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Der britische Journalist, Musiker und Buchautor (z.B. New York City Rock, Ventil 2003) hat sich auf die Suche nach den Wurzeln des Rock'n'Roll begeben. John Lennon sagte dereinst: „Before Elvis, there was nothing“, Evans' Buch dient in erster Linie dazu, dieses Vorurteil zu widerlegen. Das verdeutlicht die Zeitleiste, die Evans gewählt hat: die Jahre 1945 – 1963 werden in dem 290 Seiten starken Band beleuchtet und auf die ersten rockenden und rollenden Anzeichen untersucht. Für Evans beginnt die Zeit des Rock'n'Roll direkt nach dem zweiten Weltkrieg, als die Aera der Bigbands vorbei war. SolokünstlerInnen wie Frank Sinatra, Ella Fitzgerald oder Fats Domino standen auf einmal im Rampenlicht und bereiteten den Boden für spätere Superstars wie Elvis Presley, die zu libidinösen Subjekten respektive Objekten wurden. Aus den Grundelementen Jazz, Hillbilly, Blues und auch Swing entstand in den Zeiten sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Umbrüche die Musik, die wie keine andere für jugendlich Rebellion stand – der Rock und Roll. Das üppig bebilderte Buch beschränkt sich aber nicht auf die Darstellung damaliger Popkultur, politische Themen wie der Kalte Krieg, Vietnam, die Kubakrise und die McCarthy-Hexenjagden werden ausführlich erläutert. Evans zeigt, vor welchem Hintergrund popkulturelle Phänomene wie die ersten Filme mit Marlon Brando („The Wild One“) - oder in Europa - Brigitte Bardot entstanden und aufgenommen wurden und verdeutlicht so den wahrhaft rebellischen Aspekt, der dem Rock (und den verwandten Filmen) innewohnte. Trotz aller Umwälzungen bestimmte ein sattes, bigottes Spiessertum das öffentliche Geschehen, kein Wunder, dass man Elvis zu dieser Zeit für einen Abgesandten Satans hielt. Das Buch endet mit den Beatles, der Band also, mit der eigentlich die Hochzeit des Pop und Rock erst eingeleitet wurde. Evans' Spurensuche ruft Rock'n'Roller in Erinnerung, die lange Zeit vor den Beatles unterwegs waren – Eddie Cochran, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry. Auch wenn viele Bilder des Buchs in der allgemeinen Erinnerung präsent sind, wird die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die paradoxen Beziehungen zwischen Politik und Musik, Jugend und Erwachsenenwelt, Kultur und Wirtschaft durch Evans' Buch besonders deutlich und greifbar. R. Klanten, H. Hellige: Supersonic
Die;ses Buch hat einen Vorläufer: 2004 erschien bei Die Gestalten der Bestseller „Sonic“, der sich dem Thema Design im Musikbereich widmete. Seit einigen Jahren wird – wegen des Vormarschs des iPod und unzähliger Downloadportale – die visuelle Gestaltung von Pop angeblich immer unwichtiger. Klar, wenn niemand mehr CDs kauft, werden auch keine Cover mehr benötigt. Über das Aussterben grossformatiger LP-Cover wollen wir gar nicht erst anfangen zu klagen. Aber es gibt sie noch, die gallischen Dörfer, in denen künstlerisch wertvolle Albumcover designt werden – und zum Glück in grosser Zahl. Ob im Independent-, Folk-, Rock- oder im Elektroniksektor, überall toben sich mehr oder weniger namhafte Künstler aus, um der Musik ein Gesicht, eine Oberfläche, eine wiedererkennbare Gestalt zu geben. „Supersonic“ greift die Idee von „Sonic“ wieder auf und liefert ein buntes Panoptikum aktuellen Coverdesigns. Der Band wird eröffnet von Becks letzter Platte „The Information“, die mit einem Satz Aufkleber ausgeliefert wurde, mit denen die Käufer das Blanko-Rechenpapiercover selbst gestalten konnten. Die Idee zum Beck-Cover stammt vom britischen Designkollektiv Big Active, das im Buch noch mehrfach auftauchen wird, zum Beispiel als Urheber der letzten Plattencover von Bands wie Keane und Snow Patrol. Seien es die opulenten Vintage-Gemälde von Ultrabazar, die Jolly & The Flytraps Platten verschönern oder die beängstigend düsteren Arbeiten von Invisible Creature Inc., alle abgebildeten Arbeiten machen grosse Lust auf die verpackte Musik – genau so soll Design funktionieren. Abgerundet wird der Band durch eine Auswahl künstlerisch gestalteter Konzertplakate aus den vergangenen drei Jahren. Blättert man „Supersonic“ in Gänze durch, scheinen die Mediendiskussionen um das Verschwinden der optischen Gestaltung von Popmusik weit hergeholt und fast hysterisch. Das Design lebt! Und es tanzt und singt! Paul Ardenne:
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(Taschen Verlag 2007) (mit einem Vorwort von Jeff Koons) » amazon Abbildungen aus Pierre et Gilles, Double Je |
Dieses fast 600 Seiten starke Werk ist eigentlich ein Ausstellungskatalog: in der Pariser Galerie Jeu de Paume findet vom 26.6. - 23.9.07 eine Retrospektive über das mittlerweile dreissigjährige Schaffen der Fotokünstler Pierre & Gilles statt, der Taschen Verlag veröffentlicht das dazugehörige Buch. Hunderte grossformatige Abbildungen liefern einen umfassenden Überblick über das Schaffen von Pierre & Gilles, abgerundet durch viele private Aufnahmen der beiden.
