Pissed Jeans: Hope for men
Puh – definitiv kein Album für Freunde der beschwingten Melodie … Der klassisch besetzte Vierer (Vocals, Gitarre, Bass, Schlagzeug) aus Pennsylvania verlangt Aufmerksamkeit und fordert diese mit Nachdruck ein. Die Band um Sänger Matt Korvette und Gitarrist Bradley Fry tut dies mit schmerzlich-eindringlichem Gesang und sägender Gitarre irgendwo im Dickicht von Punk, Blues und Noise und bildet damit den Mittelpunkt eines Dreiecks zwischen Big Black, Captain Beefheart und den Melvins. „Hope for Men“ ist der zweite Langspieler der Band für Sub Pop, ihr Erstling und eine Single erschienen auf Parts Unknown.
Pissed Jeans: Hope for men (Sub Pop/Cargo 2007)
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„Hope for men“ ist die Botschaft und „men“ möchte die Band im Sinne von „mankind“ verstanden wissen. Tja, nun … Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, bei der Mehrheit auf diesem Planeten dürfte diese Hoffnungsvision allerdings Angst auslösen oder zumindest für große Irritation sorgen. Laut Eigenaussage der Combo handelt es sich bei ihrer Musik um „monotonous droning rock music“: Soundwälle, monotone Strukturen oder ständige Tempiwechsel, Feedbackgewitter, von Zeit zu Zeit klingt der Gesang, als würde Korvette seinen morgendlichen Auswurf zu Tage fördern: Jungsmusik.
Die Bandbreite des Albums ist groß und stilistisch zwischen dem Opener „People Person“ und dem letzten Track „My Bed“ angelegt. Ersteres ist ein punkiges Noisestück, mit von Bass und Schlagzeug stoisch durchgespieltem 4/4-Takt, heiserem, minimal variierendem Gesang und einer Gitarre, die darüber immer neue Muster malt/kreischt/moduliert. „My Bed“ dagegen ist eine psychedelische, schleppend langsame Nummer mit sparsamer Instrumentierung und energisch gebrülltem Text, der die Gewohnheiten des Sängers in seiner Bettstatt offenbart, bis er sich schließlich nach fünf Minuten wie ein Gewitter entlädt, das sich mit dicken dunklen Wolken bereits die ganze Zeit angekündigt hatte.
Obwohl die Songs teils improvisiert und hingerotzt klingen, sind hier keine Dilettanten am Werk. Die Mittzwanziger sind seit über 10 Jahren in diversen Combos aktiv, Fry und Korvette meist gemeinsam. Ihre Musik ist auf positive Weise zeitlos, es werden keine musikalischen Trends aufgegriffen oder interpretiert, den Jungs gelingt es, etwas sehr Eigenständiges zu schaffen. Umrissen wird der musikalische Pissed-Jeans-Kosmos durch das Schlagzeugspiel von Sean McGuiness: es wechselt zwischen anspruchsvoll-exakt als einem Pol und einfach-monoton als dessen Gegensatz. Dies macht „Hope for men“ zu einem spannenden Album, dessen Nischendasein und kommerzielle Unverwertbarkeit jedoch sicher sein dürfte. Wäre diese Platte vor 20 Jahren erschienen, hätte sie gut ins Repertoire des Amphetamine-Reptile-Labels gepasst. Dessen Veröffentlichungen wurden seinerzeit in Deutschland gemeinsam mit dem Oevre von Sub Pop durch Glitterhouse vertrieben – der Kreis schließt sich. „Hope for Men“ ist ein Monster von Album, das nichts für Zartbesaitete, aber unglaublich intensiv und abwechslungsreich ist. Mit jedem Hören werden die Strukturen klarer, wie Umrisse, die sich langsam aus dem Nebel abzeichnen. Einzelheiten werden sichtbar und über das Erkennen der Details wird plötzlich der Blick auf das große Ganze frei. Keine klassische Rock'n'Roll-Schönheit, eher eine vom Leben gezeichnete Nachteule, wie man sie in Bukowskis Erzählungen trifft. Sie ist abstoßend und anziehend zugleich, aber eine Versuchung für alle, die neugierig sind, sich von Stärke und Eigenwilligkeit nicht abschrecken und sich gerne überraschen lassen. Während man sich mit dieser herben Schönheit befasst, kann man im Hintergrund die Trinker am Tresen sitzen sehen, wie sie mit stumpfen Augen dem Trubel zuschauen, aber seid nicht bange, ihr Mutlosen: es gibt Hoffnung für die Menschheit!
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