren Bob Dylans vergangenen November in New York gewesen sein. Dort standen sie gemeinsam mit Patti Smith und Sonic Youth auf der Bühne und landeten endgültig im Olymp der alternativen Popmusik.

CYHSYs Debütalbum sprühte vor Ideen und Energie und es ist durchaus bemerkenswert und keinesfalls selbstverständlich, dass “Some Loud Thunder” dieses Level hält. Die Band hat die Hürde “zweites Album” mit Bravour genommen, hat weder Ausverkauf betrieben noch ihre Schrulligkeit eingebüsst. Produzent Dave Fridmann, der schon Mercury Rev, Sleater Kinney oder die Flaming Lips im Studio betreute, war definitiv die richtige Wahl. Trotz aller zauberhaften poppigen Momente ist “Some Loud Thunder” kein gefälliges Popalbum geworden, sondern eine echte Herausforderung. Alec Ounsworths' Stimme wurde häufig mit dem jungen David Byrne verglichen, und die Talking Heads sind als Referenzgrösse in der Tat nicht weit entfernt – trotz der Jahrzehnte, die zwischen beiden Bands liegen. Ounsworth verbreitet eine vibrierende Ruhelosigkeit, immer haarscharf an der Hysterie vorbei, man sieht ihn förmlich vor sich, zappelnd wie David Byrne im Video zu “Once in a Lifetime”. Beide Bands stehen für die Verbindung von Hirn und Hüfte, es darf also diskutiert und getanzt werden. Dem eloquenten Ausdruck steht der Beat gut zu Gesicht.


Clap your Hands Say Yeah
live in Deutschland

6.2.07 Köln, Gebäude 9
9.2.07 Berlin, Postbahnhof
11.2.07 Hamburg, Knust

(Support: Cold War Kids,
Elvis Perkins [Sohn von Anthony
“Psycho” Perkins!])

Der Start- und Titeltrack “Some Loud Thunder” knarzt wie eine vielgehörte Schallplatte, ein mittlerweile ungewohntes Geräusch, das den technikfixierten Hifi-Fanatiker verstören wird. Apropos Verstören: CYHSY-Songs erschliessen sich nicht beim ersten Hören, folgen nicht dem üblichen Strophe-Refrain-Strophe-Schema. Mastermind Ounsworth denkt und komponiert um tausend Ecken, die Band (Lee Sargent, sein Zwillingsbruder Tyler, Robbie Guertin, Seah Greenhalgh) bereitet kein musikalisches Fastfood, sondern aufwendige Menüs aus vielen Schichten, Farben und Geschmacksrichtungen. Dabei ist die Instrumentierung durchaus konventionell: Gitarre, zwei Keyboards, Bass und Schlagzeug genügen CYHSY völlig. Bei “Emily Jean Stock” fährt ein massives Gitarrenbrett ins lieblich-folkige Plingplang, “Love Song No. 7” zieht seinen Reiz aus einem sanften Pianointro und polternden Drums. CYHSY haben ausserdem ihr Faible für seltsame Songtitel beibehalten, die Stücke heissen beispielsweise “Mama, Won't You Keep Them Castles in the Air and Burning?”, “Upon Encountering the Crippled Elephant” oder schlicht und einfach “Yankee Go Home”. Und zum Tanz wird auch geladen: “Satan Said Dance” ist entweder eine perfide Parodie oder einer der hemmungslosesten Elektro-Discoknaller des noch jungen Jahres – Auflösung nicht in Sicht und auch gar nicht nötig.

www.myspace.com/clapyourhandssayyeah
www.clapyourhandssayyeah.com



The Ruby Suns
(Memphis Industries/
Cooperative)

