Short Cuts März 07, zweite Hälfte
The Dead 60's
(SonyBMG)
Das Cover dieser CD wird zwar durch einen Button verunziert, der den Film „Neues vom Wixxer“ bewirbt, aber das sollte nicht dazu führen, dass man The Dead 60's links liegen lässt. Oliver Kalkofe ist dafür verantwortlich, dass den Dead 60's erneute Beachtung zuteil wird: er war so begeistert von ihrem Song „Ghostface Killer“, dass er ihn zur Titelmusik des „Wixxers“ erkor. Dieser Song befindet sich nun in einer Remixversion auf der Wiederveröffentlichung der 60's-Platte von 2005. Vor zwei Jahren wurde die Band als Vorreiter eines Ska-Punk-Revivals gefeiert, ihr urbaner, abgehangen-dunkler Sound erinnert an Helden wie die Specials und The Clash. Leider schlugen die Dead 60's bei uns keine grossen Wellen – das könnte jetzt passieren, möge der Wixxer es richten!
Puts Marie, Dandy Riot
(Hazelwood)
Puts Marie kommen aus Biel, zweitgrösste Stadt der Schweiz, die ausser dem Schriftsteller Robert Walser kaum Berühmtheiten hervorgebracht hat. Die vorurteilsmässige, oft beschworene Enge der Schweiz hat sich nicht auf den kreativen Output der vierköpfigen Band ausgewirkt: voll unbändiger Energie bearbeiten sie ihre Instrumente, um ihnen Punk-Polka à la Violent Femmes zu entlocken, diesen mit Jazz, Rock'n'Roll und Folk zu würzen, bis alle ganz durstig werden, viel Bier trinken müssen, um dann noch wilder weiterzuspielen. Hier haben sich Band und Label wirklich gesucht und gefunden – Hazelwood ist eine würdige Heimstatt für Verrückte wie Puts Marie!
» www.hazelwood.de/putsmarie/
Matthew Herbert, Score
(!K7)
Now for something completely different: Tausendsassa Matthew Herbert produziert nicht nur wegweisende Dance- und Elektrotracks, er zeichnet auch für einige Filmsoundtracks verantwortlich. „Score“ beinhaltet 17 Tracks aus so unterschiedlichen Filmproduktionen wie Kristian Leverings „The Intended“ oder „Le Defi“, einem Hip-Hop-Musical der französischen Regisseurin Blanca Li. Für die Soundtracks arbeitet Herbert noch kreativer als sonst schon, ob flächig-assoziative Tracks wie „Funeral“, Retroanleihen bei „Singing in the Rain“ oder pompöse Arrangements wie „The Apartment“ - stets beweist er seine Ausnahmestellung in der elektronischen Musik.
Apostle of Hustle,
National Anthem of Nowhere
(Arts & Crafts/CitySlang)
Andrew Whiteman ist Gitarrist bei Broken Social Scene, dem Künstlerkollektiv aus Toronto. Das allein reicht ihm nicht: er lebte längere Zeit auf Kuba und lernte die dort übliche Gitarre „Tres“ zu spielen. Diese kommt bei seinem Soloprojekt Apostle of Hustle ausgiebig zum Einsatz und sorgt für einen brummend-warmen, lebendigen Sound. Fliegen schon bei BBS tausend Stile durch die Gegend und bilden hundert Schichten einen Song, ist das beim Hustle-Apostel nicht anders. Mit dem Titeltrack und „My Sword Hand's Anger“ schenkt er uns zwei der schönsten Gitarrenpopsongs seit ganz langem, „Haul Away“ ist reinster Swampblues und „Chances Are“ rockt flockig nach vorn. Abwechslungsreich und zauberhaft!
Plemo, Exzessexpress
(Audiolith Records/Broken Silence)
Wenn wir vorher Puts Marie als „Verrückte“ bezeichnet haben, geschah das, bevor Plemo ins Spiel kam: der technoide Hamburger Ex-Punk ist seit über 15 Jahren ein durchgedrehter Raver und das hört man. Gesamtkunstwerk Plemo wird von vielen Leuten geliebt und verehrt, Knarf Rellöm zum Beispiel singt „ … Plemo is playing at my house!“ Plemos Randale-Alkohol-Elektro-Punk ist Pop, weil im Pop alles geht. Die Beats hämmern, die Synthies quietschen, Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs. „Wir raven“ ist ein echter Hit, genauso wie der Titeltrack, der von Jessica Drosten (Das Bierbeben) freundliche Unterstützung erhält.