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Juni 2007
Christina Mohr
für satt.org

Die wahre Freiheit
der privaten Initiative


Von Spar
(Tomlab)

Von Spar
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Vor drei Jahren rauschten Von Spar wie eine Windhose in die deutsche Indiepoplandschaft: parodistisch-retro bis enervierend-hysterisch bretterten sie ihre Mixtur aus Highspeed-Elektro und Postpunk von den Bühnen, dazu kreischte Thomas Mahmoud „Ich bin eine Ich-Maschine, ich bin eine Ich-AG“. Immer in-your-face und definitiv grenzüberschreitend. Sloganbands hatten 2004/05 ohnehin Konjunktur: Seelenverwandte wie Saalschutz und Mediengruppe Telekommander bildeten gemeinsam mit Von Spar die Speerspitze eines neuen Trends, den die Beteiligten gleichzeitig mit Verve auf die Schippe nahmen. Politik- und kulturkritische Parolen wurden dem Publikum um die Ohren gehauen, bis diese anfingen zu bluten und zu all dem Irrsinn konnte man auch noch formidabel abgehen – Revolution ist tanzbar, Herr Nachbar! Aber wie macht man weiter nach einer so markerschütternden und stilprägenden Platte wie „Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative“? Von Spar wählen den unbequemen Weg, erfüllen keine Erwartungen. Das schlicht „Von Spar“ betitelte neue Album beinhaltet zwei zwanzigminütige Trips, die zwischen Krautrock, Metal und Minimal changieren, sofern der Begriff „changieren“ zu diesem brachial servierten Noise überhaupt passen mag. Bands wie Can, Godspeed You! Black Emperor oder Neurosis können einem in den Sinn kommen, diese Referenzpunkte verwirft man aber ebenso schnell wieder, wie sie im verwirrten Hirn aufgeflackert sind. Dieses Album wirft Fragen auf – Sebastian Blume, Keyboarder von Von Spar, hat sie beantwortet:

CM: Leute, die "Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Inititative" mochten, werden von Eurem neuen Album irritiert sein - wann und wie entstand die Idee, zweimal zwanzig Minuten Krautrock-Noise-Experimental aufzunehmen?
SB: Die Idee lag so etwa im Herbst letzten Jahres quasi auf der Hand, weil wir mit einer sehr skizzenhaften Version dieser beiden Songs bereits einige Konzerte gespielt hatten und alle irgendwie Lust hatten, diese Skizzen mit zusätzlichen Sachen anzureichern und auszuarbeiten.

CM: Ist das Disco-Elektro-Punk-Gemisch eurer früheren Stücke jetzt für immer Geschichte?
SB: Nun, die erste Von Spar-Platte ist zwar auch die erste Veröffentlichung gewesen, mit der wir einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit bekommen haben, aber das heißt natürlich nicht, dass wir musikalisch in dieser Art No-Wave-Disco-Punk total verwurzelt wären oder dass das unser Ausgangspunkt wäre. Jeder von uns hat sowohl als Hörer wie auch als Musiker eine Sozialision, die lange vor Von Spar beginnt und die die unterschiedlichsten Stilistika beinhaltet. Im Moment hätte die Vorstellung, zu diesem Punkt noch einmal zurückzukehren, etwas sehr seltsames, weil das eben doch eine sehr zeitbezogene Reaktion auf die damals akuten Retro-Phänomene war.

CM: Wolltet Ihr euch bewusst aus dem Slogan-Elektro-Umfeld von Mediengruppe Telekommander/Saalschutz rausziehen?
SB: Es ging uns darum, Musik zu machen, die wir selbst im Moment spannend finden und die auch für uns selbst eine Herausforderung darstellt. Da wir von der Musik eh alle nicht leben können, sondern alle Zweit- und Drittjobs machen müssen, um uns über Wasser zu halten, haben wir uns gedacht: wir nehmen uns die Freiheit, das zu machen, worauf wir gerade Lust haben. Und bei dem, was dabei herausgekommen ist, bietet es sich einfach nicht an, in der bisherigen Art und Weise Parolen darüber zu shouten. Eine Abgrenzung von alten Weggefährten war dabei überhaupt nicht beabsichtigt, und mit den Telekommander-Jungs sind wir ja auch nach wie vor gut befreundet.

