Marc Almond: Stardom Road
Marc Almond: Stardom Road (Sequel/Sanctuary 2007)
» amazon
|
Wer dem Tod von der Schippe gesprungen ist, sieht sein Leben in einem anderen Licht und betrachtet es vielleicht zum ersten Mal als Geschenk – klingt schwer nach Klischee, trifft im Falle Marc Almonds aber zu. Er überlebte einen schweren Motorradunfall im Oktober 2004 nur knapp, lag mehrere Wochen auf der Intensivstation. Monatelang war nicht klar, ob er jemals wieder singen können würde, doch Almond trainierte und gewann seine Stimme zurück. Der Unfall markierte einen starken Einschnitt, Marc Almond hatte viel Zeit, um über sein Leben nachzudenken - und schnell wurde ihm klar, dass er unbedingt wieder singen wollte, singen musste. Resultat der unfreiwilligen Exerzitien ist das Album „Stardom Road“, das bis auf eine Ausnahme, die Neukomposition „Redeem Me (Beauty Will Redeem the World)“ aus Coverversionen besteht. Almond wählte Songs aus, die besondere biografische Bedeutungen für ihn haben, Musik, die ihn durchs Leben begleitete. Weniger bekannte Stücke sind darunter, aber auch Evergreens wie Frank Sinatras „Strangers in the Night“ und „The Curtain Falls“ von Bobby Darin. Marc Almond schöpft aus vier Dekaden Musik: die Crooner der fünfziger Jahre, orchestral arrangierte Melodien der Sechziger, Glampop der Siebziger, Elektro aus den achtziger Jahren, Songs aus den letzten zwanzig Jahren sind nicht dabei. Coverversionen waren schon immer Almonds Metier, eindrucksvoll geriet sein Album „Jacques“, auf dem er Brèl-Songs interpretierte, auch „The Days of Pearly Spencer“, im Original von David McWilliams, wurde in Almonds Version zum Hit. Und schon „Tainted Love“, Soft Cells Smashhit aus dem Jahre 1981, war ein Cover: die Originalversion stammte von Gloria Jones, Marc Bolans Ehefrau. Marc Almonds voluminöse, unverwechselbare Stimme macht aus jedem Song einen Almond-Song: er ist die stimmigste Verkörperung des Spruchs „It's the singer, not the song“. Ganz nebenbei klingt Almond auf „Stardom Road“ so gut und selbstbewusst wie lange nicht mehr, ganz so, als hätte es den Unfall nie gegeben. Oder als hätte die Beinah-Todeserfahrung ganz neue Kräfte in ihm freigesetzt. Sein Leben lang war Almond – und er ist es heute noch – auf der Suche nach Glamour, Glanz, Grandezza. Die Songs auf „Stardom Road“ spiegeln diese Sehnsüchte wider, sei es der Titeltrack, seine Version von „Kitsch“ oder der Opener „I have Lived“, der unschlagbar ist, wenn es ums Bilanzziehen geht. Almond gelingt es, auch abgenudelten Klassikern wie „Strangers in the Night“ eine neue Dimension zu verleihen: in seiner Version wird die Broadway-Schnulze zum eindringlichen Stück über Homosexualität und eigene Coming-out-Erlebnisse, ebenso „The London Boys“, im Original von David Bowie.
Tracklisting:
- I have lived
- I close my eyes and count to ten
- Bedsitter images
- The London boys
- Strangers in the night
- The ballad of the sad young men
- Stardom road
- Kitsch
- Backstage (I'm lonely)
- Dream lover
- Happy heart
- Redeem me (Beauty will redeem the world)
- The curtain falls
|
Was Marc Almond genauso liebt wie Coverversionen sind Duette: er sang „Something's Gotten Hold of my Heart“ mit Gene Pitney (dem er auf „Stardom Road“ mit dem Song „Backstage I'm Lonely“ huldigt), er arbeitete mit Nico, Nina Hagen, Jimmy Somerville und vielen mehr. Für „Stardom Road“ lud er sich Jools Holland (Ex-Squeeze), Sarah Cracknell von St. Etienne und Antony Hegarty ein. Mit Antony singt er den Rickie Lee Jones-Song „The Ballad of the Sad Young Men“ – eins der schönsten Duette, die Almond je aufgenommen hat. Wenn die beiden singen: „All the sad young men / Singing in the cold / Trying to forget / That they're growing old“, spürt man, dass sich zwei Seelenverwandte gesucht und gefunden haben. Aber jedes Stück birgt Überraschungen: Almond leitet Bobby Darins „Dream Lover“ mit einem kurzen „In Dreams“-Intro von Roy Orbison ein, dem Song, der in David Lynchs „Blue Velvet“ den bösen Frank Booth (Dennis Hopper) zum Weinen bringt. „Bedsitter Images“ von Al Stewart war Vorbild für den Soft Cell-Song „Bedsitter“ aus dem Jahre 1981 – weitere interessante Details erfährt man aus den kurzen Begleittexten im Booklet, in denen Almond begründet, warum er welchen Song ausgewählt hat. Am Schluss von „Stardom Road“, wenn „The Curtain Falls“ ausgeklungen ist, möchte man dem grossen Marc Almond applaudieren - Chapeau!
Übrigens feiert Marc Almond am 14. Juli seinen 50. Geburtstag! Wir stossen mit Champagner an und wünschen ihm, dass er noch lange auf der „Stardom Road“ unterwegs sein wird!
» www.marcalmond.co.uk