Pierre Commoy und Gilles Blanchard treffen sich 1976 auf einer Party des Modeschöpfers Kenzo und beginnen umgehend ihr gemeinsames Leben und Arbeiten. Der studierte Fotograf Pierre, der wie Gilles seit Anfang der siebziger Jahre in Paris lebt, lichtet vorwiegend Popstars für namhafte Magazine ab, Gilles arbeitet als Werbegrafiker und Illustrator. Ihre ersten gemeinsamen Arbeiten sind übermalte Automatenpassfotos, ihr farbintensiver, exaltierter Stil beginnt sich zu entwickeln. Beide stammen aus katholischen Familien, was ihre Arbeit nachhaltig prägt: beinahe alle Pierre & Gilles-Werke sind Interpretationen von Heiligenikonen mit deutlichen religiösen Anspielungen. Der oder die Abgelichtete befindet sich im Zentrum eines verschwenderisch ausgestatteten Hintergrundes, dessen Details aus allen nur denkbaren Kulturkreisen stammen können. Da sich bei Pierre und Gilles zum quasi mit der Muttermilch aufgesogenen Katholizismus Homosexualität und eine tiefe Liebe zur Popkultur gesellen, werden sie rasch zu Göttern des Kitsch und Camp. Richtig berühmt werden sie mit ihren Heiligendarstellungen, die in einzigartiger Weise Religion und schwule Pin-up-Aesthetik kombinieren. Bei Pierre und Gilles werden riesige Pimmel ebenso grell ausgeleuchtet und verehrt wie Kruzifixe und Dornenkronen. Wie Designer Jean-Paul Gaultier feiern sie homoerotische Symbole: jede Menge Matrosen, Lederjungs, androgyne Wesen und queere Tomboys bevölkern ihre Arbeiten und die Frauen sind allesamt mindestens so schön wie Filmstars aus den Glanzzeiten von Hollywood. Ihre plakativen, farbenfrohen Bilder eignen sich hervorragend als Plattencover, was dazu führt, dass ihre Klientel bis heute zum Grossteil aus Popstars besteht. Amanda Lear war eine der ersten von ihnen fotografierten Sängerinnen, Legionen von SchauspielerInnen und MusikerInnen sollten folgen: Madonna, Kylie Minogue, Nina Hagen, Marc Almond, Lio, Iggy Pop, Mireille Mathieu (!), Sylvie Vartan, Catherine Deneuve, Juliette Greco, Dita von Teese, Marilyn Manson und viele viele mehr wollten Porträts von sich im charakteristischen Pierre & Gilles-Stil. Kein Wunder – so gut wie auf den liebevoll arrangierten Bildern von P & G wird man im Leben nie mehr aussehen, selbst wenn man Madonna heisst. Alle Porträts entstehen im Studio, die Fotomodelle werden wie für eine Opernaufführung aufwändig ausstaffiert und alles wirkt so wunderbar künstlich wie ein Schaufenster bei Harrod's.
Der französische Kunsthistoriker Paul Ardenne hat diesen prachtvollen Band ediert und konnte Jeff Koons für ein launiges Vorwort gewinnen. Dieser schreibt: „Sie suchen stets und in allen Dingen nach Schönheit.“ Dem sei noch hinzugefügt, dass Pierre und Gilles besagte Schönheit auch immer finden.
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