The Ruby Suns

Kaum Störelemente, dafür jede Menge Beach-Boys-Harmonien verwenden die Ruby Suns für ihren sonnig-sanften Indiepop. Das Oktett (Edward Castelow, Harry Cundy, Ryan McPhun, Amee Robinson, Gareth Shute, Mark Stebben) interpretieren mit Melodica und Keyboards, Trompeten und Glöckchen die sechziger Jahre neu, bleiben dort aber nicht stehen. Bandgründer Ryan McPhun fühlte sich in seiner Heimatstadt Los Angeles nicht mehr wohl, er empfand die LA-Musikerszene als zu machohaft und egozentrisch. Er zog nach Neuseeland, auf den ersten Blick nicht gerade die Heimat der Popmusik, aber es scheint, als versuche Neuseeland derzeit, Kanada beziehungsweise Montreal in Bezug auf alternative Popideen (siehe Broken Social Scene etcetera) den Rang abzulaufen: Es ist zwar viele Jahre her, dass auf dem von den Flying Nuns gegründeten Label NZ Velvet Underground Bands wie The Chills, The Bats oder The Clean erschienen, die in den Achtzigern einige der schönsten Indieplatten herausbrachten, doch eine Renaissance des Auckland-Sounds bahnt sich an: Das Label Lill' Chief veröffentlicht Bands im Geiste der Chills wie Reduction Angels oder Lawrence Arabia und sorgt dadurch für ein kreatives Umfeld, in dem sich McPhun bald heimisch fühlte und Mitstreiter für seine Band The Ruby Suns fand. Im Debütalbum der Ruby Suns finden sich Spuren zu Yo La Tengo und anderen Speerspitzen der DIY-Bewegung, aber achtet man auf die Produktion, den schwelgerischen orchestralen Sound, sind auch Curt Boettcher oder Van Dyke Parks nicht weit.

Glöckchen klingeln, Gitarren twangen, engelsgleiche Chöre schweben über den Songs und lassen die (kalifornische oder neuseeländische) Sonne aufgehen. “Maasai Mara”, ein Stück über ein einsames Zebra, ist ein sicherer Hit: versponnen und herzerwärmend, es grüssen die Beach Boys und die Beatles zu Sgt. Pepper-Zeiten

myspace.com/ryanmcphunandtherubysuns
www.memphis-industries.com



The Shins:
Wincing the Night Away

(Sub Pop/Cargo)

The Shins

The Shins aus Oregon haben eigentlich ihre Schäfchen im Trockenen: seit sie von Natalie Portman im Film “Garden State” prominent genamedroppt wurden, landeten sie auf Soundtracks der “Gilmore Girls”, bei Buffy the Vampire Slayer und in der Unterwasserwelt von Spongebob Schwammkopf. Sogar ein McDonald's-Werbespot wurde mit einem ihrer Songs unterlegt. Doch der Ruhm hat die Shins nicht verdorben, mit ihrem dritten Album “Wincing the Night Away” ist ihnen mit leichter Hand erneut ein hinreissendes Werk gelungen. Die Amöbentierchen auf dem Cover geben die Richtung vor: Dinge und Lebewesen verändern ihre Form, nichts ist in Stein gemeisselt, alles geht und alles wird gut.

Schon der erste Song “Sleeping Lessons” ist ein Indiehit par excellence, zurückhaltender Einstieg, überdrehter Refrain, jubilierender Abgang – unwiderstehlich und perfekt. “Australia” verweist mit seinem Gitarrensound auf Vorbilder wie The Smiths und They Might be Giants, klingt melancholisch und übermütig zugleich. “Pam Berry” vereinigt Surfpop und Punkrock, “Phantom Limb” orientiert sich an den Beach Boys und weist zudem eine herrlich herzerwärmende Melodie auf. “Red Rabbit” macht einen Ausflug ins Psychedelische, bei “Sea Legs” dominieren HipHop-artiger Beat und träumerische Violinen – Moment mal, geht das überhaupt zusammen? Oh ja, sehr gut sogar, die Shins können das! Sänger und Gitarrist James Mercer hat sich freigeschwommen, seine Texte sind nachdenklich bis höchst ironisch und seine Kompositionen müssen keine Vergleiche scheuen. Im Gegenteil: bald wird es heissen, “die und die wollen klingen wie die Shins, reichen an ihre Vorbilder aber nicht heran.”

www.theshins.com