Monostars: Neobagism
Monostars: Neobagism (Arg & Loud 2007)
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Die Monostars aus München gibt es bereits seit 1995 – ihr Output ist sparsam, das neue Album „Neobagism“ ist erst die fünfte Veröffentlichung. Ein solch umsichtiger, zurückhaltender Umgang mit dem eigenen Werk lässt den Schluss zu, dass jede musikalische Äusserung der Band wohl durchdacht ist. Man verschleudert sich nicht – auch zu dem Preis, nicht in der allervordersten Bekanntheitsliga mitzuspielen. Die Monostars verknüpfen textlich Persönliches mit der grossen weiten Welt; Liebe und der grosse diskursive Ansatz mit Hardt/Negri schliessen sich nicht aus, sondern bedingen einander. So heisst es im Opener der neuen Platte „Hey“:
„Glaubst du an ein gemeinsames Leben – ich rede nicht vom Glück im Kleinen, sondern eben von etwas wirklich Grossem, das Kreise zieht und stetig wächst? John Lennon und Klaus Theweleit, Hardt, Negri und Sigmund Freud. Ich denk an Liebe, ja ja, ich denk an Liebe, na klar!“
Musikalisch wird spannungsreich und lässig gerockt, der Monostars-Kosmos beginnt bei Wire und Sonic Youth und hört bei The Fall noch lange nicht auf – Internationalism rules, man kann gar nicht oft genug erwähnen, dass jeglicher „Schule“-Begriff auf die Monostars nicht zutrifft, Klassifizierungen engen ein, verstellen den Blick auf das Wesentliche – und darauf schauen die Monostars stets. „Neobagism“ ist einer der raren Momente im deutschsprachigen Pop, in dem sich musikalische Exklusivität, politisches Bewusstsein und Spielfreude vereinen. Und obwohl dieses höchst empfehlenswerte Album kaum Fragen offenlässt, ist satt.org froh, Euch ein Interview mit Norbert Graeser, Sänger und Bassist der Monostars präsentieren zu können:
CM: "Neobagism" macht einen dichteren, stringenteren, konzentrierteren Eindruck als die früheren Alben - ist das eine bewusste Entscheidunggewesen oder eine automatische Entwicklung?
Foto: Monostars |
NG: Nach der letzten Platte "Nichts Für Immer" verliessen zwei Gründungsmitglieder, Ralf und Marc, die Band. Marc widmet sich seitdem mehr dem (Bücher-)Schreiben, Ralf sitzt in seinem Tattoo-Laden und verziert dort Münchner Musiker. Schon während der Entstehungsphase von "Nichts Für Immer" war Marc für ein Jahr in New York gewesen und Ralf hatte seinen Ausstieg angekündigt, so dass das letzte Album sehr stark nur von Lenz und mir entwickelt oder komponiert wurde. Davor gab es eben noch diese "Bandchemie", ein gemeinsames Musizieren, das die Songs entstehen ließ. Es ging also nach "Nichts Für Immer" erstmal wieder darum, mit den neuen Bandmitgliedern eine Arbeitsweise zu finden. Wir sehnten uns ja auch wieder nach diesem Bandgefühl. Mit Markus am Schlagzeug stieg jemand ein, der die Band vom Hören her schon kannte, und mit Tim an der Gitarre ein Freund der Band, der bereits ein Video für uns produziert hatte. Mit dem Ersetzen des Keyboarders durch einen Gitarristen hat sich natürlich auch unser Sound etwas verändert. Die übrig gebliebenen, spärlichen Keyboards sind wesentlich unauffälliger/reduzierter und alles kommt etwas gitarrenlastiger daher. Es war auch eine bewusste Entscheidung, um einen kompakteren, geradlinigeren und weniger verspielten Sound zu erreichen. Wir wollten wieder unverbraucht an das Musikmachen rangehen. Als würde man es zum ersten Mal machen. Mit dem Bemühen der Integration der neuen Musiker ging also auch wieder eine musikalische Suche nach sich selbst los.
CM: Die Monostars gibt es schon eine Weile, Eure Platten + Texte werden hochgelobt, aber so bekannt wie die Sterne, Blumfeld, Tocotronic seid Ihr nicht. Haltet Ihr Euch bewusst von wie auch immer genannten Szenen fern?
NG: Wir halten uns von keiner Szene fern. Diese "Szene" gibt es in München nicht. Es gibt mehrere kleine Zirkel, die sich wohlgesinnt beobachten. Aber EINE Szene fehlt. Auch "Hamburger Schule" und all das ist ja nun schon lang her. Deutsch singt ja mittlerweile jeder. Klar kennt man befreundete Bands und andere Musiker, hat auch Projekte zusammen, aber wie in Hamburg oder früher in Weilheim beispielsweise funktioniert das eben in München nicht oder es wird nicht so auf diesem Szene-Aspekt herumgedroschen. Wir waren mit den Monostars auch immer eine sehr unplakative, wenn man so will, nüchterne Band. Keine Slogans. Eigentlich ganz un-Lennon-mäßig. Das lässt sich alles nicht so schubladenmässig verkaufen.