CM: Haben Lyrics für Euch noch eine Bedeutung? Oder liegt die Zukunft im Instrumental?
SB: Das vermag, glaube ich, zum jetzigen Zeitpunkt niemand von uns zu sagen. Es ist durchaus vorstellbar, dass auch wieder Stücke kommen werden, in denen die Lyrics einen größeren Raum einnehmen, aber wir waren in den vergangenen Tagen so damit beschäftigt die Live-Umsetzung dieser Platte zu erarbeiten, dass noch nicht allzu viel Zeit war, sich über die nächsten Projekte Gedanken zu machen.

CM: Habt Ihr schon Konzerte mit dem neuen Material gegeben? Wie sind die Reaktionen?
SB: Seit wir im Studio waren, haben wir das Albummaterial dreimal live gespielt. Reaktionen des Publikums einzuschätzen ist immer schwierig. Mit faulen Eiern hat bisher keiner geworfen (vielleicht kommt das ja noch?). Wir selbst hatten auf jeden Fall den Eindruck, dass das live ganz gut funktioniert und ein Großteil des Publikums bereit ist, sich auf diesen Trip einzulassen.

CM: Wie wichtig sind euch positive Rückmeldungen - oder sucht Ihr Konfrontation?
SB: Am wichtigsten finde ich erstmal, dass man selbst hinter dem stehen kann, was man fabriziert. Es geht uns nicht darum, irgendjemanden vor den Kopf zu stoßen. Wir haben im Moment einfach Lust, genau diese Musik zu machen. Uns war schon bewusst, dass ein gewisser Teil der Leute, denen die erste Platte gefallen hat, die Erwartung hatte, dass wirauf den nächsten zehn Platten quasi dienstleistungsmäßig immer wieder in dieselbe Kerbe hauen. Aber wenn wir an diesen ohnehin ja eher parodistisch gemeinten Ansatz drei Jahre später ernsthaft noch mal angeknüpft hätten, dann hätten wir auch genauso gut eine 80er-Coverband gründen können.

CM: Einen solch radikalen Bruch mit Zuhörererwartungen hat in letzter Zeit kaum eine Band fertiggebracht - ödet Euch der "normale" Musikbetrieb an? Oder experimentiert Ihr einfach gern?
SB: Wir sind mit dieser Platte genauso sehr (oder eher genauso wenig) Teil des "großen Musikbusiness" wie mit der letzten. Von daher wäre es Quatsch vorzugeben, wir wollten uns damit dem Einfluss bestimmter Mechanismen entziehen, weil sie uns anöden. Sowas kann jemand wie Damon Albarn sicherlich einigermaßen glaubwürdig behaupten, aber in unserer Position wäre das einfach lächerlich.
Das Experimentelle ist sicherlich ein wichtiger Faktor bei der neuen Platte. Allerdings nicht insofern, dass wir glauben, das Rad neu erfunden zu haben. Es ging vielmehr darum, verschiedenste Einflüsse so zu verarbeiten, dass durch die gegenseitige Durchdringung der Bestandteile etwas vielleicht nicht grundlegend Neues, aber eben doch Eigenes entsteht.

CM: Welche Expansionsmöglichkeiten beinhaltet das Konzept Von Spar noch? Und was würdet Ihr auf keinen Fall ausprobieren?
SB: Ausschließen würde ich lediglich eine bestimmte Art von Lagerfeuer-Befindlichkeits-Pop, wo man zum Beispiel seine Liebe zur Musik, zu den Worten oder seiner Freundin besingt (Das können andere einfach viel besser als wir).



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