CM: Ihr schafft es, in einem Rocksong Klaus Theweleit, Hardt/Negri und Sigmund Freud unterzubringen - Rockmusik steht ja eher im Verdacht, gänzlich unintellektuell zu sein. Für Euch scheinen Intellektualismus und Pop keine Widersprüche zu sein …
NG: Es gibt doch eigentlich viele Beispiele für intellektuelle Rockmusik. Das ist bestimmmt kein Widerspruch. Die Frage ist ja eher: was macht die Musik intellektuell? An den Texten allein kann man das sicher nicht fest machen und an einem Philosophen-Namedropping erst recht nicht. Es gibt ja seit Post-Rock auch "intellektuelle Instrumentalbands" :-) . Vielleicht geht es eher um eine Grundhaltung der Band, des Künstlers. Natürlich bemühe ich mich, Texte zu schreiben, die eine etwas längere Halbwertszeit besitzen und beim Hören länger interessant bleiben. Ich finde meine Texte aber wirklich nicht allzu intellektuell. A bisserl verkopft vielleicht - manchmal :-) .
CM: Soll/kann/darf der Musiker/Künstler sich politisch äußern? Oder hat Politik im Pop nix zu suchen?
NG: Ein Musiker/Künstler kann und darf, was er will. Er soll gar nichts. Was ist politisch? Ich würde sagen, Tagespolitik hat im Pop nichts zu suchen. Das gleitet dann immer unangenehm ins Kleinkunstartige, Kabaretthafte ab. Aber Musiker dürfen sich gerne mit Politik beschäftigen. Umgekehrt ist es schwieriger. Aber es heißt in beiden Fällen ja nicht unbedingt automatisch, dass dabei interessante Sachen herauskommen. Bill Clinton spielt(e) ja auch Saxophon :-) .
CM: Was kann Pop erreichen - ich habe gehört, dass bald ein Protestsampler gegen den G8-Gipfel erscheint (vielleicht seid Ihr ja auch darauf vertreten), was haltet Ihr von solchen Projekten?
NG: Pop kann vielleicht Hoffnung schüren, aber viel erreichen kann Pop nicht. Politik ist unglaublich pragmatisch und so etwas Großes wie "Liebe" wird eben nur noch in der Popmusik ausgesprochen. Bei den (Anti-)globalisierungsbewegungen etcetera stellt sich natürlich wieder die Frage nach dem Scheitern von Visionen. Ob man noch an die Möglichkeiten/Kraft von Massenkundgebungen/-bewegungen glaubt, bleibt wohl jedem selbst überlassen. Wir sind bisher nicht auf diesem Sampler vertreten.
CM: Ihr werdet eher mit internationalen Bands wie The Fall oder Wire verglichen, weniger mit anderen deutschen Bands - wie steht Ihr dazu?
NG: Wenn dem so ist, dann würde uns das sehr freuen. Eigentlich machen wir eher die Erfahrung, dass man als Band mit deutschen Texten auch sofort in einen engen nationalen Referenztopf geschmissen wird, dabei haben wir musikalisch keine klaren Referenzpunkte, schon gar nicht deutschsprachige Bands.
CM: Wie entstehen Monostars-Songs? Erst Text oder erst Musik?
NG: Ausgangspunkt sind immer instrumentale Skizzen. Dann schreibe ich Texte dazu, die letztlich immer von Dingen/Gedanken handeln, die mich zum Zeitpunkt des Songwritings beschäftigen. Eigentlich hat so jede Platte von uns textlich ein Thema, abhängig davon, welche Phase ich eben gerade durchmache :-) . Da die letzte Platte schon vier Jahre alt ist und der Bandfindungsprozess über längere Zeit/die ganze Zeit lief, finden sich eben auch noch Dinge wie 9/11 auf der CD wieder.
CM: Welches Instrument ist das wichtigste für den Monostars-Sound?
NG: Alle können Ausgangspunkt für einen Song werden. Momentan ist der Bandsound aber eher gitarrenlastig.
CM: Welcher Song vom neuen Album war der schwierigste?
NG: Der schwierigste war einer über die (Platten-)industrie, der es nicht aufs Album geschafft hat. Von den Tracks auf dem Album war "Flugbegleiter" das schwerste Stück. Mixtechnisch und auch textlich, denn 9/11 ist ja nun auch schon eine Weile her.
CM: Welcher ging am leichtesten von der Hand?
NG: Eigentlich "Schreib Deinen Namen". Die Struktur war ziemlich schnell klar und der Text fast fertig.
CM: Der Begriff "Neobagism" spielt auf eine Kunstaktion von John Lennon und Yoko Ono an - was macht die beiden heute noch so wichtig für Euch?
NG: Die Haltung unserer Band wurde ja schon bei der Frage nach einer Szenenzugehörigkeit deutlich. Der von John Lennon und Yoko Ono initiierte "Bagism" passt da wie die Faust aufs Auge :-) . Alles was zählt ist die Aussage, nicht die Verpackung oder die Zugehörigkeit zu einer Szene/Stadt. Natürlich steht Lennon. auch für die Verbindung von Pop und Politik - so naiv heute ja nicht mehr denkbar - für das Großgedachte/Größenwahnsinnige und den Mut - aus heutiger Sicht eben die Naivität - es total 1:1 auszusprechen "all we are saying …, Love, Love, Love, etc.). Die Liebe zu John Lennon offenbart unsere große Sehnsucht nach der Moderne.
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